Vorwort und Einleitung Kriegstagebücher der Werkskommandanten Entnommen aus dem Roman Die Uhrheberrechte bei den Seiten liegen bei Albin Kühnel und sind auszugsweise auch in abgeänderter Form, auf Papier oder Datenträgen verboten.
|
Die
Kommandanten der sieben k.u.k. Panzerwerke auf den Hochebenen von
Folgaria und Lavarone, „Cima di Vezzena“, „Verle“, „Lusern“,
„Gschwent“, „Sebastiano“, „Sommo“ und „Serrada“, waren
verpflichtet, in der Zeit, in der Ihre Werke in unmittelbare
Kampfhandlungen verwickelt waren, Werkstagebücher zu führen. Dabei
durften sie sich nicht auf summarische Zusammenfassungen beschränken,
sondern mussten tageweise alle Ereignisse, auch wenn sie noch so geringfügig
waren, in aller epischen Breite und Ausführlichkeit festhalten. Sie
begannen mit den Tagebucheintragungen am 24. Mai 1915, als der Krieg mit
Italien begann und schlossen sie am 22. Mai 1916 ab, als die Werke durch
die Vorverlegung der Front auf Grund der von den Italienern
„Strafexpedition“ genannten Frühjahrsoffensive 1916 der k.u.k.
Streitkräfte soweit im Hinterland zu liegen kamen, dass sie in die
weiteren Kampfhandlungen bis Kriegsende nicht mehr eingreifen konnten
und geräumt werden mussten. Die
Originale dieser sieben Kriegstagebücher haben die seinerzeit zuständigen
Gruppenkommandanten, nämlich Oberst i.G. Otto Ellison Freiherr von
Nidlef für den Abschnitt Lavarone (Werke „Cima di Vezzena“,
„Verle“, „Lusern“, „Gschwent“) bzw. Oberst i.G. Felix
Freiherr von Lempruch für den Abschnitt Folgaria (Werke „Sebastiano“,
„Sommo“ und „Serrada“) an sich genommen. Seit ihrem Tod sind sie
verschwunden. Ihre Erben bzw. die Nachlaßverwalter hatten es nicht
verstanden, den historischen Wert dieser Aufzeichnungen zu erkennen und
sie dem Kriegsarchiv in Wien als einmalige Dokumentation zur Verfügung
zu stellen. Allerdings
wurden alle sieben Kriegstagebücher noch zu Lebzeiten der beiden
Gruppenkommandanten, also in den Zwanzigerjahren des vorigen
Jahrhunderts, dem in Wien lebenden Diplomingenieur Karl Lipscher
leihweise überlassen. Dieser verfasste im Jahre 1927 an Hand dieser
Tagebücher, aber auch auf der Grundlage von Unterlagen der zuständigen
Geniedirektionen und der für die permanenten Befestigungen zuständigen
Abteilung VIII des k.u.k. Kriegsministeriums, ergänzt durch Angaben
zahlreicher am Ausbau der Reichsbefestigungen maßgeblich beteiligter
ehemaliger techn. Offiziere der untergegangenen Donaumonarchie ein aus
sieben Bänden bestehendes, 1.498 Seiten umfassendes und durch 28
Karten, 130 Anlagen, 106 Pläne und Skizzen sowie 310 Photographien ergänztes
Monumentalwerk über die k.u.k. Reichsbefestigungen, das er bis zum
Jahre 1950 noch einmal auf 13 Bände mit 2.889 Seiten und 224 Karten,
253 Plänen, 828 Plänen und Skizzen sowie 1.173 Photographien
erweiterte. Eine
Veröffentlichung ist offensichtlich aus Kostengründen unterblieben.
Dem Kriegsarchiv in Wien war aus den gleichen Gründen ein Erwerb
zwischen den beiden Weltkriegen nicht möglich. Das Manuskript aus dem
Jahre 1927 befindet sich in der Ministerialbibliothek des
Bundesministeriums für Landesverteidigung in Wien (Kat. Nr.
