Neuerscheinung 
Verteidigungssektion Nr.VI

Monte Bondone

 

 

Das Buch zur Verteidigungssektion Nr.6  ist fertig

Auslieferung ab Mitte Dezember 2007

 

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Die unterirdische Infanterieanlage bei Candriai
Leseprobe:
 

Diese teilweise in zwei über einander liegende Stockwerke und in den Fels gehauene feldmäßige Befestigung ist ein Meisterwerk der Geniedirektion Trient. Gleichzeitig ist sie die größte unterirdische Verteidigungsanlage der Infanterie in der gesamten Festung Trient. Ihre Felsüberdeckung machte sie bombensicher gegen die Wirkung von Granaten aller Steilfeuergeschütze. Ihr ehemaliger Haupteingang mit Kaverne ist heute verschüttet. Dieser Eingang zeigte in Richtung des Kampfgrabens der alten Batterie Candriai, die, wie schon erwähnt, aufgegeben wurde. Die Besatzungen der auseinander gezogenen Geschütze  der ehemaligen Armierung der Batterie fanden Schutz und Unterkunft in dieser Eingangskaverne und konnten ihre Feldstellungen von dort aus schnell erreichen. Die Infanterieanlage hat aber auch zwei seitliche Ein- bzw. Ausgänge, die beide direkt in den Kampfgraben der Hauptverteidigungslinie münden. Der untere in Richtung des Artilleriestützpunktes Castellar della Grua befindliche Zugang wurde durch eine kleine Flankenkaverne kontrolliert, der obere Zugang, der in den gleichen Kampfgraben in Richtung Mandolin/Monte Bondone, mündet, war gleichzeitig eine flankierende MG-Kasematte. Von dieser MG-Kasematte zweigte ein Zugangsstollen in das zweite tiefer liegende unterirdische Geschoß ab. Dort befanden sich die Unterkunft und das Munitionslager der Infanterie. Diese verlängerte und ausgebaute Tunnelanlage verlief zu einem Treppenhaus, von dem aus eine Holzstiege das erste Obergeschoss unter dem Fels erreichte. Gleichzeitig führte von diesem Stiegenhaus ein weiterer kleiner  Stollen zu einer frontalen MG-Kasematte. Das erste unterirdische Geschoß bestand aus einer sehr langen Tunnelanlage, von der die einzelnen kleinen Kasematten abzweigten, deren Scharten jeweils Platz für zwei Schützen boten. Dieses Geschoß war das unterirdisch angelegte Intervall der Hauptwiderstandslinie, die vom Artilleriestützpunkt Castellar della Grua kam und in Richtung Mandolin/Monte Bondone verlief. Die feldmäßige Befestigung der Infanterie hatte eine hervorragende strategische Position. Sie sperrte im Zusammenwirken mit den flankierenden und halb als Kavernen halb als Betonkasematten ausgeführten Batterien auf dem Castellar della Grua wirksam den Aufgang von Cadine/Sopramonte (also aus dem Valle dei Laghi) und damit den Zugang zum Monte Bondone im Bereich Candriai. Ergänzt wurde die Feuerwirkung dieser Anlagen durch die Betonstellungen und den vollständig in Beton gebauten und vor gelagerten Kampfgraben der Infanterie auf dem Castellar della Grua. Auch dieses gut ausgebaute Stellungssystem verfügte über zwei MG-Kasematten. Die gegnerische Infanterie, die versuchte, in Richtung der Nordflanke des Monte Bondone vor zu dringen, kam unweigerlich in das tödliche Kreuzfeuer der Verteidiger. Wie immer bei der Betrachtung der feldmäßigen Befestigungen der Festung Trient, darf man niemals die einzelnen Anlagen isoliert betrachten, sondern muss immer das Gesamtkonzept der Verteidigung des jeweiligen Unterabschnittes des inneren Gürtelbereiches erkennen. Der Direktor der Geniedirektion Generalmajor Franz Steinhart war ein Meister im Bau von flankierenden und sich gegenseitig mit ihrem Feuer deckenden Verteidigungsanlagen und instruierte dementsprechend seine Genieabschnittsoffiziere. So auch hier im Falle des kleinen Taleinschnittes, der von Cadine kommend in Richtung Candriai führt und damit ein natürlicher Zugang zum Monte Bondone ist. Immerhin verläuft in diesem Einschnitt heute die neue Provinzstraße von Candriai in Richtung Sopramonte/Cadine. Im Jahre 1915 war dieser Zugang effektiv gesperrt. Auf wenige hundert Meter Distanz sorgten die MG auf dem Artilleriestützpunkt Castellar della Grua mit seinen hinter der vordersten Linie befindlichen Schnellfeuerkanonen in Kasematten und die beschussfeste Infanteriekampfanlage Candriai dafür, das ein potentieller Gegner nicht die geringste Chance bekam hier vor zu dringen. Diese Stellungen waren ein Eckpfeiler der Verteidigung der nördlichen Flanke des Monte Bondone und deswegen baute man diese auch so massiv aus. Noch heute ist die gut erhaltene unterirdische Kampfanlage Candriai wirklich beeindruckend. Sie besaß zwei integrierte MG-Kasematten und ein weiterer dritter Ausgang führte über ein Steintreppe zu einer Flankenstellung auf der Oberfläche, die aus einem vollständig betonierten Kampfgraben mit integrierter MG-Stellung bestand. Innerhalb der inneren Gürtellinie der Festung Trient ist sie die stärkste Stellung der Infanterie, die jemals entdeckt und dokumentiert wurde. Sie ist aber auch das klassische Beispiel dafür, mit welchem Aufwand sich im Jahre 1915 die Festung Trient auf einen Angriff vorbereitete. Derartige Verteidigungsanlagen, integriert im Umfeld