DIE FRONT DER HOCHEBENE

DAS WERK LUSERN - TRENTINO - DIE BEFESTIGUNGSANLAGEN
Uli Mößlang

erster Weltkrieg 1915 -1918
Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
 
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

 
Die Informationen wurden mir vom Dokumentationszentrum Lusern und
Herr Bürgermeister Luigi Nicolussi Castellan, zur Verfügung gestellt.  

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DIE FRONT DER HOCHEBENE

 

Zu Beginn des 20. Jh. zeichneten sich die Beziehungen unter den verschiedenen nationalen Einheiten durch zunehmende Spannungen und Konflikte aus, die sich aus der Geschichte ableiteten und nie gelöst worden waren.

Die Bündnissysteme begannen bereits, all ihre Labilität zu zeigen, wobei sich eine der schwächsten Stellen zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und dem Königreich Italien befand.

In Voraussicht auf einen möglichen Konflikt ließen die Regierungen von Wien und Rom Befestigungsbauten an ihren Grenzen durchführen.

Zwischen 1908 und 1914 errichtete Österreich-Ungarn auf der Hochebene, die sich von Folgaria bis Lusern-Vezzena erstreckt, sieben mächtige Festungen, die jeweils bis zu dreihundert Soldaten aufnehmen konnten und imstande waren, Trient an einem der Punkte zu verteidigen, der sich den italienischen Truppen am ehesten für einen Durchbruch anboten.

 

 

DAS WERK LUSERN - BEFESTIGUNGSANLAGE

Das Werk Lusern liegt auf der Anhöhe der Cima Campo auf 1549 m, wenig oberhalb des gleichnamigen Ortes.

Nach einem drei Jahre vorher genehmigten Entwurf begann unter der Führung des Hauptmanns Lacom am 15. Juli 1908 der Bau dieser eindrucksvollen Befestigungsanlage.

Das Werk bestand aus einer Hauptanlage, die gemeinsam mit dem Werk Verle den Talschluss des Val d'Assa kontrollierte, und aus zwei Vorposten: Viaz und Oberwiesen.

Dem Vorposten Viaz (mit einem festen Panzerturm auf 1507 m), der östlich vom Stützpunkt lag, kam die Überwachung von Malga Campo und Val Torra zu, während Oberwiesen (Batterie mit Stellung für den Infanteriekampf unter festem Geschützturm, auf 1517 m) im Westen das Val d'Astico kontrollierte; die drei Werke waren durch Stollen und Laufgräben verbunden, die durch Wachposten kontrolliert wurden.

Während die Vorposten Panzerstellungen bescheidenen Ausmaßes waren, bestand das Hauptwerk aus einem zum Teil unterirdischen, in den rohen Felsen gegrabenen Block und aus drei Stockwerken über der Erde. Mit einem Raumvolumen von mehr als 200.000 m³ - gegenüber den 51.000 des Werks Verle und den rund 100.000 des Werks Gschwent-Belvedere - war es eine der größten Festungsanlagen, die Österreich-Ungarn errichtet hatte, um die Grenzen des historischen Tirol zu verteidigen. Um den Ansturm der Infanterie zu verhindern, versah man das umliegende Gebiet mit Stacheldrahtverhau. Kehlseitig wurden Gräben angelegt, die bis zu 10 m breit und 4 m tief waren und eine mit Maschinengewehren bestückte Kontereskarpe hatten. 14 Scheinwerfer zu 21 - 35 mm kontrollierten das Gebiet: 6 beleuchteten das Gelände vor dem Stützpunkt, 3 dienten dem Vorposten Oberwiesen und 2 dem Vorposten Viaz. Weitere 3 Scheinwerfer waren in den Gräben angebracht.

Das Werk verfügte über Unterkünfte, in denen bis zu 301 Soldaten Platz fanden, einen Stromgenerator, ein Treibstofflager und ein Pumpenaggregat, das imstande war, 1200 l/h Trinkwasser von der Quelle zur Anhöhe Cima Campo zu befördern.

Im Werksinneren war eine elektrische Belüftungsanlage, wie auch ein manuell zu bedienendes Belüftungssystem eingerichtet. Die Kommunikation mit den anderen k.u.k.-Festungswerken erfolgte mittels Außentelefon, dessen Zentrale sich in Monterovere befand, wie auch über Direktleitungen zum Werk Verle und zum befestigten Beobachtungsstand von Cima Vezzena. Die Artillerie war ebenfalls mit einem Telefon ausgestattet. Das Hauptwerk stand mit den Vorposten durch unterirdische Leitungen in Kontakt und konnte durch mechanische Geräte für optische Signalübermittlung mit der optischen Signalanlage von Monte Rust, Gschwent-Belvedere in Lavarone, Cherle in Folgaria (von Oberwiesen aus) und mit den Werken von Vezzena Verbindung aufnehmen.

