Die
angewandte Bautechnik der Kavernenanlagen der Festung Trient
Während meiner Erkundung der feldmäßigen
Befestigungsanlagen des Monte Soprasasso hatte ich das große Glück
zwei ältere Herren zu treffen, die Nachfahren ehemaliger
„Recuperanti“ sind.
Recuperanti warten Personen/Familien/kleine Firmen , die nach
dem Kriege 1914-1918 in den 20-iger und 30-iger Jahren in den
ehemaligen Kriegsschauplätzen der Alpenfront auf der jetzt
neuen italienischen Seite Aufräumungsarbeiten durchführten.
Diese
Arbeiten erstreckten sich auf das Sammeln der überall verstreut
liegenden Munition, gleich welchen Typs, Waffen und Waffenreste
und natürlich der Schleifung der Befestigungsanlagen und Werke,
sowohl italienische als auch ehemals KuK-Werke und
Befestigungen.
Wichtig war dabei der Aspekt der „Stahlgewinnung“, das heißt
durch Sprengen von Betonanlagen das Einsammeln und
Herausarbeiten des verwendeten Baustahles jeglicher Art, ja
sogar 10mm Rundstahl wurde in mühsamer Arbeit zurückgewonnen.
Grund war die
bittere Armut der italienischen Nachkriegszeit, die besonders in
den Arbeiter-, Bauern-, und Mittelschichten vorhanden war.
Italien war
(besonders im Süden) industriell total unterentwickelt und für
neue Infrastrukturen und der Entwicklung des zivilen Sektors der
Industrie wurde viel Baustahl benötigt, der aber nicht
vorhanden war und auch nicht in der benötigten Menge produziert
werden konnte. In der Not und um nicht zu verhungern, wurden
viele Bergbauern, ehemalige und entlassene ,jetzt arbeitslose
Soldaten, Recuperanti = Eisensammler.
Viele
verloren dabei ihr Leben, wurden zerrissen von explodierenden
Granaten, vergiftet durch nachträglich krepierende
Giftgasgranaten, verschüttet durch plötzlich einstürzende
Reste von Betonstrukturen, die durch die Sprengung vorher
demoliert wurden.
Es war eine
traurige Nachkriegszeit , auch in Italien.

Sammeln von Munition

Recuperanti mit Munitionstransport

Hier werden Stacheldrahtrollen eingesammelt
Soweit zum kurzen
Ausflug in die Geschichte.
Die beiden älteren
Herren erzählten mir dann bis ins Detail wie ihre Väter und Großväter
die Kavernenanlagen und Betonstellungen demolierten und wie
diese konstruiert waren.
Nach der
notwendigen Filterung der Informationen, ergaben sich die
nachfolgenden Ergebnisse bezüglich der Konstruktion von
Kavernenanlagen und oberirdischen Betonstellungen, die an dieser
beispielhaft erläutert werden sollen.
Diese
Konstruktionsbeispiele decken sich mit meinen während vieler
Erkundungen durchgeführten Beobachtungen vor Ort in den feldmäßig
befestigten Stellungen und unterirdischen Anlagen der Festung
Trient, die größtenteils im Zeitraum 1914 bis 1915 errichtet
wurden.
Beide Herren
bestätigten mir übereinstimmend, das im Bereich der Festung
Trient bereits mit Rundstahl armierte Stahlbetonkonstruktionen
existierten. Der Gewinn des Rundeisens war extrem schwierig und
arbeitsaufwendig, ihre Vorfahren „verfluchten“ diese Art der
Rückgewinnung, sie brachte wenig ein und der Zeitaufwand für
die Eisengewinnung war
enorm. Aber man kämpfte um jeden „Centesimo“, jede
halbe Lire Gewinn.
Mit Rundstahl
armierten Beton fand ich auf dem Monte Soprasasso in einer
Infanterieanlage, eingelegt als Deckenarmierung, und erbrachte
somit den realen Nachweis , das diese Technik dem Genie von
Trient bekannt war und auch angewandt wurde.
Sie wurde
aber nicht nur dort angewandt. Im Bereich Celvet, Monte Celva
hatte ich den gleichen Verdacht. Die Ergebnisse auf dem Monte
Soprasasso bestätigten diesen und daher hier ein typischer
Schnitt durch eine oberirdische Betonbatterie:

Deutlich erkennbar die Kombination
Doppel- T-Stahlträger (sehr lukrativ für die Rückgewinnung,
daher ausnahmslos ausgebaut), Wellblech–Einlage
der Deckenunteransicht und Rundstahlarmierung
der 1.Decke.
Danach kommt die Isolierschicht aus Teerpappe, dann die
Stampfbetondecke ohne Armierung.
Zum Schluss zur Tarnung der Stellung und zur Dämpfung der
Wirkung einschlagender Granaten die Erdüberdeckung, bis zu 2
–3 m hoch.
Die Variante der Deckenkonstruktion bestand darin, das die
Doppel-T-Träger noch als integraler Bestandteil der 1.Betonschüttung
miteinbezogen wurden, will heißen, die Holzschalung war an der
Unterseite der Träger, in diesem Falle denke man sich das
Trapezblech weg, das bei der hier gezeigten Konstruktion
gleichzeitig die Schalung der 1.Betondecke war.
Diese
Stellungen waren aufgrund der „Zähigkeit“ der verwendeten
Betontechnik sehr beschussfest und resistent auch gegenüber
mittleren Geschosskalibern. Sie waren meist sehr kompakt
gebaut, verstreut im Gelände, extrem gut getarnt und daher von
der Feindartillerie schwer erkennbar und bekämpfbar.
Die damalige
schwere Belagerungsartillerie hatte nicht die erforderliche
Schusspräzision, diese relativ kleinen Artilleriestellungen
durch mehrere hintereinander erfolgender Volltreffer
auszuschalten. Gegen mittlere und leichte Kaliber (bis
15cm) hielten diese Stellungen aber ohne weiteres stand.
Besser noch sah es bei den um die Festung Trient angelegten
Kavernenanlagen aus. Aufgrund der natürlichen Felsüberdeckung
von 20-150 m Stärke waren diese von vornherein
„bombensicher“.
Lediglich bei einer Felsüberdeckung von kleiner 20 m wurden
diese von innen durch Bau von Betongewölben verstärkt.
Generell
gesehen, konnten selbst die schwersten damaligen Kaliber diesen
Anlagen der Festung Trient auch nach einem zermürbenden
Dauerbeschuss keinen Schaden zufügen. Selbst die von
italienischer Seite eingesetzten modifizierten
Marine-Langrohr-Geschütze großer
Reichweite der Kaliber 30,5 cm oder 35 cm hätten hier versagt.
Diese
Kavernenanlagen waren trocken und isoliert, sie dienten als
(Munitions-) Lager, Unterkünfte der Infanterie oder
Artilleriebesatzungen, als Generatorkavernen zur Stromerzeugung,
als Küchen und Kommunikationszentralen.
Die Kavernenbatterien waren besonders beschusssicher angelegt,
die Frontseite ausnahmslos durch massiven Beton
und eingelassenen Stahlträgern verstärkt.
Munitionslager
der Batterien waren oftmals zurückgelegt und mit zusätzlichen
Betonstrukturen versehen tief in den Berg eingelassen.
Davon mehr im
2.Teil.
Villamontagna-Trient
im August 2004 , Volker Jeschkeit
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