" Werk Sebastiano "

Kriegstagebuch  des Werkskommandanten 

" Werk Cherle "

Entnommen aus dem Roman  
"Sturm über den Werken"
von Albin Kühnel

Die Uhrheberrechte bei den Seiten liegen bei Albin Kühnel und sind auszugsweise auch in abgeänderter Form, auf Papier oder Datenträgen verboten.


Ulrich Mößlang der Tauchbrillenspezialist
hat die Seiten internettauglich aufbereitet.

Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
  
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

 

Die III. Beschußperiode 
(27. April bis 18. Mai 1916)
 

 

01.  bis 28. April 1916  

Infolge der im April neuerlich einsetzenden riesigen Schneefälle und Schneehöhen von zwei bis drei Metern war jeglicher Verkehr abseits der freigehaltenen Wege und Straßen unmöglich. Kein Feindbeschuß und keine Kampfhandlungen. 

Dagegen gehen unsere Vorbereitungen für eine machtvolle Offensive zum Durchbruch der italienischen Front unentwegt, wenn auch unter größten Schwierigkeiten, weiter. 

 

29. April 1916  

Seit langen Wochen endlich wieder schönes, warmes und sonniges Wetter, das uns die Ankunft des heiß ersehnten Frühlings ankündigt. Die Schneeschmelze macht rapide Fortschritte, und wir müssen noch und noch Wasserablaufgräben ausschaufeln, damit wir dem Schmelzwasser Herr werden. 

Seit Oktober vorigen Jahres heute wieder der erste 28 cm- und 14,9 cm Beschuß. In der Zeit von 11 Uhr mittags bis 2 Uhr nachmittags werden 22 Schuß vom Kaliber 28 cm und ca. 180 Schuß Kaliber 14,9 cm auf unser Werk abgegeben. Alle Einschläge  verschwinden,  ohne irgendwelche Wirkung zu äußern, in den meterhohen Schneemassen. Wahrscheinlich wollen uns die Italiener beweisen, daß die 28 cm Haubitzbatterie unterhalb des Campomolon auf der Venapaßstraße und die 14,9 cm Langrohrbatterie auf Toraro noch da sind und die Kampfhandlungen nun wieder beginnen. 

Um unsere Turmhaubitzen wieder uneingeschränkt benutzen zu können, wird in den Nächten an deren Freilegung von Schnee und Eis gearbeitet. Der letzte Schneefall war derart stark und langwierig, daß es nicht glückte, die Panzerkuppeln von den Schneemassen zu befreien, weshalb diese gar nicht mehr sichtbar waren und unter dem Schnee begraben lagen. Jeder Versuch, die eine oder andere vom Schnee freizubekommen, scheiterte an den unvorstellbaren Schneeverwehungen, die jede Arbeit in wenigen Stunden zunichte machten. 

 

30. April 1916  

Situation wie gestern. Herrliches Wetter! Heute Nacht ist es gelungen, unsere vier 10 cm-Turmhaubitzen sowie alle Maschinengewehrpanzer endgültig von den Schneemassen zu befreien, so daß diese wieder uneingeschränkt verwendbar sind, bis auf die zwei 10 cm Traditorhaubitzen, welche wir nur bis zur Eskarpe des Flankengrabens vom Schnee befreien können. Unsere Hindernisse sind noch unter den Schneemassen begraben. 

Auch heute werden während der Mittagszeit 22 Schuß Kaliber 28 cm unserem Werk zugedacht, die aber alle entweder zu kurz liegen oder zu weit über das Werk hinweggehen. Betontreffer wurde jedenfalls keiner erzielt. Der 14,9 cm Beschuß erfolgte in gleicher Stärke wie gestern, davon die Hälfte als Schrapnells auf unsere Werkszufahrt, um unsere Leute von den Schneeräumarbeiten zu vertreiben.  

Die Feindbeobachter auf Campomolon, Costa d’Agra und Coston erkennen sofort jede stärker Bewegung zum und im Werksgelände und feuern ihre Vierschußlagen auf jeden einzelnen Mann, der sich unvorsichtig oder leichtsinnig, ohne Deckung zu suchen, im Freien zeigt oder bewegt.  

Auf Anordnung des Artilleriechefs Oberst Baumann haben wir sofort eine 
6 cm Minimalschartenkanone M 98/08 aus der Armierung der Grabenstreiche auszubauen, da diese dort nicht mehr benötigt wird. Das Geschütz wird auf eine provisorische Holzbettung versetzt und unterhalb der Kote 1.446 frei aufgestellt. Das Rohr hat in direktem Schuß in den Raum Malga 20 posta, Soglio d’Aspio und Osteria Pra Bertoldi zu wirken. Die Bedienungsmannschaft wird vom Werk gestellt. Die Feuerleitung zur Kontrolle obliegt dem Artilleriebeobachter auf dem Durer. An Munition sind dafür vorhanden 290 Schuß Granaten M 98 mit Aufschlagzünder.
 

Da ein Nahangriff der Italiener nicht mehr zu befürchten ist, brauchen wir das Geschütz nicht mehr; es wird in seiner Feldstellung jedenfalls mehr Nutzen bringen als in der Panzerkasematte der Grabenstreiche.  

Wir haben nun seit zwei Tagen an die 20 Artilleriebeobachter mit ihren Burschen und Telephonisten neu im Werk als Zugang. Es sind dies über 100 Mann, die wir wieder unterbringen müssen und zu verpflegen haben. Diese Offiziere werden, wenn es losgeht, das Feuer ihrer bereits in Stellung befindlichen Angriffsbatterien von unserem Werk aus leiten, wofür sich die fixen Maschinengewehrpanzer scheinbar besonders gut eignen. Auch als Standort des 5. Brigadekommandos mit seinem  Kommandanten  und  Brigadier, dem  Generalmajor  Müller, mit Stab ist unser Werk ausersehen, aber erst einen Tag vorher, bevor es endlich losgeht. Für das Brigadekommando mußten wir zwei Kasematten im Erdgeschoß bereitstellen, da unser Brigadier vom Werk „Sebastiano“ aus den Angriff seiner Brigade lenken und leiten wird. Die Unterbringung von zusätzlich an die dreißig Offiziere macht große Schwierigkeiten, von der Beköstigung ganz abgesehen. Aber mich hält, trotz der Schwierigkeiten, die ein Stab mit sich bringt, immer der Gedanke aufrecht: „Es dauert nimmer lange!“ Es ist kein Wunder, wenn der Italiener seine 14,9 cm Langen auf unser Werk und rings um dieses spielen läßt, denn das ständige Kommen und Gehen, dabei meistens ohne die nötige Vorsicht, muß den italienischen Beobachtern auffallen, die sich sagen: „Da tut sich etwas! Warum ist dort der viele Verkehr?“ 

Unsere Offensivvorbereitungen werden mit Hochdruck betrieben, und es treffen täglich Batterien aller Kaliber ein, die für das Wirkungsschießen an der Durchbruchsfront bestimmt sind. Jeder dieser neuen Batteriekommandanten mit seinen Offizieren kommt nach erfolgtem Instellunggehen seiner Batterie zu mir ins Werk, um Fragen noch und noch zu stellen. Zu einer geregelten Arbeit, wie diese einem Werkskommandanten obliegt, komme ich überhaupt nicht mehr. Dazu bekommen wir in den nächsten Tagen 5.000 Schuß 10 cm Haubitzmunition, die wir zum Teil nur in der Felspoterne zur Grabenflankierung unterbringen können, da Stiegen, Gänge und Poternen mit Material, das die Artilleriebeobachter mitbringen, verstellt und verrammelt sind. Da Ordnung zu halten, wie ich es bis jetzt gewohnt bin und auf das Strengste darauf achtete, ist wieder nahezu unmöglich geworden. Halte ich dem einen oder anderen Batteriekommandanten vor, doch seine Leute anzuhalten, Ordnung zu versehen, bekomme ich zur Antwort: „Es dauert nur mehr einige Tage, dann seit Ihr von uns erlöst, und wir treffen uns im Venezianischen wieder.“ Es ist nur ein Glück, daß die Werkslüftung einwandfrei arbeitet, denn unsere Leute stellen anderen Anforderungen an die Unterbringung als die bosnischen und slowenischen Landsturmarbeiter, die mit allem zufrieden waren, wenn sie nur ein Dach über dem Kopf hatten. Nun habe ich wenigstens beim Brigadekommando durchsetzen können, daß die Naturalverpflegung für die Artilleriebeobachter und deren Anhang von deren Batterien in das Werk verbracht und in unserer Küche weiterverarbeitet wird. Bis gestern mußten unsere Artilleristen die Verpflegung für die Werksfremden ebenfalls auf ihren Schultern heranschleppen. Mein Rechnungsfeldwebel ist schon ganz verzweifelt vor lauter Mankos, die in seinen Verpflegungslisten aufscheinen, denn die Batterien nehmen es mit den Naturalverpflegungen nicht sehr genau, wahrscheinlich in dem Glauben, im Werk haben sie ja sowieso alles in Hülle und Fülle, da brauchen wir es nicht so genau nehmen. 

Es ist nur ein Glück, daß wir keine Betonschäden ausbessern müssen, denn das wäre unter den momentanen Verhältnissen ausgeschlossen. Hoffentlich gibt es keinen Dauerbeschuß mit 28 cm Kalibern.  

Es grenzt an ein Wunder, daß der Italiener, dem doch unser Aufmarsch unmöglich verborgen bleiben konnte, diesen kaum oder gar nicht stört, vom gelegentlichen Beschuß unseres Werkes abgesehen. Soweit mir bekannt ist, sind an die hundert Batterien auf Folgaria aufmarschiert und in Stellung, aber der Italiener tut nichts dagegen und läßt sie alle ungeschoren und in Ruhe.  

Heute ist Ing.-Hauptmann Schneider im Werk. Er tröstet mich ob der überall eingetretenen Unordnung und Verschmutzung damit, daß es in allen anderen Werken sowohl auf Folgaria als auch auf Lavarone nicht anders ist als bei uns im Werk „Sebastiano“.  

Nun, wir müssen uns eben in die Umstände fügen!  

 

Resümee für den Monat April 1916 

 

Feindbeschuss im April 1916:  

Im April 1916 wurden an Feindschüssen auf das Werk „Sebastiano“ abgegeben:  

                           44 Schuss Kaliber 28 cm;

                   ca. 360 Schuss Kaliber 14,9 cm.  

 

Eigener Munitionsverbrauch der 10 cm Turmhaubitzen:  

                   414 Schuss 10 cm Haubitzmunition, je zur Hälfte
                                     Granatschrapnells und Sprenggranaten

 

Verluste der Werksbesatzung:  

Keine.  

 

Derzeit sind im Krankenrevier 5 Marode der Werksbesatzung und 27 Marode der zugeteilten Telefonisten, Burschen usw.  

Unsere restlichen Landsturmarbeiter, 2 Unteroffiziere und 42 Mann, haben wir vor zwei Tagen auf Befehl des 180. Brigadekommandos abgegeben.  

Auf Anordnung von Ing.-Hauptmann Schneider wurde der weitere Stollenausbau eingestellt. Er ist zu 2/3 fertig.  

 

Neuverteilung der Kommandoverhältnisse und Angriffstruppen

auf Folgaria für den 15. Mai 1916

 

Der ganze Folgaria-Abschnitt, vom Val d’Astico über das Werk „Sebastiano“ bis zum Werk „Serrada“ und den Steilabhängen in das Terragnolotal, unterstand seit dem 10. April 1916 auf Grund der nach und nach unter größten Schwierigkeiten eintreffenden Angriffstruppen und deren umfangreichen Materials und Munition dem XX. Armeekorps. Dieses war in zwei Divisionsabschnitte geteilt. Der Nordabschnitt umfasste den Raum des Werks „Sebastiano“ bis Kote 1.589 südlich des Durerkopfes und war der 3. Infanteriedivision unterstellt. Der Südabschnitt im Bereich der Werke „Sommo“ und „Serrada“ bis zum Terragnolotal war der 8. Infanteriedivision unterstellt. Kommandant des XX. Armeekorps ist unser Thronfolger, Seine Kaiserliche Hoheit Feldmarschall-Leutnant Erzherzog Karl Franz Joseph, sein Generalstabschef Oberst Freiherr von Waldstätten. Der Artilleriechef der gesamten Angriffsartillerie einschließlich der Werksarmierungen ist Oberst Baumann des Artilleriestabs, der seinen Gefechtsstand im Werk „Sommo“ bezogen hatte. Das bestehende Artilleriegruppenkommando Folgaria unter Major Wodicka wurde aufgelöst und dieser dem Artilleriestab Oberst Baumann zugeteilt.

 

Die 3. Infanteriedivision des Nordabschnitts befehligt Feldmarschall-Leutnant Edler von Horsetzky. Der Division unterstehen die 5. und die 15. Infanteriebrigade mit zusammen 19 Infanteriebataillonen, außerdem als Divisionsartillerie die 3. Feldartilleriebrigade mit 48 8 cm Kanonen und 10 cm Feldhaubitzen sowie zwei 15 cm Haubitzbatterien und einer 10 cm Kanonenbatterie. Der Gefechtsstand beträgt ca. 12.000 Gewehre und 58 Geschütze.  