Für den Bau des Werks wurden bis zum 20. Oktober 1912 einige Hundert Mann eingesetzt (darunter viele lokale Arbeitskräfte).

Bei einem anfänglichen Kostenvoranschlag von 1.605.400 Kronen wurde das Werk nach vier Jahren Arbeit mit einer Ausgabe von 2.259.648 Kronen fertiggestellt, die mit einigen Dutzend Millionen Euro in heutiger Währung vergleichbar sind.

 

DIE BESATZUNG

Ordentliche Besatzung

 

 

Davon Offiziere

Kommandant

1

1

Offiziere und Kadetten

4

4

Artilleristen

198

-

Landesschützen Reg. I

82

2

Arzt

1

1

Telefonisten

12

-

Schützengräbenbauer

6

-

Adjutanten

6

-

Offiziersdiener

2

-

Besatzung insgesamt

312

8

 

Sicherheitsbesatzung

 

 

davon Offiziere

Landesschützen

44

1

Lichtabteilung

27

-

Artilleristen

169

6 (+ 1 Kadett)

Technischer Leiter des Werks

1 (Ziviler)

-

Landsturm Ing.

2

1

Schützengräbenbauer

3

-

Telefonisten

6

-

Telegrafisten

2

-

Sanität

1

1

Sicherheitsbesatzung insgesamt

255

10

           

 

DIE BESTÜCKUNG

Das Werk Lusern war ausgestattet mit 4 Turmhaubitzen 10 cm M09 auf drehbarem, 25 cm dickem Panzerturm, 2 Schnellfeuerkanonen für Minimalschießscharte 8 cm M09 in der Traditorenbatterie, 2 Kasematten-Schnellfeuerkanonen 6 cm M10 in der Kontereskarpe der Kehlseite für die Nahverteidigung und 19 Maschinengewehre M07/12. Zum Unterschied von den Haubitzen und Kanonen, die alle im Hauptwerk (Cima Campo) standen, waren die Maschinengewehre folgendermaßen verteilt: 11 zur Verteidigung des Kasemattenblocks, 6 am Vorposten Oberwiesen und 2 am Vorposten Viaz.

 

DIE SCHLACHT

Da das Werk Lusern eine Stellung hatte, die der Verteidigung der empfindlichsten Linie der Hochebenen diente, erlebte es eine der dramatischsten Situationen der Frontgeschichte. Wenngleich es konzipiert war, um extremen Bombardierungen Stand zu halten, kam die Befestigungsanlage von Cima Campo unter dem schweren Bombenbeschuss durch die Werke Verena ("Bosco dei Larasi") und Campolongo, Porta Manazzo, Campomolon, Forst Civello und Forst Posellaro in große Bedrängnis.

Wie aus den Akten des Kriegsgerichts von Trient hervorgeht, wurde das Werk Lusern am 25. Mai 1915 von der italienischen Artillerie beschossen, die bis zum 28. Mai ihr Feuer ununterbrochen fortsetzte und das Werk mit nicht weniger als 5000 Geschossen, insbesondere mit 28 cm-Stücken traf. Die Panzertürme des Werks wurden abgeschossen, der Zentralpanzer barst (Dicke ca. 500 mm). Unter dem 28. Mai steht zu lesen, dass die Soldaten im Werk seit drei Tagen nicht geschlafen hatten und dass seit drei Tagen keine Nachrichten von außen eingelangt waren, da sogar die zwei Meter tief in den Felsen gelegten Telefonleitungen von italienischen Geschossen zerrissen worden waren.

Mehrere Gründe veranlassten den Kommandanten Emanuel Nebesar, die Offiziere zu einem Kriegsrat zu versammeln: die außerordentliche Intensität und Härte des Bombenangriffs, die Unmöglichkeit, wirksam auf die Bombardierung zu antworten - da die Artillerie von geringerer Potenz war und ein großer Höhenunterschied zum Feind bestand (1549 m gegenüber durchschnittlich 1900 m) -, weil die reduzierte Besatzung keine Möglichkeit zum Ausruhen hatte und da wegen der Gase und des Rauchs, die durch die Panzerrisse in die Festung eingedrungen waren, Atemnot herrschte, außerdem wegen der großen Explosionsgefahr der Treibstofflager und in dem Wissen, dass an der Ostfront (Galizien) die Gepflogenheit herrschte, in Momenten schwersten Beschusses die Besatzung von den Werken zu entfernen. Gegen den Widerstand des Oberleutnants Singer und einiger Kadetten entschied Nebesar, das Werk um 16.30 Uhr des 28. Mai aufzugeben.

