Hineingeboren

Ludwig Pullirsch

Die geschilderten Kämpfe spielten sich im Mai 1918 am Roncchinagrat ab.

Mein Vater war damals zwanzig Jahre alt, Leutnant und Militärbergführer.

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Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
  
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

 

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Endlich war alles vorbereitet und wir gingen in die Dunkelheit hinaus – es war kaum etwas zu sehen – wir stolperten vorwärts – die ausgetretenen Pfade waren nur schwer erkennbar – unheimliche Ruhe – nur weit in der Ferne leichtes MG-Feuer – wir gingen mit größter Vorsicht – niemand sprach – manchmal klapperte leise die Ausrüstung – nur ab und zu ertönte ein unterdrückter Fluch, wenn einer in einen Granattrichter fiel oder bis zu den Hüften im tiefen Schnee versank. Nur langsam kamen wir weiter. Mit drei Sturmspitzen gingen wir gleichzeitig vor – plötzlich Rufe vor uns – wir warfen uns sofort in den Schnee.

„Na, wir san z´weit untn“, rief einer vor uns und weiter: „Da kumma ma in´d Wänd eini“. Jetzt wussten wir, dass es eigene Leute waren, drei Mann der alten Besatzung, die Hilfe holen wollten. Sie konnten den Angriff auf ihre Feldwache abweisen, aber die meisten Kameraden waren gefallen. Zwei von den entgegenkommenden waren verwundet und stiegen weiter ab zum Stützpunkt B, der Dritte ging mit uns wieder zum Grat hinauf.

Plötzlich richtete sich wildes MG-Feuer gegen uns – wir liefen so schnell wir konnten – versanken oft in tiefen Schneelöchern – rappelten uns wieder auf – schimpfend – fluchend – „es geht um den ganzen Abschnitt“, sagte ich mir immer wieder vor – versuchte meine Leute aufzumuntern und anzutreiben, so gut es ging – wir hasteten weiter – wütend hämmerten einige MGs gegen uns – schrilles Geschrei – ein grässlicher Lärm in dieser sonst stillen Nacht – wir erreichten endlich den toten Winkel unter einer Feldwand – warfen die Rucksäcke ab – hinauf ging´s an Sicherungsseilen und auf Eisenleitern – explodierende Handgranaten fielen uns entgegen – doch da waren wir schon oben am Grat – vor mir sah ich einen Mann, der wie wahnsinnig mit dem MG schoss – ich griff zur Handgranate – ssss – der Zünder zischte – warf sie in weitem Bogen – ich war in fürchterlicher Aufregung – wir oder sie – der Herzschlag raste – ich schoss, schoss, schoss, was nur aus dem Gewehr hinausging – in der Finsternis sah ich aber nichts – irgendwo schrie einer: „Avanti, avanti!“ – in diese Richtung feuerte ich – plötzlich hörte das MG auf zu schießen – die Stille war geradezu unheimlich – er dürfte keinen Gurt73 mehr gehabt haben – ich beruhigte mich ein wenig und sah dabei, dass schon eine Menge Leute von uns auf dem kleinen Fleck heroben standen – alle schossen wie besessen in die Dunkelheit – endlich fiel mir meine Leuchtpistole ein – in der Aufregung brachte ich die Patrone nicht sofort hinein – schließlich gelang es – zischend fuhr die Kugel hoch – blendend weißes Licht bestrahlte unsere Umgebung – vor uns senkte sich der Felsgrat in die Tiefe – eine Anzahl dunkler Gestalten lag im Schnee – viele standen unter der Felswand auf der italienischen Seite des Grates – andere polterten die Schlucht hinunter – hier raste der Tod – in unmittelbarer Nähe von mir begann das italienische MG wieder seine tödlichen Garben auszuspeien – es schien mir, als würde ich zur Bestie – töte sie, töte sie – waren in diesem Augenblick meine einzigen Gedanken – wie rasend schossen meine Leute – ich schoss eine Leuchtkugel nach der anderen ab – kein Italiener versuchte mehr, die Felswand heraufzuklettern – die Überlebenden liefen über das Schneefeld zurück – meine Leute schossen noch immer – erst, nachdem ich sie laut anschrie, hörten sie endlich zu schießen auf. Die Situation beruhigte sich – nur vereinzelnd waren noch Schüsse zu hören – beim Licht der Taschenlampe sah ich, dass auch einige unserer Leute jammernd und stöhnend am Boden lagen – vor unserer Stellung waren gellende Schreie zu hören: „Aiuto, aiuto“ (Hilfe, Hilfe) – es war eine ganz erbärmliche Situation – mir war ganz übel nach diesen schrecklichen Erlebnissen – ich spürte ein fürchterliches Würgen im Hals – am liebsten hätte ich losgeheult!