Die 8. Infanteriedivision, die nach Süden anschließt, untersteht dem Divisionär Feldmarschall-Leutnant von Fabini und umfaßt die 
58. Gebirgsbrigade unter dem Kommando von Oberst Edler von Merten sowie die 180. Infanteriebrigade unter deren alten Kommandanten Feldmarschall-Leutnant Edler von Verdroß. Die Division verfügt über 14 Infanteriebataillone, darunter die vier Tiroler Kaiserjägerregimenter I bis IV als Elitetruppe für den Gebirgskrieg. Der 8. Infanteriedivision unmittelbar zugeteilt ist die 8. Feldartilleriebrigade mit 48 8 cm Kanonen und 10 cm Feldhaubitzen sowie zwölf 15 cm Haubitzen und acht 10 cm Kanonen. Der Gefechtsstand der 
8. Infanteriedivision beträgt ca. 12.500 Gewehre und 60 Geschütze.
 

Soweit mir bekannt ist, beträgt die aufmarschierte Artilleriemasse des XX. Korps 70 Batterien vom 7,5 cm Kaliber bis zur 42 cm Haubitze.
Tatsächliche waren es 156 leichte, 54 schwere, 20 schwerste mobile und 20 stabile Geschütze.
 

Unser Werk „Sebastiano“ untersteht nun der 5. Infanteriebrigade unter deren Kommandanten Generalmajor Richard Müller. Das altbewährte Salzburger Infanterieregiment Nr. 59 mit fünf Bataillonen bildet die erste Angriffstruppe in den Raum des Soglio d’Aspio (Kote 1.346). Das zweite Infanterieregiment Nr. 21 mit drei Bataillonen sowie die X. Marschbataillone der Infanterieregimenter Nr. 59 und 14 bilden die Korpsreserve.  

Die Versammlung der 3. Infanteriedivision im geschilderten Angriffsraum war 16. April 1916 beendet, doch schloß das Wetter mit seinen abnorm hohen Schneefällen sowie Eis und Kälte vorläufig jegliche Kampfhandlungen aus. Die bereitgestellten Angriffstruppen mußten nun solange untätig warten, bis es die Witterungs- und Schneeverhältnisse zuließen, den vorbereiteten Angriff in die Tat umsetzen zu können.

Auch bei uns auf Folgaria – es wird einmal später kaum glaublich erscheinen und soll deshalb im Werkstagebuch ausdrücklich vermerkt werden – störte der Italiener alle unser Vorbereitungen kaum, obwohl ihm diese zur Genüge bekannt waren, wie uns die täglich bei uns eintreffenden feindlichen Überläufer immer wieder bestätigten. Für uns ist das unverständliche Verhalten unseres Gegners nur zu begrüßen, denn es erspart uns unnütze Verluste, und so können vor allem die Versorgung der in ihren Winterquartieren untergebrachten Truppen und alle sonstigen Belange ungestört vor sich gehen und überdauert werden. 

An unsere 5. Brigade schließt in unserem Divisionsabschnitt nach Süden die 15. Infanteriebrigade der 3. Infanteriedivision an und umfaßt das Infanterieregiment Nr. 14 mit fünf Bataillonen als erste Angriffstruppe in den Raum Monte Coston (Kote 1.753) als Angriffsziel. Das zweite Regiment, das Infanterieregiment Nr. 50, ist als Divisionsreserve südlich des Werks „Sebastiano“ versammelt.  

Alle Angriffstruppen sind von bestem und höchstem Geist beseelt, und alle sehnen schon den Zeitpunkt herbei, in dem es endlich losgeht, um sich mit unserem treulosen Erbfeind, dem Italiener, zum erstenmal in offener Feldschlacht messen zu können; denn bis jetzt war er immer der Angreifer an allen seinen Fronten, auch wenn seine Angriffe immer an der Abwehr unserer Truppen zerschellten und ihm der erhoffte Erfolg versagt blieb.  

 

01.  bis 10. Mai 1915  

Am 10. Mai wieder Beschußtag mit 28 cm Kalibern. In der Zeit von 1 Uhr mittags bis 4 Uhr nachmittags werden 27 Schuß Kaliber 28 cm auf das Werk abgegeben. Nur zwei Betontreffer auf die Decke des Kasemattenblocks. Dafür ein Panzertreffer, und zwar wieder auf den Vorpanzer des drehbaren Beobachters. Der Vorpanzer wird knapp unter der Ringfuge getroffen, aber zum Glück nicht durchschlagen. Durch die Chockwirkung wird der bereits vorhandene Sprung und Riß auf einen Spalt von 2,5 cm verbreitert; dabei bricht der Auflagerfuß des Vorpanzers in einem Ausmaß von 21 x 16 cm ab und fällt in den Turmschacht. Die Panzerkuppel ist nicht mehr drehbar, der Schaden läßt sich im gegenwärtigen Zustand auch nicht mehr reparieren, wie mir der Skodamonteur unmittelbar nach dem Treffer erklärt. Der Vorpanzer muß herausgehoben werden, was aber gegenwärtig nicht zu machen ist. 

Drei 28 cm Einschläge liegen unmittelbar vor der Decke des Munitionsraums der 10 cm Traditorenbatterie. Da gibt es einen Sprengtrichter von nahezu 2 m Tiefe und 3 m Durchmesser. Ca. neun Einschläge liegen in den Fronthindernissen und am Rande der Eskarpe und der Kontereskarpe des rechten Grabenauslaufs.  

Gestern in den späten Nachmittagsstunden hatten wir „Höchsten Besuch“ unseres Korpskommandanten, Seiner Kaiserlichen Hoheit Erzherzog Thronfolger Karl Franz Joseph. So gut es eben ging, ließ ich vorher radikal Ordnung im Werk machen, um wenigstens einen halbwegs kasernenmäßigen Eindruck dem Auge seiner Kaiserlichen Hoheit zu bieten. Ca. zwanzig Herren, darunter auch der Generalstabschef des XX. Korps, unser Brigadier und viele unbekannte Herren waren im Gefolge Seiner Kaiserlichen Hoheit. Alles wurde besichtigt; unsere unversehrten vier 10 cm Turmhaubitzen fanden das besondere Interesse des „Hohen Gastes“. Ich mußte über alles, was das Schicksal unseres Werkes bis jetzt betrifft, eingehend referieren, und seine Kaiserliche Hoheit war höchst interessiert, alles zu erfahren. Auch unsere Beschußlisten über das italienische 28 cm Kaliber bildeten den Gegenstand verschiedener Fragen, die an mich gestellt wurden. Sein Kaiserliche Hoheit bemerkte dann so nebenbei: “Wenn man das Werk ‚Lusern‘ gesehen hat, wie  es  unter  dem  30,5 cm Beschuß  gelitten  hat,  sieht man erst, daß so ein 28er nichts dagegen ist.“ 

Nach zweistündigem Aufenthalt, durch leichten Nebel begünstigt, der den Feindbeobachtern die Fernsicht nahm, verließ uns der „Hohe Gast“, nachdem er mir, meinen Werksoffizieren und meinen Artilleristen seine volle Anerkennung aussprach und seine volle Zufriedenheit äußerte. 

Als mir unser Brigadier vor dem Verlassen des Werkes die Hand schüttelte, flüsterte er mir geheimnisvoll zu: „Morgen habe ich für Euch Werksoffiziere eine schöne Überraschung!“ Wir zerbrechen uns später in der Offiziersmesse beim gemütlichen Beisammensein den Kopf, was unser Brigadier mit seiner Andeutung wohl meinte.  

Es war heute ein ereignisvoller Tag für unser Werk, unseren künftigen Thronfolger in unserer Mitte gehabt zu haben. All die vielen Unannehmlichkeiten der letzten Tage und Wochen sind vergessen, wenn man solch unvergeßliche Stunden im Angesicht seines „künftigen Kaisers“ verbringen durfte und einem durch seine ausgesprochene Zufriedenheit Belohnung zuteil wurde.  

 

11. und 12. Mai 1916  

Gestern kein Feindbeschuß infolge Regens und leichten Nebels. Auch nur wenige Schrapnell-Lagen des 14,9 cm-Kalibers. 

Dafür heute wieder 28 cm Beschuß mit 48 abgegebenen Schüssen auf unser Werk. Alles in Zweischußlagen, die sehr geschlossen mit geringer Längen- und Breitenstreuung einschlagen. Im Ganzen wurden 25 Werkstreffer im unmittelbaren Werksgelände und 16 Betontreffer erzielt. Diese verteilen sich mit acht Treffern auf die Decke des Kasemattenblocks, drei Treffern auf den Batterieblock zwischen die Turmhaubitzen Nr. II und III; zwei Treffer erhält die Decke der Grabenstreiche und drei Treffer die linke Anschlußmauer derselben, wobei viel Betonmaterial in den Graben geworfen wird. Kurzschüsse gehen auf die Eskarpe und die Kontereskarpe nieder, die viel Felsmaterial in den Graben werfen. Schäden an den Hindernissen.  

Der 14,9 cm Beschuß ist ebenfalls sehr lebhaft und liegt auf allen vermuteten Stellen, wo sich unsere Artilleriebeobachter aufhalten können. Über zwanzig Granateinschläge im Straßenkörper der Werkszufahrt.  

Der 28 cm Beschuß erfolgte mit neuer Munition!  

In den gestrigen Abendstunden Besuch unseres Brigadiers im Werk. Als wir Werksoffiziere in unserer Offiziersmesse alle versammelt waren, lüftet Generalmajor Müller das Geheimnis seiner vorgestrigen Mitteilung. Die Dekorationen für uns Werksoffiziere waren eingetroffen, und der Brigadier ließ es sich nicht nehmen, uns diese selbst an die Brust zu heften. Mir als Werkskommandanten heftete er den Kronenorden III. Klasse an die Brust, eine Auszeichnung, die ich nie erwartet hätte. Auch meine anderen lieben Kameraden erhielten jeder seine Auszeichnung an die Brust geheftet, und unser braver Fähnrich Knöpfelmacher erhielt das Leutnantspatent aus der Hand unseres Brigadiers. Nach einer kernigen Ansprache unseres Brigadiers Generalmajor Müller gab es noch eine Stunde gemütlichen Beisammenseins und Gratulationen ohne Ende.  

 

13. Mai 1916  

Nur ganz schwacher 28 cm Beschuß mit 18 abgegebenen Schüssen auf unser Werk. Nur zwei Treffer auf die Decke des Kasemattenblocks und zwei Treffer vor die Frontmauer des Batterieblocks, unmittelbar vor die Turmhaubitze Nr. I. An die sieben Treffer schlagen in den Fronthindernissen ein. 

Die Werkszufahrt wurde heute Nacht ausgebessert. Morgen ist die Munition, ca. 5.000 Schuß, bei der zerschossenen Ortschaft Tezzel abzuholen und auf unserem Trampelweg, zu je zwei Mann ein Verschlag, ins Werk zu schaffen.  

Die Sprengtrichter der letzten Tage wurden auf Anordnung von Ing.-Hauptmann Schneider nicht mehr ausgebessert und bleiben, wie sie sind, da es sich nicht mehr lohnt, wie sich Hauptmann Schneider geheimnisvoll ausdrückte. Also steht der Beginn unserer so lange erwarteten Offensive nun doch unmittelbar bevor.  

 

14. Mai 1916  

Ganz schwacher 28 cm Beschuß mit Einzelschüssen, im ganzen 18 Schuß; davon zwei Treffer auf die Decke der Traditorenbatterie, drei Einschläge im Batterieblock und zwei Treffer auf die Decke des Kasemattenblocks, nebst einigen Treffern in den Hindernissen. 

Die 5.000 Schuß 10 cm Haubitzmunition wurden unter größter Beanspruchung der Werksbesatzung gestern Nacht in das Werk geschafft, gerade noch in letzter Minute. Wir haben jetzt ca. 8.000 Schuß 10 cm Haubitzmunition im Werk. Damit können wir schon etwas leisten und dem Italiener, wenn es morgen losgeht, dementsprechend einheizen.  

Der Brigadestab ist bereits seit heute mittag im Werk etabliert. Alle Schußelemente unserer 10 cm Haubitzen sind überprüft und in den letzten Tagen neu eingeschossen worden. Am morgigen Wirkungsschießen beteiligen wir uns nicht! Uns steht die Aufgabe zu, mit „Punktfeuer“, wie unser Brigadier sich ausdrückte, unserer vorgehenden Infanterie jegliche Unterstützung im direkten Schuß zu gewähren, und es gibt keine Munitionsbeschränkung. Alle verfügbaren Munitionsbestände können restlos aufgebraucht werden, doch müssen diese für mindestens vier Tage ausreichen.  

Wir alle können den morgigen Tag kaum noch erwarten in der Ungewißheit, ob es uns gelingen wird, die feindliche Front in dem schwer gangbaren Gelände zu durchbrechen. Unsere Werksartillerie untersteht ab heute direkt dem 5. Infanteriebrigadekommando. Wir erhalten alle Ziele direkt von diesem zugewiesen. Hoffentlich ist schönes Wetter, daß unsere Ziele gut auszumachen sind, um unserer Infanterie in ihrem schweren Gange die notwendige Unterstützung gewähren zu können.  

Von den bisher in unserem Werk untergebrachten 20 Artilleriebeobachtern mit Telephonisten, Burschen und sonstigem Anhang wurde vorgestern laut Brigadebefehl die Hälfte abkommandiert, um in den unserem Werk vorgelagerten Infanteriestellungen neue Posten für die Artilleriebeobachtung zu beziehen, da die Einsicht von dort aus auf das feindliche, für den Angriff vorgesehene Stellungssystem eine bessere Feuerleitung deren Batterien gewährleistet, als aus unserem beengten Werk (Durer, Kote 1.586, Kote 1.602, Kote 1.446, Kote 1.653). Durch den Abgang der zehn Offiziere und 45 Mann haben wir nun wieder bessere Belagsverhältnisse im Werk bekommen.

