Ortlergeschütz

Ulrich Mößlang - Wendl Pircher
 
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.



 

Eine 7cm M75 Gebirgskanone

 

Dieses Geschütz ist wohl zu einem Mythos geworden, das höchste Geschütz des ersten Weltkrieges, auf fast 4000mt Höhe, auf einem schwer zugänglichen Berg.
Wenn wir aber genauer hinsehen dann sehen wir das es nicht nur eines war, sondern ein ganze Batterie an unterschiedlichen Geschützen, welche im laufe der Kriegsjahre auf das Ortler Gipfelplateau gezogen wurden.

Als im Mai1915 der Krieg begann, war es sehr ruhig am Ortler, gekämpft wurde am Stilfserjoch. Auf den Ortler gingen täglich Patrullien hoch, aber eine fixe Stellung wurde erst im Sommer 1916 errichtet, wegen der extremen Verhältisse als Kaverne im Eis.
Da man von „oben“ eine gute Sicht auf den Thurwieser, Eiswand und Zebrú hatte,
wurde daran gedacht ein kleines Gebirgsgeschütz in Stellung zu bringen.
Doch es wurden dann gleich 2 ältere   7cm M99 Gebirgskanonen auf den Ortler geschafft. Diese kleinen Kanonen wurden zerlegt und die Einzelteile über die Hohe Eisrinne von Trafoi aus hochgezogen. Heute wird die Eisrinne als Winter Skitouren zum Ortler begangen.

Die beiden Geschütze wurden am Ortler Vorgipfel in in Stellung gebracht,
eines (ohne Schutzschild) feuerte gegen die ital. Stellungen am Ortler Hochjochgrat, das 2. stand etwas
tiefer (mit Schild) und schoss gegen Ortlerpass und Thurwieser.
Die Geschütze stand erst offen, wurden aber bald in Schneekavernen gestellt. In Folge wurden noch 2 stück 8cm Kannonen über das Ortlerplatt gezogen, diese wurden aber weiter unten am Pleißhorn in Stellunge gebracht. Die Baracke dieser Batterie ist heute noch oberhalb vom Berglgrat zu sehen.
(Meranerweg)

7cm M99 Ortlergeschütz Kannone

7cm M75 mit Schutzschild am Ortler


1917 sollte die "Feuerkraft" des Ortlers erhöht werden, nun war auch die Königsspitze selber zur Front geworden, diese war mit den 7cm  Kannonen nicht zu erreichen, nun  brauchte es schweres Gerät,

 aber die waren nicht so leicht zu finden, nur noch zwei noch ältere 9cm Kanonen Baumuster 1875  konnten gefunden werden, wie üblich in den Kellern der FS Trient. Der Transport der 9cm Geschütze wurde diesmal aber von Sulden aus angegangen. Mit der Vinschger Bahn nach Spondinig, von dort per LKW nach Sulden.
Dort wurden sie zerlegt und mit der neuen Schwerlast Seilbahn zur Payerhütte befördert.
Zwar war die Payerbahn  sehr stabil, aber das Gewicht der Rohre stelle doch eine enorme Belastung für die Seile dar. Die Lasten sollen extrem weit durchgehangen haben, die Spanngewichte wurden ganz hochgezogen, aber es glückte und die Teile befanden sich dann doch noch alle auf der Payerhütte auf 3000mt. Bis hier ging alles noch sehr gut, aber jetzt war „Fußarbeit“ angesagt.
Zwar gab es inzwischen auch bis zum Gipfel eine Seilbahn, die aber konnte nur kleine Lasten befördern, für den Geschütztransport war die Bahn nicht zu gebrauchen.
Der Transport der beiden Rohre kam nicht weit, bei der Querung unterhalb der Tabarettaspitze stürzten beide Rohre ab und lagen nun weit unterhalb der Payerhütte auf Trafoierseite im Schnee. Hier kam nun der Herresbergführer Franz Haller aus Meran zum Einsatz, der dann den Transport erfolgreich zur
Ortlerspitze leitete.