der Hochflächenwerke im Bereich Folgaria und Lavarone, hätten es dem damaligen Gegner völlig unmöglich gemacht überhaupt in die Nähe dieser wichtigen Werke zu kommen, geschweige denn diese Frontlinie überhaupt angreifen zu können. Die Kavernentechnik war bekannt und voll ausgereift, wie dieses Beispiel beweist. Franz Steinhart kam zu spät, um in diesem Frontabschnitt seine Ideen noch rechtzeitig verwirklichen zu können, dazu reichte die Zeit nicht mehr. Auf dem Monte Bondone im Bereich Candriai zeigte er auf, wie man mit wenig vorhandener Infanterie, quasi nur Kampfgruppen oder mit maximal Zugstärke, einigen MG und wenigen altartigen und zudem noch provisorisch umgebauten Geschützen aus dem Festungsarsenal einen Unterabschnitt komplett und effektiv abriegelte. Ich wiederhole es an dieser Stelle noch einmal: Dieser Offizier war ein Genie. Er hatte einfach den „Blick“ für das Detail im Zusammenhang mit der Gesamtsituation. Er hatte Vorstellungskraft, er sah, was passieren konnte und dementsprechend handelte er. Sein zusätzlicher Vorteil: Er war außerdem Ingenieur mit langer Bauerfahrung und diese Kenntnisse brachte er ein. Er war offen für die Einführung und Anwendung neuer Bautechnologien. Die Front- und Deckenpanzerungen der Infanterieanlage Candriai bestehen aus dem besten und perfektestem Stahlbeton mit hochfesten Betonmischungen, die ich jemals in der Festung Trient aufgefunden habe. Der Beton mit seiner von Hand geflochtenen und extrem dichten Stahlmattenarmierung war derartig hart, das nach dem Kriege sogar die Eisensammler (=Recuperanti) letztendlich aufgaben. Es war einfach unglaublich mühsam, die Rundeisen der Armierung zurück zu gewinnen. Die eingelegten Rundeisenmatten mit einer Maschenweite von maximal 15 x 15 cm und einem Durchmesser von 16mm bis 32 mm der Einzelarmierung waren zudem durch tiefe seitliche Bohrungen im Fels verankert und mit Beton vergossen. Die verwendete Betonmischung ist feinkörnig und überaus reich an gutem Zement. Das bedeutete auch, das man mehr Wasser zusetzen konnte, um die Mischung fließfähig zu halten um gleichzeitig die Schüttung in dem dichten Eisengeflecht gut stochern und damit verdichten zu können. Es gibt in den gesamten heute noch erhaltenen Betonstrukturen keine Luftblasen, Einschlüsse oder grobe offene Betonnester, die ein Anzeichen mangelnder Verdichtung sind. Die gesamten betonierten Kasematten sind wie aus einem Guss, die Holzschalung war perfekt und dicht. Verstärkt wurde die frontale Panzerung aus Stahlbeton durch eine weitere Schicht von einbetonierten massiven Natursteinelementen im Außenbereich, die gleichzeitig zur Tarnung der horizontalen schmalen Schießscharten diente. Der Verbindungstunnel zwischen den einzelnen Kasematten verblieb im Rohzustand. Mit einer Felsüberdeckung zwischen 8m und 10m brauchte man sich über die Wirkung der damaligen Geschosse von Steilfeuergeschützen (Mörser und Haubitzen) keine Sorgen zu machen, im Jahre 1915 war diese Anlage bombensicher. Steinhart dachte auch ökonomisch. Die zusätzlichen Panzerungen kamen nur dort zur Anwendung, wo man sie wirklich brauchte. 20cm bis 30cm hochfester und dicht armierter Stahlbeton zusammen mit der zusätzlichen Frontpanzerung aus Naturstein der gleichen Stärke einer minimal ausgeführten Scharte für zwei Gewehre schützte ausreichend gegen die Splitterwirkung eventueller Nahtreffer der Feldartillerie. Gezielt konnte man diese kleinen Scharten überhaupt nicht treffen, wenn man sie überhaupt erkannte. Selbst für die heutige traditionelle Artillerie wäre das noch schwierig genug. Die Scharten haben eine horizontale Breite von ca. 1m und eine Höhe von ca.10cm bis 15cm. Der Kopfbereich des Schützen, also der innere Raum der Kasematte ist über der Scharte ca. 60cm hoch und, wie oben beschrieben, massiv betoniert. Die Feldartillerie musste sich also, um einen Schartentreffer zu erzielen, auf ein Rechteck von maximal 0,8m² Fläche einschießen. Das war für damalige technische Verhältnisse nicht machbar und ist sogar heute noch ohne moderne Lenkwaffen so gut wie unmöglich. Der Bereich der Kasematte unter der Scharte hatte ein wesentlich massivere Panzerung, teilweise bis zu 1,5m stark und zudem von innen noch zusätzlich ausbetoniert. Ich glaube, das Generalmajor Steinhart nach der Krise der Ausrüstungsarbeiten zur Festung Trient hervorgerufen durch den schneereichen, langen und strengen Winter 1914, es schaffte, im Frühjahr 1915 einen sehr gut ausgebildeten technischen Stab von zivilen Ingenieuren um sich zu bilden, die mit der Anwendung dieser neuen Betontechnologie eine reichhaltige Erfahrung hatten und denen er auch vertraute (siehe dazu auch Bericht der Geniedirektion Trient an  die obere Geniedirektion des Militärkommandos Innsbruck vom 9.März 1915 unter Res.Nr.904, geschrieben von Major Heppner, Quelle: Nicola Fontana, Kriegsmuseum Rovereto mit Bezug auf die neuen Feldakten des Kriegsarchivs in Wien - NFA, 11. Armee, Karton Nr.53). Es waren vielleicht nur wenige Experten, aber diese kannten sich eben sehr gut aus.