Von meinen sechs Artillerieoffizieren, die zur Werksbesatzung zählen, verbleiben seit gestern nur noch zwei Herren bei mir im Werk, und zwar ein Offizier für die Feuerleitung der vier 10 cm Turmhaubitzen, und ein Offizier für die Feuerleitung der zwei 10 cm Traditorhaubitzen. Die anderen vier Offiziere haben zur besseren Überwachung und genauen Kontrolle unseres Artilleriefeuers der Werksartillerie ebenfalls Posten in der vordersten Stellung bezogen. Diese haben, wenn unser Frontdurchbruch morgen gelingt, die Aufgabe, sofort der vorrückenden Infanterie auf dem Fuß zu folgen und telephonische Anschlußleitungen zu unseren vorgeschobenen Artilleriebeobachtern zu legen, um die ausgefeuerten Batterielagen aus nächster Nähe zu beobachten und zu korrigieren, damit wir jederzeit genau in der Lage sind, unserer Infanterie die notwendige Unterstützung zu gewähren. 

So bin ich jederzeit in der Lage, über unsere bestehenden Außenbeobachter, wie z.B. am Durer, mit den vordersten, eigenen Artilleriebeobachtern zu sprechen, um unser Feuer dorthin zu legen, wo es notwendig ist.  

Der Artilleriechef des XX. Korps, Oberst Baumann, und Major Wodicka waren in den Vormittagsstunden im Werk, und es wurde nochmals alles auf das eingehendste über unsere morgige Artillerieunterstützung durchbesprochen und fixiert. Oberst Baumann läßt mir vollkommen freie Hand, auf Grund der jeweiligen Gefechtslage und auf Verlangen unserer vorgeschobenen Artilleriebeobachter nach eigenem Ermessen zu handeln.  

Alles ist voll Zuversicht, und niemand zweifelt mehr daran, daß uns ab morgen ein voller Erfolg beschieden sein wird. Im Krankenrevier kein einziger Maroder!  

Vom Feldspital Folgaria treffen heute als Verstärkung für unseren Werksarzt zwei Oberärzte und zwei Sanitätsfeldwebel und zwölf Mann ein, da unser Werkslazarett als erste Auffangstation für die zu erwartenden Verwundeten beim Angriff auf den Soglio d’Aspio vorgesehen ist.  

Zu meiner Überraschung bekommen wir heute in den frühen Morgenstunden wieder einen Zuwachs von vier Unteroffizieren und 47 Mann bosnischer Landsturmarbeiter, welche bis auf weiteres von unserem Werk verpflegt werden müssen und in unsere Standeslisten einzutragen sind. Die Leute rücken aber nach erhaltener Mittagsmenage in die vorderen Stellungen ab und dienen als Verstärkung der Sappeurkompanie Nr. 8 des Sappeurbataillons Nr. 14. Sie sind für Wegausbesserungen vorgesehen, wenn der Durchbruch morgen glückt, um unserer mobilen Divisionsartillerie das Nachziehen auf den aller Voraussicht nach beschädigten Straßen und Wegen zu erleichtern.  

Unsere Küche hat seit gestern einschließlich des Brigadestabs für 41 Offiziere und ca. 380 bis 400 Mann zu sorgen. Eine genaue Ziffer ist nicht zu nennen, da laufend neue Offiziere, Ordonnanzen und sonstige Leute kommen und gehen, die beim Brigadestab in irgendeiner Form zu tun haben oder für Rücksprachen zu diesem berufen sind.  

Alle wollen selbstverständlich während ihres längeren oder kürzeren Aufenthalts in unserem Werk verpflegt sein (laut Anordnung unseres überaus gastfreundlichen Brigadiers), was natürlich alles auf Kosten unseres eisernen Bestandes der Werksverpflegung geht.  

Ich hatte heute darüber eine länger Aussprache mit unserem Divisionsintendanten, welchem ich die Verhältnisse, die sich in puncto Verpflegung bei uns ergeben, schilderte, und er versprach mir, die Sache schon in irgendeiner Form zu arrangieren, wenn unser Brigadier Generalmajor Müller die Mehranforderungen persönlich unterfertigt! 
Oh  Du  heiliger  Büro
kratismus weit hinter der Front! Als ob unser Brigadier keine anderen Sorgen hätte, als Verpflegslisten zu unterschreiben!
 

Manchmal hat man bei solch bürokratischen Ansichten den Wunsch, daß dort, weit weg vom Schuß und weit hinter der Front, eine italienische 14,9 cm Granate einschlägt und den ganzen Papierkram in alle Winde zerstäubt, damit ich von dieser Sorge erlöst bin, da es sonst leicht passieren kann, daß ich den Mehrverbrauch aus meiner eigenen Tasche bezahlen muß, wie der Herr Intendant sich schonungsvoll ausdrückte. So unangenehm es mir ist, unseren Brigadier mit solchen Sorgen zu belästigen und zu belasten, muß ich es aber machen, denn wenn der Frontdurchbruch morgen glückt, dann sagt uns unser Brigadestab „Ade“, und mein armer Rechnungsfeldwebel sitzt mit rotem Kopf da und wartet, bis er wegen leichtsinniger Gebahrung an Heeresgut zum Feldgericht in Pergine zur Rechtfertigung eingeliefert wird. 

 

15. Mai 1916  

Der große, spannungsgeladene Tag ist endlich angebrochen! Seit 5 Uhr früh sind meine Artilleristen in voller Gefechtsbereitschaft, und alles wartet gespannt der kommenden Dinge und auf das Losbrechen unseres Artilleriefeuers der vielen bereitgestellten Batterien aller Kaliber, die unserer Angriffsinfanterie, dem alten, bestbewährten Infanterieregiment Nr. 59, das bereits seine Ausgangs- und Sturmstellungen bezogen hat, auf seinem schweren Gang den Weg ebnen und Unterstützung gewähren werden. 

Unsere im unmittelbaren Bereich unseres Werkes nun bereitgestellte 5. Infanteriebrigade hat als erstes den Raum um den Soglio d’Aspio (Kote 1.753) zugeteilt erhalten, ein sehr schwieriges, stellenweise sehr felsiges und zerklüftetes Terrain.  

Unsere Werksartillerie hat erst dann einzugreifen, wenn unsere Angriffsinfanterie ihre Sturmstellungen verläßt und zum Angriff antritt. Wir haben unserer vorgehenden Infanterie mit den vier 10 cm Turmhaubitzen jegliche Unterstützung zu gewähren und dort, wo vorübergehend Stockungen eintreten sollten, den Feind unter Vernichtungsfeuer zu nehmen. Die zwei 10 cm Traditorhaubitzen haben flankierend den Angriff unserer Nachbarbrigade (15. Infanteriebrigade), welche als Ziel den Monte Coston hat, zu unterstützen. Für jede 10,5 cm Haubitze sind 350 Schuß griffbereit gestapelt, und der ganze Batteriehohlgang ist damit so verstellt, daß man kaum daran vorbeikommen kann. Die leeren Geschoßverschläge werden nach Entnahme der Munition sodann im Kehlgraben gestapelt, damit wir im Batterieverbindungsgang Platz bekommen und Bewegungsfreiheit haben.  

Unser Brigadier, Generalmajor Müller, hat unseren einstigen drehbaren Panzerbeobachtungsstand  zur Beobachtung und Gefechtsleitung gewählt. Leider läßt sich dieser seit dem letzten erhaltenen 28 cm Treffer auf den Vorpanzer nicht mehr drehen. Aber die beiden Beobachtungsscharten sind feindwärts gerichtet und gewähren in diesem Zustand unter Zuhilfenahme der ausgezeichneten, eingebauten Optik ausgezeichnete Feindbeobachtung. Ich selbst habe meinen Gefechtsstand im rechten, fixen Maschinengewehr-Panzerstand im Batterieblock eingerichtet, welchen ich allerdings mit noch zwei auswärtigen Artilleriebeobachtern teilen muß; dort geht es daher sehr eng und unbequem zu. Meine Außenbeobachter sind alle besetzt, und wir haben außer der normalen Telephonleitung zu jedem Beobachtungsstand noch eine Reservesprechleitung verlegt, falls die eine oder die andere durch den zu erwartenden Feindbeschuß unterbrochen werden sollte, damit sofort auf die Reserve zurückgegriffen werden kann. Wichtig ist, daß unsere Beobachter heute ständig am Ziel bleiben können, denn  darauf kommt es heute an; denn jeder ausgefeuerte Schuß oder jede Batterielage muß sitzen und im verlangten Ziel liegen. 

Punkt 6 Uhr früh, bei bester Fernsicht und völliger Windstille, beginnt das Einschießen aller in Stellung befindlicher Batterien. Blitz auf Blitz zuckt aus den Rohren. Den ohrenbetäubenden Donner der vielen Geschütze rasch überholend, schossen die Sprenggranaten und Granatschrapnells heulend dahin, bald knapp hinweg über unser Werk und die eigenen Stellungen, bald hoch in den Lüften ihren Zielen entgegen. Mit größter Spannung konnte man verfolgen, wie sich unsere Geschoßbahnen immer enger und knapper um die deutlich sichtbaren Feindziele legten. Bald waren alle Geschütze eingeschossen, und gegen 9 Uhr vormittags setzte das Vernichtungsfeuer ein. Ein wahrer Orkan brauste über die Berge und Wälder. Tausende Geschosse schlugen in den feindlichen Stellungen ein, Explosionen auf Explosionen barsten mit donnerndem Getöse und verbreiteten Schrecken und Furcht in den Reihen der Feinde. Feuer und Qualm, wohin das Auge sah, schossen in die Höhe; dazwischen Sprengstücke, Felsen und Steinblöcke, zersplitterte Bäume und in Fetzen zerrissene Menschen. 

Ein erschütterndes Beispiel rollte vor unseren Augen ab. Schon um 10 Uhr ging unser Infanterieregiment Nr. 59 zum Angriff vor. Bleich und verstört, mit erhobenen Händen, kommen in großen und kleinen Gruppen die durch den Beschuß erschütterten Italiener unserer Infanterie entgegen. Die ersten Stellungen des Feindes waren in unserem Besitz. Mit unseren 10 cm Haubitzen feuern wir pausenlos auf alle von unseren Artilleriebeobachtern verlangten Ziele, legen dort, wo es vorübergehend nicht weitergeht, eine Feuerwalze unmittelbar vor unsere einmaligen Salzburger des Infanterieregiments Nr. 59 und erreichen bis etwa gegen 4 Uhr nachmittags den Fuß des Soglio d’Aspio. Im Nachbarbereich erreicht etwa um die gleich Zeit die 15. Infanteriebrigade den Fuß des Monte Coston, wohin pausenlos unsere zwei 10 cm Traditorhaubitzen feuern.  

Was unser Werk betrifft, setzte der erwartete 28 cm Beschuß erst gegen 10 Uhr vormittags ein und war unbedeutend. Nur zwölf Schuß verließen die 28 cm Rohre und erzielten nur zwei Treffer in den Kehlhindernissen. Dagegen war der 14,9 cm Beschuß äußerst lebhaft. Er richtete sich bis gegen 2 Uhr nachmittags nur gegen die rechte Werksflanke mit der 10 cm Traditorenbatterie und gegen die Werksdecke des Batterieblocks, ohne selbstverständlich etwa ausrichten zu können. Der rechte Panzerschild der Traditorenbatterie wurde dreimal von 14,9 cm-Granaten getroffen, die aber jedesmal sofort beim Aufschlag zerschellten und dem dicken Panzer nichts anhaben konnten. Im Batterieblock erhält die Panzerkuppel der Turmhaubitze Nr. I vier Treffer, und auch hier zerschellen die auftreffenden Sprenggranaten, ohne irgendwelche Störungen zu verursachen. Erst in den Nachmittagsstunden richtet sich der 14,9 cm Beschuß gegen unsere Werkszufahrt und deren Hintergelände.

 

Werk „Sebastiano“ um 5 Uhr nachmittags 

Der erste Kampftag brachte bereits unerwartete Erfolge und ließ uns alle erwarteten Ziele bis in die späten Nachmittagsstunden erreichen. Der Fuß des wild zerklüfteten Soglio d’Aspio war erreicht, jedoch war die Inbesitznahme des eigentlichen Felskopfes erst für morgen vorgesehen, da unsere Artillerie dessen Plateau noch unter ausgiebigen Beschuß nehmen mußte. Der Monte Coston war dagegen um 4 Uhr nachmittags bereits restlos in unserem Besitz. 

Hunderte italienische Gefangene marschieren in den Nachmittags- und Abendstunden an unserem Werk vorbei in die Gefangenschaft. Von unserem in den schwersten Kämpfen des Tages stehenden Infanterieregiment Nr. 59 passieren bis in die Nacht hinein 217 Verwundete unser Werkslazarett. Die gehfähigen Verwundeten  werden  nach  Erneuerung  der  Verbände und Labung sofort nach dem Feldspital Folgaria in Marsch gesetzt, während die Schwerverletzten laufend von den Sanitätsautos, die bis zu unserem Werkseingang herankommen können, abtransportiert werden. Nur 29 derzeit nicht transportable Männer werden im Werkslazarett zurückbehalten. Unser Sanitätspersonal hatte mit den drei Ärzten wieder ganze Arbeit geleistet. Auch gegen 50 verwundete Italiener wurden im Werkslazarett verbunden und betreut. Darunter waren sechs nur leicht verwundete Offiziere, die wir solange in unserer Offizierskasematte behielten, bis sie abtransportiert wurden. Unser Brigadier verhörte die Offiziere, und dieser erklärten alle, daß unser Angriff völlig überraschend erfolgte und man diesen erst Ende Mai erwartete. Alle waren über die Wucht und die Wirkung unseres Artilleriebeschusses tiefst beeindruckt. 