9cm M75 Ortlergeschütz

9cm M75 Feldkanone am Ortlerp, der Ortlergipfel mit Fahnenmast im Hintergrund.

)

Rohr Transport der 9cm  M75 Feldkanone


Nachlesen kann man die Geschichte im Buch „Ortlerkämpfe 1915 – 1918“ von Helmut Golowitsch erschienen im Verlag Kienesberger.

Nun waren also schon 4 Geschütze am Ortler, auch von den beiden 9cm Kanonen gibt es Bilder, auch von Transport und Aufbau.
Ende 1917 war eine richtige kleine Festung im Gipfeleis des Ortlers, mit Geschütz- und Mg Kavernen, Granatwerfern, Telefon und Seilbahnverbindung und auch ein Fotolabor, wo die Bilder der Fernbildkameras entwickelt werden konnten.

Unklar ist bis heute der Sommer 1918, nach der ital. Niederlage bei Caporetto (12te Isonzoschlacht) standen nun auch für die Ortlerfront moderne Geschütze zur Verfügung und für das Unternehmen "Lawine" wurde nun auch die Stilfserjochfront massiv mit neuen Geschützen aufgerüstet,
bis dahin  gab es an der Ortlerfront nur die alten Geschütze ohne Rohrrücklauf!

Leider sind diese Geschütztransport kaum mehr dokumentiert, nur das der Ortler mit neuen Haubitzen ausgerüstet wurde.
Im Grossraum Stilfserjoch wurden 1918 sehr viele neue Geschütze in Stellung gebracht, jedoch gibt es kaum Bilder oder Unterlagen aus dieser Zeit, nichts was auf diesen Geschütztyp verweist. Dass  Sie vorhanden waren wissen wir durch Funde welche  aus dem Eis kamen, eine Skoda 100M16 wurde am Langferner unterhalb der ehem. Hallischen Hütte (Eisseepass) von Konrad Knoll (Sulden) gefunden und
die Reste eine 75M15 wurden unterhalb des Ortlerpasses gefunden. Es könnte möglich sein das diese 75er vom Ortler herunterkam, sie ist total zertrümmert und das Geschützrohr selber fehlt.



Fassen wir also zusammen:

1916 werden 2 7cm M99 (Baumuster 1899) über die Hohe Eisrinne auf den Ortler gebracht,

1916 folgen noch 2 8cm Haubitzen, auf dem gleichen Weg, werden jedoch am untersen Rand des
oberen Ortlerfernes (Ortlerplatt) am Pleißhorn in Stellung gebrachr.

1917 folgen von Sulden aus über den heutigen Normalweg (Alpinskala III )zwei 9cm M75
(B.M.1875) auf den Gipfel des Ortlers. Nur vermuten kann man das 1918 nochmals moderne Geschütze auf das Ortlerplatt kommen. Bei Kriegsende verblieben mindestens 4 Stück am Ortlerplatt, zwei Stück 7M99 und zwei 9M75 und  vielleicht aber auch  die moderne Skoda Haubitze 75M15 welche dann zertrümmert am Ortlerpass gefunden wurde. 

Auf den folgenden Bildern ist die Skoda 100M16 zu sehen welche von Konrad Knoll am Eisseepass geborgen wurde und von ihm hervorragend restauriert wurde. Das Geschütz kann im Heimatmuseum in Sulden (bei der Schule) besichtigt werden.

Es gibt übrigens nur sehr wenige so gut original erhaltene 100M16, die meisten wurden später auf neue Lafetten mit Vollgummirädern umgerüstet und im WK2 verwendet,

in den 50er Jahren wurden noch viele 100M16 auf moderne Spreizlafetten umgebaut, diesmal mit Luftbereifung. Die letzten 100M16 wurden erst in den 90er Jahren vom ital. Heer ausgemustert!

Danach sind noch die Bilder von den Resten der 75M15 vom Ortlerpass.

