Leichenfund durch Sporttaucher im Starnberger See |
Ulrich Mößlang der Tauchbrillenspezialist + zertifizierter Sport-Optiker Bericht und Fotos von Lino Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit über einen nicht
alltäglichen Tauchgang und deren Folgen. Samstag,
08.03.2003 Es
war leider nicht der entspannende Solotauchgang, den ich mir am Samstag
vorgestellt hatte. Bei diesem Tauchgang wollte ich in Ruhe ein paar Übungen
machen und ein relativ unbekanntes Gebiet betauchen. Nach Ablauf der
Grundzeit auf ebenem Grund machte ich mich auf den Weg in Richtung Ufer.
Als ich den schräg abfallenden Bereich erreicht hatte, begann ich mit
dem Aufstieg. Aus den Augenwinkeln sah ich rechts von mir einen
menschlichen Körper, bekleidet und teilweise skelettiert. Da
mein Luftverbrauch deutlich angestiegen war, die Kamera nicht
funktionierte und die allgemeine Stimmungslage sich deutlich
verschlechterte, setzte ich den Aufstieg ohne weitere Erkundung
der Leiche fort und beendete den Tauchgang nach der Deko. An Land
meldete ich den vermutlichen Fund sofort der Polizei. Am selben Tag
sollte noch ein Versuch der Bergung durch die Wasserwacht unternommen
werden, der aber aufgrund der Tiefe von ca. 35 m noch im Hafen
abgebrochen werden musste. Da
ich die Leiche nicht wirklich genau betrachtet hatte (war auch gut so),
plagten mich am Samstag Abend noch Zweifel. Hatte ich wirklich eine
Leiche gesehen, oder hätte es evtl. etwas ähnliches wie ein alter
Mantel und einige Äste sein können. Um die Frage zu klären, gab es
nur einen Weg: Wieder hintauchen und Photos zu machen. Sonntag,
09.03.2003 Am
Sonntag war ich dann wieder im See, diesmal mit moralischer und
taucherischer Unterstützung von Basti H. und Uli Mößlang. Schnell war
die Stelle wieder gefunden. Es war leider tatsächlich eine Leiche.
Sofort wurden von mir einige Photos gemacht, um diese der Polizei als
Beweis des Leichenfundes zur Verfügung zu stellen. Montag,
10.03.2003
Am
Montag unterstützten wir die Vorbereitungen zur Bergung der Leiche.
Wir fuhren mit dem Polizei-Boot und in Begleitung einer Tauchereinheit
der Polizei zum Fundort und bereiteten uns auf den Tauchgang vor. Da die
Taucher der Polizei nicht in dieser Tiefe arbeiten dürfen, wurde ich
gebeten die genaue Position zu kennzeichnen. Ziel
des Tauchgangs war das Setzen einer Boje zur Markierung. Die Bestimmung
der Position mit GPS erfolgte dann von der Oberfläche aus durch die
Polizei. Wir begannen unseren Tauchgang vom Boot aus und folgten der mir
bekannten Tiefenlinie. Nach ca. 8 Min. fanden wir die Leiche. Die
Position der Leiche konnte nun von einem Boot der Polizeitaucher aus
bestimmt werden. Danach wurden, aufgrund bestimmter Vorgaben, weitere
Detail-Aufnahmen der Leiche gemacht und einige andere Untersuchungen
durchgeführt. Als
wir unsere Aufgaben erledigt hatten, begannen wir unseren Aufstieg in
Richtung Ufer und warteten auf das Ende unserer Deko-Zeit. Das Münchner
Polizeiteam konnte so nach unserem Auftauchen beginnen, mit ihrer
steuerbaren Unterwasserkamera noch einige Video-Aufnahmen des Fundortes
aufzunehmen. Meine Begleiter bei diesem Tauchgang waren Matthias und
Andreas. Dienstag,
11.03.2003 Zur Bergung der Leiche wurden die Pioniertaucher der Bundeswehr aus der Basis in Percha angefordert. Mit Uli Mößlang und Matthias waren wir auf dem Ponton der Pioniere, welcher zu der am Vortag markierten Stelle geschleppt wurde. Der ca. 25x10 m große Ponton wurde direkt neben der Markierungs-Boje verankert.
Die Lufttemperatur betrug ca. 4 Grad und
auf dem See merkten wir die Kälte noch stärker. Die anwesenden
Kriminaler und Spurenspezialisten packten ihre Koffer schon mal
vorsorglich aus. Auf dem Polizeiboot wurde die Unterwasser-Videokamera
klar gemacht und sollte die neuesten Bilder unter dem verankertem Ponton
liefern. Leider gab die Videokamera gerade in diesem Moment den Geist
auf und so musste man auf die neuen Bilder verzichten.