Unsere Werksartillerie hatte auch heute wieder volle und ganze Arbeit geleistet, und Hauptmann Wodicka sprach mir im Namen des Artilleriechefs Oberst Baumann seine vollste Anerkennung aus. Speziell in den Abendstunden, als unsere 59er die letzte Stellung der Italiener am Soglio d’Aspio angingen, legten meine vier 10 cm Turmhaubitzen wieder Punktfeuer mit einem Feuerhagel auf die italienische Felsstellung, die dann auch gegen 6 Uhr abends in unserem Besitz war. Trotzdem es nicht gelungen war, den eigentlichen Felskopf mit seinem Plateau noch heute in unsere Hände zu bringen, war aber bereits dessen linke Flanke abgeschirmt, da es den 59ern noch gelungen war, sich der Osteria Fiorentini zu bemächtigen und es für den Feind nach dieser Seite kein Ausweichen mehr gab. 

Auch sonst waren im ganzen Korpsabschnitt die erhofften Ziele alle erreicht und gegen angesetzte feindliche Gegenangriffe überall gehalten worden.  

Unser verehrter Brigadier drückt mir in den Abendstunden seine Genugtuung und Anerkennung über unser einmalig gut liegendes Feuer unserer 10 cm Turmhaubitzen aus, welches wieder mitgeholfen hat, zum erreichten Erfolg seinen Beitrag zu leisten. Aber das Hauptverdienst gebührt meinen Artilleriebeobachtern, die unmittelbar hinter unserer vorgehenden Infanterie dieser auf den Fuß folgten und dank der wie durch ein Wunder immer heil gebliebenen telephonischen Verbindungen mit unserer Werksartillerie das Wirkungsfeuer ermöglichten.  

Unser Munitionsverbrauch war auch heute dementsprechend. Wir verbrauchten 2.341 Schuß 10 cm Haubitzmunition, mehr als ein Viertel unseres Munitionsbestandes. Aber wir haben die Genugtuung, mit jeder ausgefeuerten Batterielage unserer 10 cm Haubitzen das Blut unserer einmaligen Infanterie gespart zu haben und sie in ihrem schweren Ringen, soweit es unsere bescheidenen und schwachen Kräfte zuließen, unterstützt und ihnen geholfen zu haben.  

Aber meine Artilleristen waren auch Kerle! Mit Gewalt – es muß dies im Werkstagebuch vermerkt werden – mußten unsere Kanoniere, als nach 6 Stunden Dienst deren Ablöse kam, von den Haubitzen kommandiert werden, um ihnen die wohlverdiente Ruhepause zu gewähren, denn morgen wird wieder ein heißer Tag: Der Soglio d’Aspio muß erzwungen werden.  

Die Stimmung im Werk „Sebastiano“ ist einmalig. Nur frohe Gesichter, und überall, von unserem verehrten Brigadier bis zu letzten Offiziersburschen, das Bewußtsein: Wir werden es auch weiter schaffen. Noch zwei bis drei Tage, und der Frontdurchbruch ist restlos  geglückt.  

In unserem Werk herrscht ein ununterbrochenes Kommen und Gehen. Von den vielen Telephonen steht keines auch nur eine Minute still. Meine Leute schleppen aus der Felspoterne die dort gestapelten Munitionsverschläge der 10 cm-Haubitzen, damit für den  morgigen  Tag

vorgesorgt ist. Wir hatten speziell beim Beschuß der italienischen Vorstellung am Fuße des Soglio d’Aspio, um den Einbruch unserer 59er zu erzwingen, vorübergehend acht Schuß in der Minute pro Haubitze aus dem Rohr gebracht. Das war schon eine einmalige Leistung. Nicht die geringste Störung an der komplizierten Mechanik der Turmhaubitzen hatte sich ergeben. Unser Skodamonteur besichtigt soeben eingehendst jedes Geschütz. Alles wird frisch geölt, geschmiert, und lose gewordene Schrauben werden nachgezogen, damit es morgen früh ohne jede Störung weitergehen kann. 

 

16. Mai 1916  

Seit 6 Uhr früh hält – bei herrlichstem Wetter und ausgezeichneter Fernsicht – die Wucht unseres Artilleriefeuers von ca. 40 Batterien im Bereich unserer 3. Division jeden feindlichen Versuch, mit Gegenangriffen die gestern verlorengegangenen Positionen wieder rückzuerobern, nieder und zerschlägt diese erbarmungslos in deren Entwicklungsstadien. Wir unterstützen unsere 59er speziell bei der Osteria Fiorentini, woselbst der Feind viermal versucht, durch Gegenangriffe diese für ihn wichtige Stellung, welche die linke Flanke der Soglio d’Aspio-Stellung bedroht, zurückzugewinnen, durch unsere pausenlosen Batterielagen, die in den Reihen der Angreifer blutige Ernte halten und diese immer wieder zum Rückzug zwingen, und versuchen, sie zu entlasten und ihnen zu helfen. Als der Gegner die Nutzlosigkeit seiner weiteren Angriffe erkennt und diese einstellt, kommen wir gerade recht, um unseren 59ern beim Aufstieg auf den Soglio d’Aspio zu helfen und sie zu unterstützen, wo immer es notwendig ist. Um die Mittagszeit ist dieser Felskopf mit seinem Plateau endlich in unserer Hand, der Feind überall auf Rückzug in seine zweite, stark ausgebaute Verteidigungsstellung im Bereich des ganzen XX. Korps. 

Was den Feindbeschuß unseres Werke „Sebastiano“ selbst betrifft, war dieser schwach und ziel- und planlos. Der ganze Aufwand betrug ca. 25 Schuß Kaliber 28 cm und gab uns Zeugnis von der Nervosität, die unseren Gegner bereits befallen hat, da unser Truppen im Bereich der 180. Gebirgsbrigade Feldmarschall-Leutnant Edler von Verdroß dem Toraro- und Campomolonmassiv schon bedenklich nahe gerückt sind.  

Wohl erreicht heute der 14,9 cm Beschuß im Laufe des Vormittags mit dem Beschuß unserer rechten Werksflanke wieder einen Höhepunkt am Verbrauch seiner Munition. Soweit wir feststellen können, dürften mindestens an die 200 Schuß dagegen abgefeuert worden sein mit dem Ergebnis gleich Null. Gegen Beton und Panzer sind die 14,9 cm Granaten wirkungslos und ohne jedwede Störung der Arbeiten des Brigadekommandos. Es ist besser, er verpulvert seine 14,9 cm-Geschosse auf uns, statt sie gegen unsere Infanterie und deren Nachschub einzusetzen und Verluste zu verursachen. Die ca. 40 Schuß gegen unsere Werkszufahrt und den Trampelweg lagen ungenau, und es gab nur unbedeutende Schäden am Straßenkörper. Aber diese 14,9 cm Batterie ist nicht niederzuringen, so gut ist diese versteckt im Terrain angelegt. Seit gestern feuert ununterbrochen eine 15 cm Haubitzbatterie im Bereich der 180. Gebirgsbrigade auf den Toraro, aber die 14,9 cm Batterie feuert trotzdem ununterbrochen weiter. Nun, morgen wir der in Folgaria in Stellung befindliche 42 cm Mörser die Torarostellung unter Beschuß nehmen, und wir werden dann sehen, was dessen 1.000 kg schweren Geschosse mit 100 kg Ekrasitfüllung ausrichten werden. Angeblich soll die 42 cm-Haubitze Fliegerbeobachtung erhalten, um ihre kostbaren Geschosse ja sicher ins Ziel zu bringen. Bis jetzt war es trotz intensivster Beobachtung aller Artilleriebeobachter des XX. Korps nicht möglich gewesen, die genaue Lage der Torarobatterie festzustellen. Wir wissen nur, daß sich die Batterie unterhalb des unvollendeten Werkes Toraro befindet. Es kann sein, daß die einzelnen Geschützstände sogar kaverniert sind. Unser Werk war jedenfalls immer  der  erkorene  Liebling dieser Batterie. Wenn auch deren Sprenggranaten keinen Schaden anrichteten, so machte sich diese speziell in den letzten Tagen durch ihr Dauerfeuer sehr unangenehm bemerkbar, speziell, was den Verkehr auf der Werkszufahrt mit dem Zubringerweg in die Durerstellung und deren ganzen Abschnitt betrifft, da vor allem der Abtransport der Verwundeten empfindlichen Störungen unterworfen war. 

Auch in unserem rechten Nachbarabschnitt der 15. Infanteriedivision ging es auch heute sehr gut vorwärts, und es konnten trotz stellenweise heftigen Widerstands der Italiener, wobei eine italienische Stellung nach der anderen niederzuringen war, der Fuß und der Aufstieg zum Felsmassiv des Coston d’Arsiero (Kote 1.779) erreicht werden. Mit unseren zwei 10 cm Traditorhaubitzen können wir den Westhang im direkten Schuß morgen sehr gut unter Feuer nehmen und unserer Infanterie jederzeit Unterstützung gewähren. 

Da es in der vergangenen Nacht unseren Sappeuren gelungen war, die stellenweise sehr stark zerschossene Zufahrt und die Wege im Bereich unserer Brigade in den Raum Monte Coston-Osteria Fiorentini wieder halbwegs befahrbar zu machen, konnten fünf 7,5 cm Gebirgskanonenbatterien und zwei 10 cm Gebirgshaubitzbatterien in den Angriffsraum gebracht werden, die den Angriff aus nächster Nähe sicherlich wirksam unterstützen werden können. Laut Anordnung des Brigadekommandos hat meine Werksartillerie morgen ebenfalls den Angriff nach besonderen Weisungen mit „Punktfeuer“, wie mir unser Brigadier persönlich befahl, zu unterstützen. Auch die im Abschnitt Lavarone beim Werk „Gschwent“ befindlichen schweren Batterien (drei 15 cm Haubitz- und eine 10 cm Kanonenbatterie) werden den Angriff auf den Coston d’Arsiero flankierend unterstützen.

 

Unser Munitionsverbrauch betrug heute 1.276 Schuß 10 cm Haubitzmunition. Gegen drei Uhr nachmittags hatte die 10 cm Turmhaubitze Nr. III eine Bruch der Vorholfeder des Rohrrücklaufes, deren vorübergehende Störung aber vom Skodamonteur dank des Vorhandenseins von Reservefedern innerhalb einer ¾ Stunde behoben werden konnte.  

Unser Werkslazarett passierten heute bis 10 Uhr nachts 71 eigene Verwundete des Infanterieregiments Nr. 59 und 93 verwundete Italiener. Außerdem wurden ca. 2.500 Gefangene eingebracht und im Kehlgraben unseres Werkes gesammelt. Von hier aus mußte die weitere Eskorte durch ein Detachement meiner Werksartilleristen (zwei Unteroffiziere und 50 Mann) erfolgen, nachdem vom Brigadekommando unter dem Motto: „Im Werk sind mehr als genug Artilleristen zur Verfügung, die nicht gebraucht werden!“, der Befehl hierzu erteilt wurde. Von der Sammelstelle „Werk Sebastiano“ wurden die Gefangenen zum Sammellager in der Ortschaft Sebastiano über unseren Trampelweg als kürzester Verbindung nach dort eskortiert.  

Auch heute unterstützen wir den schwierigen Angriff unser 59er gegen den Soglio d’Aspio nach besten Kräften, und unser zielsicheres Feuer meiner vier 
10 cm Turmhaubitzen trug wieder zum errungenen Erfolg bei.
 

 

17. Mai 1916  

Ein Großkampftag im Gebirge, wie ihn die Kriegsgeschichte wohl kaum in einem solchen Ausmaß wie heute kennt, ist vorüber – und wieder zu unsere Gunsten dank unserer einmaligen Angriffsinfanterie entschieden worden. Unser Brigadier hatte beide Regimenter, Nr. 59 und Nr. 50, mit sechs Bataillone in der Front eingesetzt, um zunächst einmal den Coston d’Arsiero in die Hand zu bekommen und ließ diesen nördlich und südlich umfassen, um später leichter die in den Felsen gesprengten italienischen Gipfelstellungen zu bezwingen. Die Gipfelstellung glich den ganzen Tag über einem rauchenden Vulkan, wo pausenlos Geschosse aller Kaliber einschlugen. Mit meinen vier 10 cm Turmhaubitzen unterstützten wir die nördliche Umgehung, die zwei 10 cm Traditorhaubitzen den westlichen Teil des Aufstiegs zum Coston d’Arsiero. Unser Umfassungsangriff machte spezielle im nördlichen Abschnitt dank des überwältigenden eigenen Artilleriefeuers rasch sehr gute Fortschritte und erreichte in den Abendstunden bereits die Malga Fratte d’Arsiero, Bosco scuro und Boite della Fratte; dabei hatten wir im Laufe des ganzen Tages fünf italienische Gegenangriffe abzuweisen, gegen welche meine vier 10 cm Turmhaubitzen, dank der hervorragenden Feuerleitung meiner Außenbeobachter, mit Erfolg das ihrige zur siegreichen Abwehr beitrugen. 

Die eigentliche Felsplatte des Coston d’Arsiero selbst konnte heute leider noch nicht bezwungen werden; aber alle dafür bestimmten Angriffsbataillone stehen in Sturmstellung vor den letzten Widerstandsgruppen der Italiener, denen in ihren kavernierten Stellungen schwer beizukommen ist. Unsere Angriffsverbände beider eingesetzter Brigaden in unserem 3. Divisionsbereich sind, wir mir unser Brigadier, Generalmajor Müller, im Laufe des Abends mitteilt, etwas durcheinandergekommen, was bei dem unübersichtlichen Fels- und Waldgelände nicht zu vermeiden sei. Jedenfalls steht unsere 3. Division nach dem für morgen endgültig zu erwartenden Fall des Coston d’Arsiero unmittelbar vor der zweiten italienischen Widerstandslinie. 