Bis heute ist diese feldmäßige Befestigung bei Candriai, von der angewandten Bautechnologie her gesehen, wirklich einzigartig. Sie findet nachfolgende Anwendungen in vielen Abschnitten der Festung Trient bezüglich des Baues von Stahlbetonkasematten und der Auskleidung von Kavernen, die aufgrund mangelnder Felsüberdeckung nicht als beschussfest galten (siehe dazu Instruktion des Generalmajor Steinhart, Res.2731 vom 9.Oktober 1914 und ff. Res.3240 vom 9.Dezember 1914). Das Baudatum dieser Anlage bei Candriai ist aufgrund zweier Inschriften gut datierbar auf den Sommer 1915. Ab diesem Zeitraum kann man mit Sicherheit davon ausgehen, das alle strategisch wichtigen weiteren feldmäßigen Befestigungen der Festung Trient ausschließlich in Stahlbeton gebaut wurden. Viele Beispiele dafür finden sich in den Verteidigungssektionen Nr. II, III, IV, V und VII. Die unterirdische Infanterieanlage Candriai auf dem Monte Bondone zeigt auf, was im Sommer 1915 seitens der Geniedirektion Trient technologisch ausführbar war und welch hoher Standard beim Bau von feldmäßigen Befestigungen erreicht wurde. Nicht zuletzt verdanken wir auch dieser Geniedirektion die Einführung des wasserdichten Stahlbeton durch die konsequente Einführung des Betonzusatzmittels „Ceresit“. Trotzdem wurde dieser hohe Standard der Befestigungstechnologie in den folgenden Kriegsjahren nicht konsequent angewandt. Leider vertraute man immer noch veralteten Techniken, wie zum Beispiel dem groben Stampfbeton mit Stahlträgern als Unterzüge im Deckenbereich oder in der Frontpanzerung von Kasematten, die bei weitem nicht die Beschussfestigkeit erreichten, wie der moderne Stahlbeton. Jedoch ist der Verdienst des Generalmajor Steinhart, Direktor der Geniedirektion Trient, unumstritten. Er war wirklich ein weitsichtiger Pionier der modernen Befestigungstechnik und die unterirdische Infanterieanlage Candriai auf dem Monte Bondone ist ein Beispiel dafür.

 
 

Ulrich Mößlang der Tauchbrillenspezialist + zertifizierter Sport-Optiker

Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen und Dolomiten 

Uli Mößlang / Volker Jeschkeit

 

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