Die
ersten Helmtaucher der Pioniere tauchten senkrecht an den vorbereiteten
Abstiegsleinen ab, konnten trotz längerer Suche aber die Leiche nicht
finden.
Nachdem die Pioniertaucher wieder aufgetaucht waren, wurde überlegt,
wie man den nächsten Tauchgang planen sollte, um die Stelle genau zu
lokalisieren. Wir
verluden unser Gerödel im Polizeiboot und fuhren eiligst zur
Tauchplattform zurück. Wieder angekommen, setzte der berühmte Fallwind
(Föhn) aus den Alpen ein und die Luft wurde angenehm warm. Wir bauten
unsere Ausrüstung ruhig und gewissenhaft unter den neugierigen Augen
der Anwesenden zusammen und machten uns zum Abstieg bereit. Als Dekogas
nahm ich ein Nitrox 50% Gemisch und Uli reinen Sauerstoff mit. Wir
vereinbarten direkt neben der Leiche eine Boje zu setzen. Ein
Polizeiboot sollte Blei in genügender Menge am Seil hinablassen, um die
neue Boje sicher zu verankern. Nach einem freien Abstieg begannen wir sofort mit der Suche. Etwa 2 Minuten später fanden wir den Körper ca. 5m von der alten Boje entfernt. Wir knieten uns neben die Leiche auf den Grund, setzten die Deko-Boje mit einem Reel und warteten auf das vereinbarte Zeichen von oben. Leider kam weder ein Zeichen, noch Gewichte zum Setzen einer stabilen Markierungsboje. Am Zug der Boje merkten wir, dass sie die Oberfläche erreicht hatte und es war uns unverständlich, weshalb sich keiner an die vereinbarten Abmachungen hielt. Die Zeit für unseren Tauchgang lief ab und so begannen wir mit unserem Aufstieg. Beim Absolvieren der Deko-Zeit fanden wir den Grund für das Problem mit der Boje: Die Deko-Boje war direkt unter dem Rumpf des Pontons aufgetaucht und lag für alle unsichtbar am flachem Rumpfkörper an.
Mittwoch,
12.03.2003
Die
Bergung der Leiche entwickelte sich schwieriger als geplant, aufgrund
des unruhigen Wetters am Vormittag wurde die Markierungsboje an der
Oberfläche vom Wind in Ihrer Position beeinflusst. Die Helmtaucher der
Pioniere mussten aber senkrecht an Ihrer Grundleine von der Plattform
aus absteigen und konnten somit der schräg gespannten Leine der
Markierungsboje nicht folgen. Zudem ist die Grundzeit der Helmtaucher
limitiert. Die Bergung musste also möglichst unmittelbar bei Erreichen
des Seegrundes beginnen, um genügend Zeit für eine komplette und
saubere Bergung zu haben. Eine Suche am Grund war also zu zeitintensiv für
die Helmtaucher. Da
ich aus der Erfahrung der früheren Tauchgänge mit einer langen
Grundzeit rechnete, informierte ich zu meiner Begleitung Hubert Hubal
und Thomas Leidenberger, die innerhalb einer Stunde Starnberg
erreichten. Mit dabei waren 3 HID-Lampen und genügend Nitrox und
Sauerstoff für die zu erwartende Dekompression. Auf der Plattform
angekommen, besprachen wir die weiteren Schritte.
Anschließend
machte ich noch ca. 50 Detail-Aufnahmen, um den Zustand vor der Bergung
zu dokumentieren. Nach ca. 15 min erreichten uns die Helmtaucher der
Pioniere. Wir stiegen um ca. 2m aufwärts und beleuchteten das Gebiet
von oben mit unseren starken HID-Lampen.
Die
Pioniere hatten somit die Leiche in kürzester Zeit ereichen können und
konnten nun die komplette Bergung durchführen. Ich dokumentierte
solange mit meiner Kamera die Bergungsarbeiten.
Nachdem
die Leiche an Bord geschafft wurde, konnten auch wir das Wasser
verlassen. Die Leiche wurde dann nach Rückkehr in den Hafen zur
gerichtsmedizinischen Untersuchung in München abgeholt. Schon
einen Tag später wurde die Identität des Toten geklärt, es handelte
sich um einen 40 Jahre alten Winzer aus der Gegend von Würzburg, der
sich vor 17 Jahren auf dem Starnberger See das Leben nahm. 1986 fand man
einen Abschiedsbrief in seinem Auto am Starnberger See in dem er seinen Freitod
ankündigte und auch die Aussage machte, dass sein Körper spurlos
verschwinden würde. Das von ihm
gemietete Boot wurde durch den Wind an einer anderen Stelle ans Ufer
getrieben. So blieben alle damaligen Nachforschungen erfolglos.
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