Was unser Werk „Sebastiano“ für heute betrifft, war der 28 cm Beschuß unbedeutend; es wurden nur 15 Schuß abgegeben, welche zwei Einschläge auf der Decke des Kasemattenblocks und drei Einschläge auf dem Batterieblock erzielten, ohne größeren Schaden anzurichten. Das 14,9 cm Langrohrfeuer der Torarobatterie setzte bereits um 5 Uhr früh wieder gegen unsere rechte Werksflanke, die Kehlfront und die Werkszufahrt ein; bis 10 Uhr vormittags waren dagegen ca. 180 Schuß abgegeben worden.  

Gegen ½ 11 Uhr vormittags legte unsere 42 cm-Haubitze auf Folgaria los und sandte bis nach 1 Uhr mittags ihre 1.000 kg schweren Granaten auf die Stellung der Torarobatterie, um diese endlich lahmzulegen. Ab 11 Uhr vormittags war das Feuer der Torarobatterie verstummt; kein Schuß fiel mehr, und die vermutete Stellung der Batterie war in Rauch und Qualm gehüllt. Wir konnten den Beschuß ganz genau verfolgen, wenn dort ein 42 cm Geschoß einschlug und eine turmhohe Rauchwolke alles einhüllte. Der dumpfe Knall des Abschusses der ca. 4 km vom Werk entfernten 42 cm Haubitze auf Folgaria war gut zu vernehmen. Dann dauerte es noch 38 Sekunden, bis das Riesengeschoß auf Toraro einschlug und Tod und Verderbnis brachte. Bis 1 Uhr mittags, bei völliger Windstille und bester Fernsicht und Beleuchtung, gab die 42 cm Haubitze 20 Schuß ab, die von einem Artillerieflieger beobachtet wurden, der jeden Schuß genau korrigierte. Ein eigener Flieger ist eine Rarität, so etwas kennen wir gar nicht mehr. Seit vorigem Jahr – es ist fast genau ein Jahr her – haben wir keinen einzigen eigenen Flieger zu Gesicht bekommen, da angeblich die Steighöhe unserer Flugapparate zu gering war, um in größeren Höhen operieren zu können. Wir wünschen unserer 42 cm Haubitze vollen Erfolg, denn es war eine Meisterleistung, das schwere Geschütz auf der kurvenreichen und engen Gebirgsstraße von Calliano im Etschtal 1.500 m hoch nach Folgaria zu bringen.  

Weit über tausend italienische Gefangene marschierten heute wieder an der Kehlfront unseres Werkes vorbei, den Trampelpfad in die Gefangenschaft benützend, natürlich wieder von meinen Artilleristen eskortiert, da ich ja zu viele davon im Werk habe, die nicht wissen, was sie vor lauter Langweile anfangen sollen! Nun, es dauert ja nur mehr ein bis zwei Tage, dann ist unsere Rolle ausgespielt, und wir haben unsere Schuldigkeit dem Vaterland gegenüber  gemacht. In all den täglichen Heeresberichten seit Beginn des Krieges mit Italien wurde der Name unseres Werkes nicht ein einziges Mal erwähnt oder genannt. Daß aber das Vorhandensein der Lavarone-Folgariasperre über Sein oder Nichtsein des Tirolerlandes entschied, darüber ist man an hoher und höchster Stelle sicherlich genau im Bilde. 

Heute passierten bis in die späten Abendstunden nur 67 eigene Verwundete unser Werkslazarett. Sie wurden jedesmal sofort von unseren Sanitätsautos abgeholt und zum Feldspital in Folgaria gebracht. An nicht transportablen Verwundeten haben wir derzeit 68 Mann im Werk. Nach dem seit Vormittag ausgesetzten Feuer der 14,9 cm Batterie auf Toraro spielt sich der ganze Abtransport reibungslos wie im Frieden ab, und es ist um unser Werk ganz still geworden. Gegen 10 Uhr abends trifft noch ein Transport verwundeter italienischer Gefangener ein: zwei Offiziere, 17 Unteroffiziere und 109 Mann! Unsere Sanitäter haben alle Hände voll zu tun, um Verbände zu erneuern und die erschöpften Gefangenen zu laben. Über dreißig Verwundete wurden in Zeltblättern herangetragen, und schließlich bleiben 21 Man als nicht transportfähig im Werk zurück. Wir respektieren die „Rote-Kreuz-Fahne“ auf das Genaueste! Jeder eingebrachte Verwundete, ob Freund oder Feind, erhält die gleich Behandlung, und ich muß meinen Ärzten und deren Sanitätsgehilfen meine vollste Anerkennung aussprechen. In den tiefen und mit 3 m Beton überdachten Kasematten hört man von dem Donner hunderter Geschütze überhaupt nichts. Die gefangenen Italiener machen alle große Augen, wenn sie unser Werk sehen und können es gar nicht fassen, daß nach einem Jahr Krieg so etwas noch möglich ist, existiert, artilleristisch noch genau so stark wie vor einem Jahr ist und daß darin über 300 Mann leben und eine eingeschworene Gemeinschaft bilden, die es nie zugelassen haben, unser Werk in italienische Hand fallen zu lassen. 

Heute erzählt mir einer von den eingebrachten verwundeten Offizieren der italienischen Angreifer, der ausgezeichnet deutsch spricht, da er in Graz auf der technischen Hochschule studiert hat, daß ihnen schon vor Monaten immer wieder mitgeteilt wurde, daß die Werke von Folgaria-Lavarone nur mehr Schutthaufen sind und dort kein Lebewesen mehr existiert, da diese durch die italienischen 30,5 cm und 28 cm Haubitzen zertrümmert und zerschlagen wurden. Auch unser Brigadier unterhält sich eingehend mit den beiden italienischen Offizieren, die wir in unserer Offiziersmesse betreuen, bis deren Abtransport erfolgt. Als ich dem gefangenen Tenente unsere vier Turm- und die zwei Traditorhaubitzen während dem Ausfeuern der Batterielagen zeigte, blieb ihm tatsächlich vor Staunen der Mund offen, und er konnte es nicht fassen, daß so etwas nach einem Jahr Beschuß möglich ist.  

Unser Brigadekommando trifft bereits Vorbereitungen, in kürze, sobald der Coston d’Arsiero gefallen ist, seinen Gefechtsstand weiter nach vorne zu verlegen, um beim Angriff auf die zweite italienische Verteidigungslinie näher bei den angreifenden Truppen zu sein. Nun, etwas darüber hinaus über die zweite feindliche Linie reicht die Portee unserer 10 cm Haubitzen und werden die Bestände unserer 10 cm Haubitzmunition gerade noch reichen. Ersatz gibt es jedenfalls keinen mehr, wie mir der Munitionsreferent der Division heute versicherte. Die letzte feindliche Widerstandslinie erstreckt sich von der Tonezza über Melignone-Campomolon-Toraro bis zum Monte Maggio und soll mit allen Schikanen des Stellungsausbaus ausgestattet sein.  

Eine angenehme Überraschung möge im Werkstagebuch noch aufgezeichnet erscheinen. Nach erfolgter Räumung des Monte Coston durch unsere Verteidiger, unter denen sich auch unsere Artilleriebeobachter mit ihrem Gerät befanden, blieb die ganze, ca. 5 km lange Telephonleitung zu unserem Werk zurück, da es ausgeschlossen war, sie abzubauen und zu bergen. Nach der Rückeroberung des Monte Coston am 15. Abends durch unsere Truppen ordnete ich sofort an, daß von unseren Artilleriebeobachtern im Werk sofort auf dem Coston eine neue Beobachtungsstelle zur Feuerleitung unserer Werksgeschütze einzurichten ist. Dabei machten wir die freudige Feststellung, daß unsere im vorigen Jahr nach dort verlegten Drahtleitungen nahezu unbeschädigt aufgefunden wurden. Der Italiener hatte es scheinbar übersehen oder den Abbau der Leitungen nicht für notwendig befunden oder gar diese für seine Zwecke nutzbar zu machen. Wir ersparen uns durch diesen Zufall eine ganze Menge Arbeit mit der Neuverlegung der Leitung und von dem kostbaren Drahtmaterial, welches ohnehin sehr knapp in der Zuteilung ist und gute Verbindungen notwendig macht, um rechtzeitig das Material zu bekommen. 

 

18. Mai 1916  

Starker Morgennebel verhindert bis um 9 Uhr früh das vom 5. Brigadekommando  bereits für 6 Uhr früh vorgesehene nochmalige Wirkungsschießen gegen die noch nicht bezwungene Gipfelstellung auf dem Coston d’Arsiero (Kote 1.779), welche bereits im Norden gegen 7 Uhr früh durch das Infanterieregiment Nr. 21 umgangen worden war. Gegen 10 Uhr setzte das Wirkungsschießen der gesamten Divisionsartillerie und der zugeteilten schweren Batterien mit aller Wucht und Stärke ein, um die letzte, vom Feind zäh verteidigte Position, die Felsplatte, endlich zu bezwingen. Meine Werksgeschütze haben vorläufig noch Schußverbot, da unsere bescheidenen 10 cm Haubitzen gegen die tief in den Felsen gesprengten und zum Großteil kavernierten italienischen Stellungen nichts ausrichten können und dies den schweren Brocken vorbehalten ist. 

Gegen ½ 11 Uhr vormittags greift der Italiener mit während der Nacht herangeführten Verstärkungen überraschend in ununterbrochenen Sturmwellen mit der Brigade „Novara“ am Plateau von Baito Casalena östlich der Malga Fiorentini (zwischen dem Soglio d’Aspio und dem Coston d’Arsiero) an, um die bereits in unserem Besitz befindliche Nordflanke des Coston d’Arsiero zurückzugewinnen und dessen Verteidiger zu entlasten. Als die Absicht des Gegners einwandfrei erkannt war, erhält meine Werksartillerie Feuererlaubnis für meine 10 cm Turmhaubitzen. Leider können sich die zwei 10 cm Traditorhaubitzen nicht mehr an unserem Abwehrfeuer beteiligen, da der Angriffsraum des Italieners bereits außerhalb des beschränkten Bestreichungsfeldes der beiden 10 cm Traditorhaubitzen liegt. Aber dafür legen die vier 10 cm Turmhaubitzen los, was das Zeug hält. Zur Unterstützung unserer Infanterie in deren Abwehr feuern auch mehrere 7,5 cm Gebirgskanonen- und Gebirgshaubitzenbatterien, die bereits während der Nacht nach vorn gebracht werden konnten, nebst einigen schweren Batterien des Südabschnitts auf Lavarone um Werk „Gschwent“, vor allem aber Werk „Gschwent“ selbst, in den bedrohten Angriffsraum und legen Sperr-und Vernichtungsfeuer in die Reihen der immer wieder anbrandenden feindlichen Sturmkolonnen.  

Endlich, gegen 1 Uhr mittags, erkennt der Angreifer die Nutzlosigkeit seiner weiteren Versuche, das gestern verloren gegangene Terrain wieder in seinen eigenen Besitz zu bringen, ein und verläßt, von unserem zusammengefaßten Artilleriefeuer erbarmungslos verfolgt, die blutige Wallstadt. Etwa um die gleiche Zeit kapitulieren die auf der Felsposition des Coston d‘Arsiero sich tapfer schlagenden Italiener. Die durch unseren Beschuß zermürbten und seelisch erschütterten Italiener wandern unter Bedeckung in die Gefangenschaft.  

Als wenn der Fall des Coston d’Arsiero und die um seinen Bestand erbittert geführten feindlichen Gegenangriffe in den Vormittagsstunden ein letztes Aufflackern seines Widerstands gewesen wären, versagt nun sein weiterer Kampfeswille sehr rasch und bricht völlig zusammen.

Meine vier 10 cm Turmhaubitzen hatten heute in der Zeit von ca. ½ 11 Uhr vormittags bis gegen ½ Uhr nachmittags einen ganz enormen Munitionsverbrauch von ca. 2.000 Schuß 10 cm Haubitzmunition, und auch heute hat unser zielsicheres Feuer mitgeholfen, die italienischen Gegenangriffe zu zerschlagen und den Feind endgültig zu vertreiben. Der Erfolg unseres ausgezeichnet liegenden 10 cm Haubitzfeuers war aber wieder ausschließlich meinen zwei Artilleriebeobachtern auf Soglio d’Aspio und Monte Coston zu verdanken, die es unbeschadet des auf beiden Höhen liegenden feindlichen Beschusses verstanden hatten, jede unserer ausgefeuerten Batterielagen dorthin zu bringen, wo es notwendig war. Laufend wurde mir gemeldet: „Eigenes Feuer liegt deckend im Ziel!“, „Sehr gut!“, „Batterie rasch ausfeuern!“, “Ausgezeichnete Wirkung direkt in den feindlichen Stürmern!“ u.s.w. Ich hatte anfangs die 10 cm Turmhaubitzenbatterie in zwei Halbbatterien zu je zwei 10 cm Turmhaubitzen geteilt, um jederzeit, wenn es notwendig war, wenigstens zwei Ziele getrennt voneinander unter Feuer halten zu können. Ergaben sich bei den ununterbrochenen feindlichen Gegenangriffen einzelne Schwerpunkte in unserer Abwehr, konzentrierte ich sofort vorübergehend alle vier 10 cm Turmhaubitzen auf die gefährdeten Einbruchstellen unserer Abwehr. Unser Zielfeuer spielte sich, obwohl alles im indirekten Schuß abgegeben wurde, da das Ziel von meinem Beobachtungsstand nicht erkennbar war, wie im tiefsten Frieden, vom Feinde unbelästigt, ohne jedwede Störung und Zwischenfälle ab. Jede, auch die kleinste Korrektur der Schußelemente wurde auf das zuverlässigste von meinen Artilleristen ausgeführt, denn nur so war es möglich, daß wir die an meine Werksartillerie gestellten Aufgaben restlos mit Erfolg lösen konnten. 