Das Geschütz ist sehr zertrümmert, das Rohr fehlt, zu sehen ist das Rohr vom Rückholdämpfer, die Dämpfer und Teile der Höhenrichtmaschine.

Das Geschütz befindet sich in Trafoi in Privatbesitz.

 Bilder vom Geschütztransport auf den Ortler

 

 

 


Information zum Gebrigsgeschütz 7cm M75






Interessant die Lafette aus Metall (zweigeteilt; hinten Gußstahl, vorne die zähere Bronze) und die Räder aus Holz. Es sind kräftige Räder wie bei Lastfuhrwerken, mit Stahlreifen bewehrt.

Dieser Hinterlader schoß nicht wesentlich schneller als ein Vorderlader, da kein Rohrrücklauf-Mechanismus vorhanden war und daher die ganze Kanone bei jedem Schuß durch den Rückstoß etwas aus der Bahn gehoben wurde und dann neu gerichtet werden mußte. Aber im Hochgebirgskrieg mit den enormen Nachschubproblemen spielte das keine Rolle, da ohnehin mit der Munition gegeizt werden mußte. Sehr vorteilhaft war vor allem im Gebirgseinsatz aber das durch das Fehlen des Rohrrücklauf-Mechanismusses wesentlich geringere Gewicht.

Kartätschen waren nur im Nahkampf sinnvoll (der gezogene Lauf führte durch seinen Drall zu einer unerwünschten Fliehkraft und die Garbe wanderte ringförmig nach außen. Auf mehr als 200 Schritt traf man daher überall hin, nur nicht dorthin, wohin man zielte) – zur Sturmabwehr waren Splitter-Handgranaten eigentlich weit effektiver.

Die Sprenggranate mit AZ war die Hauptmunition. Tödlicher Radius 50 Schritt wenn auf hartem Boden getroffen wurde. Und im Hochgebirge ist immer harter Geröllboden. Bei einem Treffer in 2 bis 20 Meter Höhe auf einen senkrechten Felsen war die Splitterwirkung vernichtend.

Mit tempierten Granaten wurde fast keine Wirkung erzielt; viel zu schwierig die Entfernungsschätzung (es muß ja die wahre Flugentfernung bei gekrümmter Flugbahn geschätzt werden und nicht die gerade Linie) und außerdem war die Zeiteinstellung (Tempierung) nicht präzise genug. Mehr Erfolg versprach da meist das Schrapnell, allerdings nur dann, wenn der Feind nicht hinter einer Deckung (großer Felsen) lag.

 

Wie dem auch sei. Das Ortler-Geschütz war wirkungsvoller als ein Maschinengewehr (mit dem im direkten Richten auch nur 1300 Schritt weit getroffen wurde – ausgenommen Flächenziele, aber die waren im Gebirgskampf selten).

 

Ein Schutzschild war unnötig, da immer von überhöhten Stellungen (Kammstellungen) geschossen wurde. Somit war das Geschütz von unten nicht angreifbar.

 

Selbstverständlich bedurfte so ein Geschütz einer Bedeckung.

10 Mann mit Repetiergewehr M 95 und 50 Splitter-Handgranaten (zur Sturmabwehr) und ein etwas abseits liegendes Maschinengewehr (das auch flankierend eingesetzt werden konnte) erhöhte den Wert der Geschützstellung erheblich. War dann uneinnehmbar. Idealerweise kam noch ein Zielfernrohrgewehr (Mannlicher-Schönauer 6,5 mm mit Ziel 3 und verstellbarem Absehen bis 400 m) dazu – dann war die Stellung perfekt.

Ein oder zwei Selbstladepistolen oder notfalls Revolver und – vielleicht – eine oder zwei  Maschinenpistolen. Dazu noch zwei Wachhunde, die auch Lawinenhunde waren. Einer davon wurde in der Nacht als Meldehund verwendet.

 

So eine kleine Kammstellung war extrem stark.

 

 

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