Nur mit Mühe beruhigten wir uns. Beim trüben Schein unserer Taschenlampen schleppten wir unsere Verwundeten die Eisenleiter hinunter, oft schrie einer grässlich auf, wenn er an der falschen Stelle angefasst wurde oder beim Tragen an die Leiter oder an die Felswand stieß, schaurig gellte das Echo der Schreie in den Felswänden. Alle Verwundeten mussten über die 30 Stufen der Eisenleiter hinuntergetragen werden. Beim Aufstieg nahmen wir Munition mit,


 

73 Patronengurt

denn wir mussten jeden Moment mit einem Gegenangriff rechnen. Schrecklich jammerten einige verwundete Italiener unter uns, auf der anderen Seite des Grates.

„Wir müssen sie unbedingt heraufbringen“, sagte der Oberleutnant. Nach dem Abschuss einer Leuchtkugel sahen wir uns die Situation an. Textfeld: 95

 

Im grellen Licht der Leuchtkugel verstärkte sich das Wimmern und Schreien – es war, als wäre neues Leben in sie gefahren – das Jammern war herzzerbrechend – wir ließen Seile hinunter – vier Mann stiegen zu ihnen ab – alle anderen standen mit den Fingern am Abzug – Steine polterten hinunter – ein Verwundeter schrie fürchterlich auf – es begann eine äußerst schwierige und gefährliche Rettungsaktion – noch sechs Mann mussten hinunter – fünf Verwundete wurden heraufgebracht – auf unserer Seite mussten wir sie wieder über die Leiter hinuntertragen. Als die Aktion beendet war, stieg ich mit dem Oberleutnant zum Stützpunkt B ab. Leutnant Mühlbacher musste oben am Grat bleiben, da der Oberleutnant eine Offizierswache angeordnet hatte.

 

Todmüde sank ich in der Hütte des Stützpunktes auf eine Bank. Ich musste schrecklich aussehen, Blut klebte an meinen Fingern, blutverschmiert war die Uniform und auch im Gesicht hatte ich eine Menge Blutspuren, da ich mir mit den Händen öfters den Schweiß abgewischt hatte. Zum Glück hatten wir Schnaps in der Feldflasche, der stärkte und beruhigte. Ich konnte aber nicht lange sitzen, da einer von der Feldwache 7 kam und mitteilte, dass es nur mehr drei unverletzte und zwei verletzte Überlebende der alten Besatzung gab.

Es war fast Mitternacht, als ich todmüde mit zehn Mann aufbrach, es könnte ja jederzeit ein Angriff kommen. Der Mann von der Feldwache führte uns auf einem Pfad längs einer Felswand; Tote lagen herum, es war ein mühsamer Weg, oft rutschten wir aus, aber schließlich erreichten wir eine kleine Hütte. Ein Zugsführer mit MG meldete sich bei mir, er musste heroben bleiben, zwei Mann und der Leichtverletzte schleppten den Schwerverletzten hinunter. Ich ließ einen Doppelposten aufstellen, der stündlich abgelöst werden sollte, da wir alle schon sehr müde waren.

Ich saß noch eine halbe Stunde vor der Hütte an einen Felsen gelehnt, es war eine klare Nacht; unzählige Sterne funkelten, der Mandrongletscher schimmerte silbern herüber, in der Ferne waren einzelne Schüsse zu hören, manchmal auch etwas MG-Feuer und auch anderer undefinierbarer Lärm; kontrollierend leuchtete zwischendurch ein italienischer Scheinwerfer zu uns herüber. Ich starrte in die Nacht hinaus, dachte an nichts, fühlte nach diesen schrecklichen Ereignissen eine große Leere in mir; mich begann zu frösteln, ich ging in die Hütte, einen dumpfen Geruch gab es hier, ich lag unten auf einer Pritsche, starrte hinauf auf die Bretter, der diensthabende Korporal saß auf einer schmalen Bank, er war genauso müde und abgespannt wie ich, aber er hatte Wache, er musste wach bleiben; trüb flackerte die kleine Petroleumlampe, dumpf waren manchmal einzelne Schüsse zu hören, alles verschwamm vor meinen Augen und schließlich schlief ich ein.

Hineingeboren 2

 

Hallo Ihr Dolomitenfans und Forscher des Ersten Weltkrieges, 

ich möchte Euch darüber informieren,

dass mein Freund Erich Fröschl, Zeichner und Graphiker, veranlasst durch mein Buch, eine Radier-Suite von 60 Unikat-Radierungen unter dem Titel - druckschichten - anfertigte.

Informationen findet Ihr auf meiner Homepage. 

Weiters hat er mir zehn Radierungen mit dem verfremdeten Foto meines Vaters in Uniform, das auch im Buch enthalten ist, angefertigt.
Da die Radierung irgendwie den Ersten Weltkrieg symbolisiert, sende ich Euch ein Foto davon, vielleicht habt Ihr Interesse daran.
Erich Fröschl, der auch ein excellenter Drucker ist, druckt es selbst auf schweres, handgeschöpftes Büttenpapier.

Das Blatt hat eine Größe von etwa 40 x 55 cm und kostet Euro 150,00.

Sollte einer von Euch Interesse daran haben, so lasst es mich wissen.

 

Mit herzlichen Grüßen 

Ludwig Pullirsch

Goldbacherstr. 56a

4400 Steyr

Tel.: +43 (0)676 3226155

ludwig@pullirsch.at

www.pullirsch.at

 

 

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