Der Feindbeschuß auf unser Werk war heute überhaupt nicht der Rede wert. Erst gegen ½ 11 Uhr vormittags bedachte uns die 28 cm Haubitzbatterie am Venapaß mit ganzen zehn Schuß Granaten, die nur zwei Treffer erzielten, und zwar einen Einschlag auf der Decke des Kasemattenblocks und einen Einschlag in den Vorbeton des fixen Maschinengewehrpanzers am linken Flügel des Kasemattenblocks. Weitere vier Einschläge beschädigten die Eskarpe und die Kontereskarpe des linken Grabenauslaufs. Von einer bisher unbekannten 
14,9 cm Kanonenbatterie, scheinbar aber alten Modells, was aus den aufgefundenen sechs Blindgängern (gußeiserne Granaten) festgestellt wurde, sind im ganzen nur 28 Schuß gegen unsere rechte Werksflanke abgegeben worden, die aber keinen weiteren Schaden anrichteten. Wir erkennen auch beim heutigen Werksbeschuß, daß der Angriffswille des Feindes scheinbar schon gebrochen ist und er sich zu einer intensiven Werksbeschießung nicht mehr entschließen und aufraffen kann, da unsere Infanterie sich bereits in bedrohlicher Nähe seiner Batteriestellungen befindet.
 

Unser verehrter Herr Brigadier und alle Herren seines Stabes zeigen strahlende Gesichter über unseren heute errungenen Erfolg, der mit der endlichen Eroberung des Coston d’Arsiero seinen Höhepunkt erreicht hatte. Das Brigadekommando wird uns morgen verlassen und weiter vorne einen neuen Gefechtsstand beziehen. Ich benütze sofort die gute Stimmung unseres Herrn Brigadiers Generalmajor Müller, indem ich ihm unsere zusätzlichen Verpflegslisten mit den vielen Mankos mit der gehorsamsten Bitte unterbreite, diese zu unterzeichnen, damit mein Rechungsfeuerwerker und meine Persönlichkeit als Werkskommandant, der für jede ausgegebene Konserve und Zigarette verantwortlich ist, nicht zum Schluß vors Kriegsgericht kommen und den Mehrverbrauch aus unserer eigenen Tasche nachträglich bezahlen müssen. Ohne mit der Wimper zu zucken oder weitere Fragen an mich zu stellen, unterzeichnet unser Brigadier den ganzen Schriftkram und fügt nur mit einem Lächeln hinzu: „Ja, mein lieber Proksch, auch die weit vom Schuß sich aufhaltende Feldintendanz führt ihr eigenes Krieglein nach ihrer eigenen Fasson und ihren eigenen Ansichten. So ein Papierkrieg hat für die Herren der Feldintendanz seinen eigenen Reiz, und sie sind sich ihrer Macht und Stärke ebenso bewußt, wie wir vorne an der Front. Um den Sieg über unseren Erbfeind, den Italiener,  zu erringen, bombardieren diesen unsere Geschütze mit Granaten aller Kaliber solange, bis er mürbe und sturmreif ist. Für die Feldintendanz sind wir Frontkämpfer der Feind. Sie bombardiert uns anstelle der Granaten mit ihren unerschöpflichen Papiermengen, Standes- und Verpflegslisten, Nachweisungen und Empfangsbestätigungen noch und noch u.s.w. Diese Dienststellen sind leider ebenso notwendig wie unsere Kämpfer an der Front, aber die Intendanz ist überzeugt von jeder ihr unterstellten Dienststelle, die jede wiederum von der Hilfsbereitschaft der Intendanz voll und ganz abhängig ist, zum Schaden des Aerars von der Fronttruppe übers Ohr gehauen zu werden und glaubt aus dieser Überzeugung heraus, uns den Kampf ansagen zu müssen, damit sie bei eventuellen Mehranforderungen, die über die normalen Standesnachweisungen hinausgehen, nicht betrogen wird. Das war so, das ist so und wird, solange es Kriege gibt, immer wieder so sein.“ 

Diese einmalige Feststellung unseres Brigadiers Generalmajor Müller, die mir aus der Seele spricht, habe ich wörtlich ihrem Inhalt und ihrer Tatsachen nach sofort nach dieser Unterredung im Werkstagebuch für spätere Zeiten, wenn alles wieder einmal der Vergangenheit angehört, niederschriftlich festgehalten; denn ich kann als Werkskommandant des Werkes „Sebastiano“ ein Lied davon singen, was mir die Feldintendanz in dem Jahr Frontdienst im Werk „Sebastiano“ an Verdruß, Ärger und Kummer bereitet hat. 

Ich atme auf, als ich die unterfertigten Listen und Belege nun in Händen habe und diese meinen Rechnungsfeuerwerker in die Hand drücke und zu ihm sage: „Also mein lieber Scholz – diesmal sind wir beide dem Kriegsgericht in Pergine und seinen Auditoren knapp entwischt und haben diesen eine Menge Arbeit erspart!“  

Dafür gab es heute abend in unserer Offiziersmesse, woselbst Generalmajor Müller als höchster Offizier den Vorsitz führt, eine Feier mit Ende nie! Zu vorgerückter Stunde fragt mich unser Brigadier, listig blinzelnd, ganz im Vertrauen, ob all die heutigen aufgetischten Kostbarkeiten aus den Beständen des Mehrverbrauchs stammen. Ich rapportiere daraufhin sofort schlagfertig: „Mein Herr General, alle die Kostbarkeiten, die wir die Ehre hatten, Ihnen und Ihrem Stabe heute zu präsentieren, stammen alle aus ersparten Werksbeständen der Normalverpflegung.“  

Aber trotz des einmalig vergnügten Abends vergesse ich meine zwei Außenbeobachter nicht und lasse ihnen und ihren braven Telephonisten durch Träger von unseren heutigen Köstlichkeiten ebenfalls auf ihre Beobachtungsstände alles zubringen, damit sie nicht zu kurz kommen, wenn sie schon an unserer heutigen Siegesfeier nicht teilnehmen können. Auch die Werksbesatzung nimmt an unserer Siegesfeier teil und bekommt außertourliche doppelte Abendverpflegung, jeder Mann außerdem 20 Zigaretten und einen halben Liter Wein.  

Es läßt sich denken, daß die allgemeine Stimmung im Werk sehr animiert und gehoben war. Unsere ausgezeichnete Sängerrunde gab zu Ehren von Herrn Generalmajor Müller heimatliche, vertraute Sangesweisen zum besten, die dank des guten Vortrags und der ausgezeichneten Stimmen von uns Offizieren mit berechtigtem Applaus akklamiert wurden.  

Die diensthabenden Mannschaften schleppten unterdessen aus der Felspoterne zur Grabenstreiche die letzte dort gestapelte 10 cm Haubitzmunition zu den 10 cm Turmhaubitzen. Unser Munitionsbestand wird, wenn es morgen wie heute einen ebensolchen Großkampftag geben sollte, restlos aufgebraucht sein.  

Wir hatten aber auch in den letzten vier Tagen einen Munitionsverschleiß, wie wir uns einen solchen nie hätten träumen lassen. Wenn der Restbestand an Munition  morgen  zu  Ende geht, gibt es keinen Ersatz mehr dafür. Wenn wir nichts mehr zum Ballern haben, dann ist der Krieg für unser Werk „Sebastiano“ eben zu Ende. Im übrigen sind wir infolge der weit nach Osten vorgerückten Front mit unseren 10 cm Haubitzen an deren Porteegrenzen angelangt und könnten sowieso weiterhin keine Hilfe und Unterstützung mehr gewähren. 

Seit Beginn unserer Offensive am 15. Mai 1916 stellt sich der tägliche Munitionsaufwand auf Grund der Verbrauchsziffern der Munitionsnachweisung wie folgt dar:

 

Verbrauchs-
tag

Gesamt-
verbrauch

Granat-
schrapnells

Spreng-
granaten

15. Mai

2.342 Schuß

1.480

861

16. Mai

1.267 Schuß

729

538

17. Mai

1.390 Schuß

776

614

18. Mai

2.097 Schuß

1.064

1.033

 
4 Gefechts-
tage

 

7.095 Schuß

 

4.049

 

3.046

 

Durch unser Werkslazarett werden heute im Bereich unserer Brigade bis in die späten Nachtstunden 229 Verwundete, darunter 21 nichtransportable durchgeschleust, deren Abtransport an das Feldspital in Folgaria erst in den frühen Morgenstunden beendet war. Auch 661 gefangene Italiener, darunter elf Offiziere, wurden im Laufe des Tages in größeren und kleineren Gruppen bei uns abgeliefert und in drei Eskorten nach dem Gefangenenauffanglager in Sebastiano gebracht. 

Die Stimmung meiner Werksbesatzung ist wieder einmalig gut. Kein einziger Maroder oder ernstlich Erkrankter befindet sich im Werkslazarett!  

 

19. Mai 1916  

Mit größter Spannung wurde der Ablauf des heutigen Tages, der die Entscheidung im Bereich unserer 3. Infanteriedivision (5. Infanteriebrigade Generalmajor Müller und 15. Infanteriebrigade Generalmajor Phleps)  bringen sollte, erwartet. Sollte doch der heutige Tag die endgültige Entscheidung bringen, ob der Italiener nach seinen verlustreichen täglichen Niederlagen seit dem 15. Mai noch in der Lage sein wird, seine festungsmäßig ausgebaute zweite Verteidigungslinie über den Monte Meligano-Tonezza-Campomolon, alles im Bereich unserer Division, bei dem zermürbten Zustand seiner Truppen zu halten und zu verteidigen. Nach den gestrigen Fall des Coston d’Arsiero habe ich unsere auf dem Monte Coston befindlichen Artilleriebeobachter Leutnant Knöpfelmacher beauftragt, noch während der Nachtzeit seinen Beobachtungsstand auf den Coston d’Arsiero zu verlegen, damit ich in der Lage bin, durch nächste und dadurch beste Artilleriebeobachtung den für heute angesetzten Angriff auf dem Campomolon mit meiner Werksartillerie wirkungsvollst unterstützen zu können. 

Auch mein zweiter Artilleriebeobachter auf dem Soglio d’Aspio, Leutnant Sommer, erhielt den Befehl, in der Nähe der Malga Melignano eine neue Beobachtungsstelle einzurichten, damit wir auch hier in der Lage sind, beim vorgesehenen Angriff auf den Monte Melignano (Kote 1.648) diesen artilleristisch unterstützen zu können. Speziell beim Angriff auf den Monte Melignano konnte nur der Ost- und Nordhang desselben artilleristisch gefaßt werden, da beide Zielabschnitte bereits an der Porteegrenze unserer 10 cm Turmhaubitzen liegen. Die zwei 10 cm Traditorhaubitzen konnten gerade  noch  im  Bereich  ihrer  Seitenverschwenkung den Westabhang (Angriffsfron) des Campomolonmassivs (Kote 1.855) bestreichen und dem Angriff des Infanterieregiments Nr. 21 im direkten Schuß Unterstützung gewähren. Ein herrlicher Tag mit strahlendem Sonnenschein erlaubt uns die Bereitstellung und die Angriffsvorbereitungen unserer einmaligen Angriffsinfanterie durch unsere ausgezeichneten optischen Instrumente zu verfolgen. 

Auf unser Werk „Sebastiano“ und dessen ganzes Anland fällt kein einziger Feindschuß mehr. Auch sonst ist das italienische Abwehrfeuer an der unmittelbaren Front schwach und gegen früher kaum mehr der Rede wert und hindert in keiner Weise das Erreichen der Ausgangsstellungen unserer Infanterie für den erwarteten Angriff, welcher die endgültige Entscheidung zu bringen hatte. 

Unsere schweren Batterien beginnen erst gegen 8 Uhr früh mit dem Einschießen gegen die neuen Ziele. Meine Werksartillerie hat Befehl, solange mit der Feuereröffnung zuzuwarten, bis unsere Infanterie gegen die noch vom Feind besetzten Stellungen zum Angriff ansetzt. Mit meinen beiden Außenbeobachtern bin ich in ständiger Sprechverbindung und so über alles genau orientiert, was an der Front los ist.  

Auch unser Brigadekommando hat seit heute früh einen provisorischen Gefechtsstand auf dem Monte Coston bezogen, da Generalmajor Müller sich dort in unmittelbarer Nähe der Bereitstellung seiner Brigade mit den Infanterieregimentern Nr. 59 und 21 befindet. Gegen 9 Uhr vormittags greift das Infanterieregiment Nr. 21 den Campomolon, das Infanterieregiment Nr. 59 das Massiv des Monte Melignano an. Ich eröffne gegen ½ 10 Uhr auf Befehl unseres Brigadiers mit allen sechs 10 cm Haubitzen das Feuer, das zeitweise als leichte Feuerwalze unseren Sturmtruppen vorangeht. Gegen 10 Uhr vormittags bemerkt man gewaltige Rauchwolken über dem Monte Campomolon aufsteigen, und der dumpfe Schall von Sprengungen tönt zu uns herüber. Alle Meldungen von vorn lauten, daß der Feind kaum Widerstand leistet und der Angriff rasch und ohne Aufenthalt vorangeht.  