126700-VII/1), ist aber gegenwärtig (Spätsommer 2003) dort angeblich
nicht auffindbar. Das
Kriegsarchiv Wien besitzt angeblich nur Fragmente der Unterlagen
Lipschers. Komplett liegen dort nur Auszüge aus den Kriegstagebüchern
der Panzerwerke „San Sebastiano“ und „Sommo“ auf. Vom Werk
Lusern liegen nur Auszüge für die Zeit vom 10. bis 31. August 1915 und
eine Inhaltsübersicht für die Zeit vom 24. Mai 1915 bis zum 30. Mai
1916, vom Werk „Verle“ nur Auszüge für die Zeit vom 15. August bis
zum 25. August 1915 vor. Sie sind die Grundlage für diese Studie. Die
Quellen für die darüber hinaus verarbeiteten Informationen können der
Bibliographie am Schluss des Buches entnommen werden Ich
bedanke mich bei Herrn Hofrat Dr. Christoph Tepperberg und Frau
Amtsdirektorin Andrea Hackl vom Kriegsarchiv in Wien, die mir die o.a.
Unterlagen kostenlos überlassen haben.
Einleitung Im
Feldzug von 1859 hatte die Donaumonarchie die Lombardei verloren. Und
obwohl ihre Truppen das mit Preußen verbündete Königreich Italien
1866 bei Custozza und in der Seeschlacht von Lissa vernichtend
geschlagen hatten, wurde sie auf Grund der Niederlage bei Königgrätz
im Friedensvertrag von Wien im Oktober des gleichen Jahres gezwungen,
auch Venetien den Italienern zu überlassen. Auf die Angliederung von Südtirol
(dem Trentino) und Istrien, den Hauptzielen der italienischen Irredenta
(einer nationalen Bewegung zur Angliederung „unerlöster italienischer
Volkstumsgebiete“), musste Italien allerdings verzichten.1 Bereits
im Jahre 1860 begann Österreich damit, die neue Grenze gegenüber
Italien im Westen Tirols zu befestigen. In einer ersten Bauperiode
entstanden die Werke Gomagoi (Stilfserjoch), Strino (Tonalepaß), Larino,
Danzolino, Revegler (Judikarien), S. Nicolo, Nago (Gardasee) sowie Buco
di Vela, Dos di Sponde, Rocchetta (Trient).2 Obgleich
Italien im Mai 1882 dem Bündnis der Mittelmächte (Deutsches Reich und
Österreich-Ungarn) beitrat, wurde der Befestigungsbau an der
italienischen Grenze fortgesetzt und auf den östlichen Teil Tirols
ausgedehnt. Veranlassung dazu waren einerseits die stets um mehrere
Schritte vorangegangene und noch viel nachdrücklicher betriebene
gleichgeartete Tätigkeit des „Bundesgenossen“ 3,
andererseits der Umstand, dass der „Dreibund“ den Mittelmächten nur
geringe zusätzliche Sicherheit bot und dieser Vorteil noch dazu auf der
zweifelhaften Voraussetzung der militärischen Tüchtigkeit und der Verlässlichkeit
seiner Vertragstreue Italiens beruhte. Die Hoffnung Österreich-Ungarns,
dass das Bündnis der heimlichen Unterstützung der irrendentistischen
Bestrebungen in Österreich durch Italien ein Ende bereiten würde, erfüllte
sich nicht.4 In
einer zweiten Bauperiode wurden daher in den Jahren zwischen 1884 und
1900 an der italienisch-tirolerischen Grenze eine Reihe weiterer Sperren
errichtet, nämlich Corno (Judikarien), Mittelbatterie Monte Brione,
Ponale (Gardasee), Romagnano, Matarello, Martignano, San Rocco, Dos
Fornass, Brussa Ferro, Cimirlo, Roncogno, Civezzano, Casara (Trient),
Tenna, Colle delle bene (Val Sugana), Dossaccio, Albuso (Rollepaß),
Moena (Pellegrinopaß), La Corte, Ruaz (Buchenstein), Tre Sassi (Valparolapaß),
Plätzwiese, Landro (Toblach), Haideck, Mitterberg (Kreuzbergsattel).5 Sein
Nachfolger, Franz Conrad von Hötzendorf, der als Generalmajor vom
September 1903 bis November 1906 Kommandant der k.u.k. 8.