Nachdem die Reservestellungen von Costalta die weißen Fahnen erblickt und den Vorfall auch Gschwent-Belvedere und Verle mitgeteilt hatten, begann zunächst das eine, dann das andere Werk, Schrapnells auf Cima Campo zu feuern, um das Vorrücken des Feindes zur Eroberung von Lusern zu verhindern. Eine halbe Stunde nach dem Vorfall gelang es dem Freiwilligen Jöchler, das Werk zu erreichen und nach Erklimmen des Decks die weiße Fahne herunterzureißen.

Kommandant Nebesar kam vor das Kriegsgericht, wurde aber sowohl in erster, als auch zweiter Instanz freigesprochen, da die physische und psychische Verfassung des besonderen Augenblicks ausschließen ließen, dass es sich um einen Akt der Feigheit gehandelt hatte, vielmehr war es menschliche Schwäche in einer Situation extremen Bombenbeschusses. Der Prozess dritter Instanz wurde wegen des Kriegsendes hinfällig. Aus den Prozessakten geht auch hervor, dass im Falle eines Verlustes des Werks Lusern die Front bis Mattarello oder sogar bis Gardolo zurückversetzt und auch die Stadt Trient hätte verlassen werden müssen.

Am Morgen nach der versuchten Aufgabe wurde Oberleutnant Singer zum provisorischen Kommandanten der Festung ernannt, die am 29. Mai Oberleutnant Schaufler als Kommandant übernahm. Am 30. Mai waren eine Haubitze, die Traditorenbatterie mit ihren 8 cm-Kanonen und fast alle Maschinengewehrstellungen wieder kampfbereit und leisteten erneut ihren Beitrag im Feuergefecht nach dem italienischen Angriff in der Zone Cima Vezzena - Marcai - Vezzena. Am 9. Juni waren auch die anderen Turmhaubitzen unter drehbarem Panzerturm wieder einsatzbereit.

Aus den verfügbaren Unterlagen geht hervor, dass im Jahr vom 24. Mai 1915 zum 20. Mai 1916 das Werk von ca. 200 Geschossen zu 30,5 cm, 8100 zu 28 cm und über 16000 zu 14,9 cm getroffen wurde.

 

Als sich das Werk 1916 wegen des Vorrückens der k.u.k.-Truppen in Richtung Hochebene von Asiago (fälschlich Strafexpedition genannt, während sie in Wahrheit Frühjahrsoffensive hieß) bereits hinter der Frontlinie befand, errichtete die Besatzung von Lusern zur Erinnerung an die gefallenen Kameraden ein Denkmal (das einzige der Festungswerke).

 

DIE JAHRE DER WIEDERGEWINNUNG

Das Werk Lusern wurde mit Kriegsende Eigentum des italienischen Staates.

In den Dreißigerjahren beschloss der Völkerbund wegen der Kolonialpolitik der faschistischen Regierung ein Embargo gegen Italien. Schon bald hatte das Land mit Schwierigkeiten zu kämpfen, da Mangel an Metallen herrschte, die zur Stützung der nationalen Eisenindustrie unerlässlich waren.

Um die schwere Rohmaterial-Krise zu überwinden, dachte man an die Wiedergewinnung von Schrott und an den Abriss der Festungen des Ersten Weltkriegs. Alle Werke der Hochebene - ausgenommen zum Teil das Werk Gschwent - mussten schwere Eingriffe durch die Materialsammler hinnehmen. Die Panzerwerke wurden gesprengt, wodurch sich ungeheurer Schaden ergab.

Die Gemeinde Lusern erwarb das Werk Lusern am 3. Juni 1935, wonach bereits am 16. Juni das Unternehmen Mondini von Trient die Genehmigung für die ersten Sprengungen in Händen hatte. Mit dem Freilegen von Stahlbalken, -trägern und -rundstücken aus dem Schutt wurden hingegen lokale Arbeitskräfte betraut, was der Bevölkerung ein gewisses Einkommen sicherte, zweifellos aber auch ein Stück Geschichte löschte

Vielen Dank an das Dokumentationszentrum Lusern und 
Herrn Bürgermeister Luigi Nicolussi Castellan. 


Skoda Mörser 305 mm

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