Unsere Angriffsinfanterie hat vor dem Angriff gelbe Fähnchen erhalten, die bei ihrem Fortschreiten des Angriffs in dem unübersichtlichen Terrain durch Winken markieren sollen, wie weit unser Angriff bereits vorgetragen ist, damit die eigene Artillerie nicht etwa auf sie schießt. Das angreifende Infanterieregiment Nr. 21 stößt kaum auf Widerstand und überrennt eine italienische Stellung nach der anderen, welche der Gegner fluchtartig verläßt, von den 21ern hart auf dem Fuß verfolgt. Um unsere eigenen Sturmkolonnen nicht zu gefährden, läßt der Artilleriechef der Division das Artilleriefeuer aller gegen den Campomolon in Aktion stehenden Batterien einstellen.  

Gegen ½ 11 Uhr vormittags hatten unsere vordersten Sturmkolonnen des Infanterieregiments Nr. 21 bereits das Plateau des Campomolon erstiegen, der Gegner aber war verschwunden und hatte diese einmalige Bergfestung kaum ernstlich verteidigt, sondern einfach verlassen und aufgegeben.  

Meine vier 10 cm Turmhaubitzen unterstützen ab ½ 12 Uhr mittags den Angriff des Infanterieregiments Nr. 59 gegen das Massiv des Monte Melignano (Kote 1.648), östlich des Campomolon. Nach kurzer Zeit räumen auch hier die Italiener die mit allen Mitteln der modernen Feldbefestigung ausgebauten Stellungen gegen ½ 1 Uhr mittags und gehen fluchtartig zurück, ohne an eine weitere Gegenwehr zu denken.  

Wir jagen noch einige Batterielagen den im unübersichtlichen Gelände verschwindenden Italienern nach – dann ist es aber für meine Turmhaubitzen Schluß,  da  deren  Porteegrenzen erreicht sind und auch sonst Gefahr bestünde, unsere den Italienern nacheilenden 59er durch Kurzschüsse zu gefährden. Zu diesem Zeitpunkt war auch die Rolle meiner Werksartillerie ausgespielt, da auch die vorrätige 10 cm Haubitzmunition nahezu zur Gänze, bis auf wenige Schuß als eiserner Werksbestand, verbraucht war und mit einer weiteren artilleristischen Unterstützung deshalb nicht mehr zu rechnen war. 

Für mein Werk „Sebastiano“ war mit dem heutigen Tage praktisch der Krieg beendet, nachdem wir nahezu auf den Tag genau ein Jahr lang die von unserem „Allerhöchsten Kriegsherrn, unserem Kaiser Franz Joseph“ anvertraute Stätte erfolgreich behaupten konnten und uns auch sonst immer bemüht hatten, soweit es unsere bescheidenen artilleristischen Kräfte zuließen, dazu beizutragen, daß der Enderfolg schließlich doch erreicht werden konnte.  

Unser heutiger Munitionsverbrauch betrug im Vergleich zu den vorhergegangenen Tagen nur 647 Schuß 10 cm Haubitzmunition, zum Großteil Granatschrapnells, und es verblieb nur ein kleiner Rest von 82 Schuß als eiserner Bestand übrig. Unser Munitionsverbrauch vom 15. Mai 1916 bis zum 19. Mai 1916 mittags 1 Uhr betrug 7.824 Schuß 10 cm Haubitzmunition, je zur Hälfte Granatschrapnells oder Sprenggranaten mit Doppelzünder.  

Pausenlos werden auch heute in größeren und kleineren Trupps 1.802 italienische Gefangene, darunter elf Offiziere, zu uns gebracht, die ich alle im Kehlgraben des Werkes sammeln lasse und in größeren Abteilungen bis in die späten Abendstunden, eskortiert von einer Wachmannschaft meiner Werksbesatzung, an das Gefangenenlager in Sebastiano überstellen lasse.  

Auch 65 Verwundete der Infanterieregimenter Nr. 59 und Nr. 51 passieren bis zum Abend unser Werkslazarett, um von dort in das Feldspital in Folgaria abgeschoben zu werden. Im Werk selbst sind bis heute Abend noch 79 derzeit nicht transportable Verwundete untergebracht.  

Wie mir unser verehrter Herr Brigadier, Generalmajor Müller, von seinem Gefechtsstand gegen 5 Uhr abends mitteilt, wird er heute abend nochmals mit seinem Stab bei uns nächtigen und das letzte Mal unser Gast sein, um uns dann morgen früh endgültig und für immer zu verlassen.  

Bis auf den notwendigen Wachdienst gebe ich meinen Leuten heute dienstfrei; sie erhalten, wie gestern, doppelte Abendrationen nebst 20 Zigaretten und ½ Liter Wein pro Mann. Nachdem die Gefahr mit dem Kriegsgericht ja nun endgültig gebannt ist, kann mein Rechungsfeuerwerker sich diese Großzügigkeit erlauben. Meine Leute haben sich im Verlaufe dieses Jahres einen zweiten gemütlichen Abend, gleich wie gestern, wohl verdient. Besser, meine Leute schwelgen einmal im Überfluß und genießen ihre Siegesfreude in lustiger, ungetrübter Stimmung; denn alles das, was an Werksverpflegung übrig bleibt, müssen wir ja an unsere Nachfolger, die nach uns kommen, übergeben. Alles können wir nicht mitschleppen, denn unser Verweilen im Werk wird nicht von langer Dauer sein, wenn wir dem alten, vertrauten Gemäuer „Ade“ sagen müssen, das wir wohl kaum je wiedersehen werden.  

Unser Herr Brigadier trifft mit seinem Stab gegen 7 Uhr abends in bester Stimmung im Werk ein, und es gibt ein großes Abschiedsdinner, und dabei haben meine Köche wieder bewiesen, daß sie ihr Können unter Beweis stellen konnten. In einem feinen Restaurant in Trient hätten wir nicht herrlicher in all den Genüssen, die Keller und Küche boten, schwelgen können, was unsere Werksküche unseren Gästen vorsetzte. 

 

20. Mai 1916  

Unser Brigadestab hat uns heute früh um 6 Uhr endgültig verlassen, um irgendwo am Passo della Vena seinen neue Gefechtsstand zu beziehen. Ich ließ meine Werksbesatzung im Kehlgraben antreten, wir Offiziere am rechten Flügel, und wir bezeugten unserem scheidenden Brigadier Generalmajor Müller unsere letzte Ehrenbezeigung. Nach einer kurzen Ansprache an die angetretene Werksbesatzung verabschiedete sich unser Brigadier von uns Werksoffizieren, indem er mir seine vollste Anerkennung für die seiner Brigade geleistete Unterstützung ausdrückte. Ein langes Händeschütteln mit den Herren seines Stabes, und wir sind wieder einmal alleine. Das geschäftige Leben und Treiben hat sein Ende gefunden. 

Ich habe mir noch vor dem Auszug des Brigadestabs von Herrn Generalmajor Müller die Erlaubnis erbeten, den Durchbruchsraum unserer 5. Infanteriebrigade gruppenweise besichtigen zu lassen, was sofort bewilligt wurde. Auch wir Werksoffiziere besehen uns die Felsenburg des Coston d’Arsiero und staunen, was die italienische Befestigungskunst alles geleistet hatte. Und trotzdem mußte die für uneinnehmbar gehaltene Befestigung dank unserer einmaligen Angriffsinfanterie schließlich kapitulieren, obwohl man sich dort, reichlichst mit allem versorgt, Monate hätte halten können. Wir finden auch am Passo della Vena die verlassene Batteriestellung der zwei völlig unbeschädigten 28 cm Haubitzen, die uns ein langes Jahr hindurch mit ihren 
28 cm Granaten oft hart zusetzten und uns manchen Schaden bereiteten, und die heute wie zwei vorweltliche Ungeheuer tot und stumm, umgeben von Bergen von 28 cm Geschossen, keinen Schaden und Schrecken mehr anrichten werden. Was da sonst an Beute, Kriegsgerät, Ausrüstung und Verpflegung der Feind zurückgelassen hatte, ist gar nicht zu beschreiben und mengenmäßig zu bemessen. Tief beeindruckt von dem vielen Gesehenen, wie es auf der Feindseite aussieht, kehren wir erst spät in den Abendstunden in unser Werk zurück.
 

Was aber unser Leute alles an Konserven, Zigaretten und Getränken nach der Besichtigung der italienischen Stellungen heranschleppen, ist unglaublich. Sogar zwei große, geschlachtete Schweine bringen die Kanoniere, in italienische Zeltblätter gehüllt, zu unserer Werksküche, welche unsere Köche sofort für heute Abend zu Schweinebraten verarbeiten.  

Ich lasse heute, am letzten Tag unseres Aufenthalts in unserem vertrauten Gemäuer, meine Werksbesatzung noch einen schönen Abend machen und sehe und höre einmal nichts, wenn die bisher straffe Disziplin ein wenig gelockert ist.  

Während meiner Abwesenheit traf bereits vormittags ein Befehl des Landesverteidigungskommandos für Tirol ein, laut welchem wir morgen, am 21. Mai 1916, feldmarschmäßig gepackt nach Trient zum Kader des Festungsartillerieregiments Nr. I abzurücken haben. In Calliano ist Nächtigung vorgesehen, und am 22. Mai haben wir uns in Trient zu melden. Auch die Feldintendanz meldet sich für morgen vormittag an, um all die ganze Werksausrüstung, das Mobilar und Waffen und Gerät sowie alle vorhandenen Verpflegsbestände durch einen Beauftragten zu übernehmen und sich einzuverleiben. Im Werk selbst verbleiben nur unser Werksarzt mit seinen Sanitätern, unser Fortifikationswerkmeister, der Skodamonteur und die Monteure für Überholungsarbeiten an den seit einem Jahr ununterbrochen in Betrieb befindlichen Dieselmotoren. Ein Wachdetachement wird von der Feldintendanz gestellt.

Nur mein Rechnungsfeuerwerker und sein Schreiberpersonal sowie meine Persönlichkeit haben die voraussichtlich Nacht über zu tun, um all das viele Papier vorzubereiten, was für die morgige Übergabe notwendig ist, damit die Feldintendanz zu ihrem Recht kommt und alles dasjenige vorfindet, was erhalten blieb und nicht zerstört wurde. 

Nach dem Abtransport der letzten im Werk untergebrachten Verwundeten, sobald diese transportfähig sind, haben auch unser Werksarzt und das Sanitätspersonal nach Trient abzugehen und sich bei mir zu melden. Soviel ich erfahren habe, bekomme ich eine neue, schwere 15 cm Feldhaubitzbatterie, die soeben von Skoda in Pilsen geliefert wurde, zur Ausbildung und Übernahme mit meinen bisherigen Artilleristen zugeteilt, als deren Kommandant ich vorgesehen bin.  

Wie schnell das Jahr mit seinen Leiden, Mühen und Plagen vorübergegangen ist, und wie schnell wird alle vergessen sein! Leider erlaubt es mir die Zeit nicht, noch einmal unseren vielen gefallenen Kameraden am Heldenfriedhof in Folgaria die letzte Ehre zu erweisen, denn dies würde einen Tag erfordern und soviel Zeit haben wir nicht; denn Befehl ist Befehl!  

 

21. Mai 1916/16 Uhr 11 vormittags  

Die Werksübergabe ist durchgeführt; alles wurde übergeben und ging glatt und ohne Anstand vorüber. Der Herr Oberakzessist der Feldintendanz war ein sehr verständnisvoller Militärbeamter (Reservist), der ebenfalls froh war, alles hinter sich zu bringen. Die von Herrn Generalmajor Müller unterschriebenen Listen, Belege und Anlagen habe ich ihm feierlich überreicht und meine schriftliche Entlastung der Intendanz dazu erhalten. Ja, beim Aerar geht alles genau nach seiner Dienstvorschrift; zuerst das Papier, dann die Unterschrift, und erst dann ist für den Verantwortlichen alles erledigt. 

In den Vormittagsstunden trifft auch das Bewachungsdetachement mit zwei Unteroffizieren und 16 Mann ein. Ebenfalls vom Kader des Festungsartillerieregiments Nr. I in Trient kommen fünf Trainfuhrwerke und zehn Tragtiere für den Abtransport der Batteriebagage. Auch unsere Reitpferde für unsere Offiziere, die seit einem Jahr irgendwo in einem Stall in Sebastiano auf uns warteten, treffen ein, und wir fühlen uns nun wieder als ganze Soldaten, obwohl uns das Reiten und Marschieren anfänglich ungewohnt sein wird.  

Um 11 Uhr mittags gibt es die letzte Werksmenage, nochmals einen Rundgang durch alle Räume des Werkes „Sebastiano“, Abschied von unserem treuen Werksarzt und seinen Gehilfen sowie ein Gruß und ein Wunsch zur baldigen Genesung an die noch im Werk befindlichen, verwundet zurückbleibenden Kameraden.  

Unser unermüdlicher Fortifikationswerkmeister und der einmalige und brave Skodamonteur meldeten sich bei mir ab, und die in Reih‘ und Glied angetretenen Mannschaften treten schwer bepackt den Marsch in das Hinterland an, einer neuen Zukunft entgegen.  