Infanterietruppendivision in Innsbruck war, studierte mit wahrem
Feuereifer die Gebirgs- und Flussverhältnisse des Landes. Den
leidenschaftlichen Bergsteiger führte vielfach der Augenschein zur Lösung
der verschieden Befestigungsfragen. Vier über die Kriegführung gegen
Italien verfasste Studien 7
bezeugen die Gründlichkeit dieser Beschäftigung. Er hielt einen
erheblichen Teil der Tiroler Werke für veraltet und kaum imstande,
ernsten feindlichen Angriffen zu widerstehen. Während
seiner Zeit als Generalstabschef der gesamten bewaffneten Macht
(18.11.1906 - 03.12.1911 und 12.12.1911 - 02.03.1917) wurden viele der
veralteten Werke modernisiert und folgende Werke neu errichtet:
Die
beiden Festungsgruppen Folgaria und Lavarone stellen einen Sonderfall im
österreichischen Festungsbau dar, da im Gegensatz zu den bisher
errichteten Werken, deren ausschließliche Aufgabe darin bestand, ein
feindliches Vordringen durch Täler und über Pässe zu verhindern,
erstmals permanente Werke errichtet wurden, die sowohl defensive als
auch offensive Aufgaben hatten, und zwar in einem Gebirgsraum, in dem es
bisher keinerlei Werksbauten gab und der nicht nur auf durch Täler und
über Pässe führende Straßen gangbar zu sein schien. In seiner Denkschrift vom 08.01.1907 9 begründete Conrad die Notwendigkeit der Anlagen auf den Hochflächen mit der Gefahr unmittelbarer Bedrohung der Tennawerke bei Levico (Werke Tenna und Colle delle bene), die das obere Suganatal zu sperren hatten, wenn es dem Feind gelingen sollte, sich unangefochten in den Besitz der Hochflächen von Folgaria und Lavarone zu setzen. Der Besitz der Hochflächen käme außerdem einer österreichischen Offensive gegen Schio-Bassano wie auch durch das Suganatal zustatten. Einem Feindangriff aus allgemein südostwärtiger Richtung auf Trient würde von vornherein ein fester Riegel vorgeschoben werden. Schließlich sei die im Falle eines eigenen Angriffs unumgängliche Niederkämpfung der starken italienischen Sperrgruppe um Primolano (mit den italienischen Panzerwerke Monte Lisser, Cima di Campo und Cima di Lan) wesentlich erleichtert, wenn man den schwierigen Angriff durch das Suganatal vermeiden, zumindest über die Hochfläche der Sieben Gemeinden unterstützen könne. Auch zum Schutze der Bereitstellung der zu diesem Angriff bereitzustellenden Kräfte seien diese Werke nötig. Mit dem Bau des ersten
Werkes auf den Hochflächen von Folgaria und Lavarone, dem Panzerwerk
„Lusern“, wurde 1907 begonnen. Als letztes wurde das Panzerwerk
„Serrada“ errichtet, das kurz vor der Kriegserklärung Italiens im
Mai 1915 fertig gestellt werden konnte. Wie begründet Conrads Überlegungen waren, hat der Verlauf des ersten Kriegsjahres gegen Italien bewiesen. Wenngleich die den Südtiroler Balkon umschließende italienische 1. Armee prinzipiell einen Defensivauftrag hatte, war ihr doch die Freiheit gelassen, die ständige Bedrohung, die von dem oben angeführten befestigten Raum ausging, zu beseitigen und – wenn möglich – bis Trient durchzubrechen. Trotz heftigster, von starken Infanterieangriffen begleiteter Beschießungen im Mai und im August 1915, unter denen vor allem die Lavaronewerke („Cima di Vezzena“, „Verle“, „Lusern“ und „Gschwent“) schwer zu leiden hatten und bei der diese bis auf das Werk "„Gschwent“ weitgehend zerstört wurden, gelang es den Italienern in keinem einzigen Fall, sich eines der Werke zu bemächtigen oder auch nur einen tiefen Einbruch zu erzielen. Und für die große Mai-Offensive im Frühjahr 1916 blieb der hierfür erforderliche Bereitstellungsraum der Angriffstruppen dank der nachhaltigen Verteidigung der Sperrwerke der Folgaria- und Lavaronegruppe erhalten, eines der wenigen Beispiele in der Kriegsgeschichte, wo permanente Befestigungen ihren Wert im Rahmen der Gesamtkampfhandlungen bewiesen haben.10
|