Der letzte Eintrag im Werkstagebuch „Sebastiano“ schließt mit den Worten des Werkskommandanten, Hauptmann Proksch: 

„Unser Herrgott und die Heilige Barbara haben uns in Not und Gefahr ein langes Jahr hindurch immer geholfen, weshalb wir auch, trotz aller Leiden, Nöte, Entbehrungen und Gefahren, immer gläubig auf sie vertraut haben. Unser unerschütterlicher Glaube hat uns geholfen, die schweren Zeiten zu überstehen und daß wir Überlebenden auch weiterhin unserem Vaterland , wo es Not tut, dienen und unsere Pflicht erfüllen werden, wie bisher.“

 

 

Hauptmann Proksch

Werkskommandant  

Reschovsky

Oberakzessist der Feldintendanz Folgaria  

Sommer

Stabsfeuerwerker und Rechnungsunteroffizier

Im Werk „Sebastiano“  

Werk „Sebastiano“ am 21. Mai 1916

Mit dem Abzug der Besatzung des Werks „Sebastiano“ nach dem erfolgreichen Durchbruch der italienischen Stellungen auf der Hochebene von Folgaria durch die k.u.k. Truppen enden die Eintragungen des Werkskommandanten; Hauptmann Proksch, im Werkstagebuch. 

Noch im Mai 1916 wurden die Schäden, die im ersten Kriegsjahr am Werk „Sebastiano“ entstanden waren, durch den Erbauer des Werkes, den Hauptmann im Geniestab Eugen von Luschinsky, genau untersucht. Über das Ergebnis erstattete dieser folgenden Bericht:

 

Bauzustand des Werkes „Sebastiano“

am 30. Mai 1916

 

An Ort und Stelle durchgeführte Besichtigung und Schadensfeststellung, die im Auftrag des Generalgenieinspektors sowie der VIII. Abteilung des Kriegsministeriums durch Hauptmann im Geniestab Luschinsky erfolgten. 

Das Werk „Sebastiano“ erhielt ca. 3.500 Schüsse vom Kaliber 28 cm und an die 10.000 Schuß vom Kaliber 15 cm auf das Werk und das Anland desselben zugedacht. Der 15 cm Beschuß erfolgte hauptsächlich auf die Hindernisse, die Zufahrtsstraße und als Beunruhigungsfeuer während der Nachtzeit, um die laufenden Ausbesserungsarbeiten (Betonarbeiten auf den Werksdecken) zu stören. 

Nach den mir gemachten Angaben des Werkskommandanten, Hauptmann Proksch, sind ca. 40% der auf das Werk „Sebastiano“ verfeuerten 28 cm-Bomben als Treffer innerhalb des begrenzten Werkes zu rechnen.  

Die durch den Beschuß erzielten Wirkungsresultate können als relativ gering bewertet werden. Das Endresultat nach einer einjährigen Beschießung war, daß alle sechs 10 cm-Haubitzen und die zwei 6 cm-Minimal-schartenkanonen in der Grabenstreiche und alle 16 Maschinengewehre am 18 Mai 1916 nach erfolgtem Durchbruch der italienischen Front vollkommen intakt geblieben sind und zur weiteren Verfügung bereitstehen. Der Großteil der entstandenen Verluste an Mannschaften soll nur bei Außenarbeiten (Trägerdienste und Betonarbeiten) entstanden sein.  

An bemerkenswerten Treffer sind hervorzuheben:  

Die Turmhaubitze Nr. 31 (Turmhaubitze Nr. IV des Werks „Sebastiano“) erhielt ca. 12 Treffer in den Vorbeton, welchen diese nach und nach abräumten, worauf ein 28 cm Treffer den Vorpanzer unterfuhr, wodurch die Mobilität der Panzerkuppel zwei Tage aufgehoben war. Die schon vorher ausbetonierte Ringgallerie hinter dem Vorpanzer hatte sich dabei großartig bewährt, da diese nicht durchschlagen, sondern nur nach innen gedrückt wurde und nahezu die ganze Schockwirkung auffing.  

Die rechte Mittelhaubitze (Turmhaubitze Nr. 29)  (Turmhaubitze Nr. II des Werks „Sebastiano“) erhielt einen zentralen Treffer auf die Panzerkuppel, der ca. 18 cm tief in den Panzer eindrang. Die 28 cm Geschoßspitze blieb im Panzer stecken. Im Turmraum war nicht die geringste Wirkung zu bemerken, und an der Einschlagstelle war nicht einmal die Farbe abgeblättert. In der Panzerkuppel sind keine Risse und Sprünge.  

Der drehbare Maschinengewehr- und Beobachtungspanzer am rechten Flügel des Kasemattenblocks hat sich dagegen nicht bewährt. Nach sukzessiver Abräumung des Vorbetons wurde der Vorpanzer getroffen, aber nicht durchschlagen. Durch die Chockwirkung wurde allerdings der Vorpanzer an der Auftreffstelle so stark deformiert, daß die Drehbarkeit der Panzerkuppel bleibend aufgehoben ist.  

Die Panzerkuppel des fixen Maschinengewehrpanzers am rechten Flügel des Batteriekomplexes wurde von einer 28 cm Bombe gestreift; diese riß aber nur eine 6 bis 8 cm tiefe Rille in den Panzer, ohne weiteren Schaden anzurichten. Die 28 cm Bombe, die nach dem Abgleiten auf dem Panzer als Geller wirkte, schlug dann in die Betondecke der linken Flanke des Kasemattenblocks ein und erzielte einen Sprengtrichter von 1 m Tiefe und nahezu 2 m Durchmesser am oberen Trichterrand.  

Die Traditorenanlage sowie die Grabenflankierung haben trotz vieler Treffer keinen Schaden erlitten. Das gleich gilt für alle hinter Panzern etablierten Maschinengewehre.

Die 28 cm Bomben konnten weder auf dem Kasematten- noch auf dem Batterieblock einen Deckendurchschlag erzielen, obwohl die Decken sehr oft getroffen wurden, darunter wiederholt an Stellen, wo zwei oder drei 28er die gleiche Stelle trafen. Die Besatzung hatte es auch hier – wie in den Lavaronewerken – verstanden, in den beschußfreien Zeiten und Nächten immer wieder die entstandenen Betonschäden auszubessern. 

Nur beim Munitionsraum neben der Traditorenbatterie im Kasemattenkomplex am rechten Flügel wurde die Frontmauer desselben nach mehreren Treffern auf der gleichen Stelle durchschlagen, und dort kam es zur Innenexplosion. Da aber der Raum bereits geräumt war, blieb die Sprengwirkung der 28 cm Bombe lokal auf den getroffenen Raum beschränkt.  

Sehr unangenehm hat sich das Fehlen eines gedeckten Zugangs zum Werk „Sebastiano“ fühlbar gemacht, da die in Feindsicht liegende Werksstraße, die in den Kehlgraben des Werkes mündet, für den Verkehr bald unbrauchbar geworden war. Es wurde deshalb an die Schaffung einer Felspoterne aus dem unter der Traditorenbatterie gelegenen Magazin geschritten; diese führte zum Hinterhang des Werke (Dosso del Cherle), was eine fühlbare Entlastung für die Werksversorgung brachte.  

Auch das Fehlen einer leistungsfähigen Lüftungsanlage hat sich während Zeiten schweren Beschusses sehr empfindlich fühlbar gemacht. Speziell die Küche und die Dieselmotorenräume waren zeitweise derart heiß und mit schlechter Luft erfüllt, daß der Aufenthalt dort kaum erträglich war. Ein weiteres Versäumnis war das Fehlen einer genügenden Anzahl von Ausgängen auf das Verdeck des Kasematten- und Batterieblocks, um diese im Bedarfsfall rasch besetzen zu können. Auch die Unterbringung der zeitweise über 400 Mann starken Werksbesatzung machte größte Schwierigkeiten, da dazu der vorhandene Belagsraum nicht ausreichte. Die vielen Landsturmarbeiter mußten in den Gängen und Poternen am nackten Betonboden ihre Schlaf- und Ruhebedürftigkeit finden, was den übermüdeten und alten Landstürmern sehr schlecht bekam.  

Als Resümee kann gesagt werden, daß das Werk „Sebastiano“ die feindliche Beschießung mit 28 cm Bomben sehr gut überstanden hat und sowohl in seiner aktiven als auch passiven Kampfkraft nichts eingebüßt hat. Es kommt demselben heute noch der gleich Wert zu, als bei Kriegsbeginn mit Italien vor einem Jahr.  

Allerdings darf dazu nicht unerwähnt bleiben, daß das Werk „Sebastiano“ keinem intensiven Beschuß durch 30,5 cm Kaliber ausgesetzt war, sondern nur durch Kaliber 28 cm, und dadurch ungleich geringerer Wirkung des Einzelschusses als beim 30,5 cm Kaliber.  

Luschinsky, Hauptmann im Geniestabe

 

 

Bereits im Juni 1916 begann man damit, das Werk „Sebastiano“ wieder vollkommen instandzusetzen. Da das Werk trotz der Frontverbesserungen durch die Offensive vom Mai/Juni 1916 immer noch in der Nähe der neuen Frontlinie lag, wurde das Werk nicht – wie die Lavaronewerke – desarmiert, sondern alle vier 10 cm Turmhaubitzen sowie die zwei 10 cm Haubitzen der Traditorenbatterie und die beiden 6 cm-Minimalschartenkanonen in der Grabenstreiche wurden im Werk belassen. Lediglich die Maschinengewehre mussten bis auf einige wenige Exemplare ausgebaut und abgegeben werden. 

In Kampfhandlungen war das Werk „Sebastiano“ bis zum Ende des Krieges allerdings nicht mehr verwickelt. Beim Zusammenbruch der Italienfront Anfang November 1918 versuchte die Werksbesatzung, Widerstand zu leisten, was aber durch die Desertation eines Teils der Besatzung misslang.

Werk „Sebastiano“ 
nach dem Ersten Weltkrieg
 

Das von den Österreichern still und heimlich verlassene Werk „Sebastiano“ war in den letzten Tagen des Ersten Weltkriegs den vorrückenden italienischen Truppen unversehrt in die Hände gefallen und ging zunächst in das Eigentum des italienischen Staates über. Mit Königlichem Dekret vom 12. August 1927 
Nr. 1882 wurde es aus dem Verzeichnis der militärischen Werke gestrichen, ab 01. Oktober 1931 der Gemeinde Folgaria gegen eine jährliche Anerkennungsgebühr von 150 Lire verpachtet und ging am 18. Mai 1935 durch Kauf endgültig in den Besitz dieser Gemeinde über. 

Im Jahre 1935 verkaufte die Gemeinde Folgaria, die schon im Jahr zuvor ihren Haushalt nicht hatte ausgleichen können und von der Präfektur der Provinz Trient aufgefordert worden war, entweder zu sparen oder die Einkünfte zu vermehren, das gesamte noch vorhandene Eisenmaterial in den drei Folgariawerke für den Betrag von 165.000 Lire an das Abbruchunternehmen Amadeo Briata aus Rovereto und gestattet ihm damit die Demolierung der von der Bausubstanz her noch intakten Werke. 

Was die Altmaterialsammler in den ersten Nachkriegsjahren von den vorhanden Metallteilen noch übriggelassen hatten, insbesondere die Panzerschilde und die I-Träger der Werksdecken, wurde noch im gleichen Jahr mittels Dynamit herausgesprengt und abtransportiert. Das Werk „Sebastiano“ wurde dabei weitgehend zerstört, zurück blieb nur noch ein Trümmerhaufen. Die Panzerkuppeln der vier Turmhaubitzen, die für einen Abtransport offensichtlich zu schwer waren, blieben allerdings zurück und wurden erst während des Zweiten Weltkriegs verwertet. 

Erst in den letzten zehn Jahren des 20. Jahrhunderts erinnerte man sich wieder an die alten k.u.k. Festungen auf der Hochfläche von Folgaria. Ab dem Jahre 1990 begannen die Gemeinde Folgaria und die Autonome Provinz Trient damit, die traurigen Überreste des Werks „Sebastiano“ zu restaurieren und zu sichern. Der von den Sprengungen herrührende Fels- und Betonschutt wurde abtransportiert, die Verbindungsgänge im Kasematten- und im Batterieblock sowie die unterirdische Poterne zwischen den beiden Werksteilen wurden wieder begehbar gemacht. Die Aufgänge zu den Geschütztürmen der Panzerbatterie sind heute wieder möglich, die ehemaligen gepanzerten Kalotten aus Beton nachgebildet. In den letzten beiden Jahren wurde der die ganze Ruine überwuchernde Baumbewuchs entfernt und auch die ehemalige Grabenstreiche vom Sprengschutt befreit. Schließlich stellte man im Kehlgraben und in der Nähe von markanten Werksteilen Schautafeln auf, die dem interessierten Besucher in italienischer und deutscher Sprache Hinweise zur Geschichte und zur militärischen Bedeutung dieses ehemaligen k.u.k. Panzerwerkes geben. 

Besucht man heute die Ruinen des Werks „Sebastiano“, dann kann man –natürlich mit einer Taschenlampe ausgestattet und mit der nötigen Vorsicht – den Kasemattenblock durch den ehemaligen Werkseingang betreten, den Verbindungsgang im Parterre zu den einzelnen Kasematten, die allerdings eingestürzt sind, nach beiden Richtungen begehen, durch die unterirdische Poterne in den Batterieblock hinüberwechseln und vom Batteriehohlgang aus durch die ehemaligen, nunmehr gesicherten Geschützbrunnen auf das Verdeck hinaufsteigen. Der Front- und der rechte Flankengraben lassen ihre ehemalige Ausdehnung erahnen, und auch in der Grabenstreiche erkennt man noch den Grundriss der Anlage und kann einen Blick in die – leider vollkommenen verschüttete – Verbindungspoterne zum Batterieblock werfen. Von dem nachträglich hergestellten gedeckten Zugang vom Hinterhang des Werkes in die ehemalige Traditorenbatterie sind keine Spuren mehr vorhanden.

   

 

 

zurück zum Verteiler