" Werk Sebastiano " Kriegstagebuch des Werkskommandanten " Werk Cherle " Entnommen aus dem Roman Die Uhrheberrechte bei den Seiten liegen bei Albin Kühnel und sind auszugsweise auch in abgeänderter Form, auf Papier oder Datenträgen verboten.
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Die
II. Beschußperiode Die
italienische Führung war nach dem Scheitern des ersten
Offensivsprungs auf den Hochflächen von Folgaria und Lavarone zu der
Auffassung gelangt, dass die österreichische Widerstandslinie
zwischen dem Monte Maggio und der Cima di Vezzena nicht nur
ausgezeichnete Bedingungen für die Abwehr bot, sondern dass sie auch
vorzüglich geeignet war, aus der Defensive in die Offensive überzugehen.
Sie hielt es daher für zwingend notwendig, auf den Hochflächen
erneut anzugreifen, um den Gegner von seinen als Angriffsbasis
dienenden Panzerwerken abzuschneiden und eine Linie zu erreichen, die
auf Grund ihrer geringeren Frontausdehnung einerseits und wegen ihrer
beherrschenden Lage andererseits besser geeignet war, die Abwehr
sicherer und einfacher zu machen, als die bisherige. Als dafür
besonders geeignet wurde eine Linie angesehen, die vom Monte Cimone
(Kote 1.529, nördlich von Lavarone gelegen) bis zum Doss del Sommo
(auf dem das k.u.k. Panzerwerk „Serrada“ stand) verlief. Der
Misserfolg vom 30. Mai 1915 hatte der italienischen Führung gezeigt, dass
es für überraschende Angriffe und für Unternehmungen mit
schwachen Einheiten bereits zu spät war. Es bedurfte vielmehr einer
Reihe von ernsten Vorbereitungen, die nicht nur die Monate Juni und
Juli 1915 in Anspruch nahmen, sondern bis Mitte August dauerten. Ein
Grund für die verhältnismäßig lange Dauer dieser Vorbereitungen
war die Notwendigkeit, zahlreiche mittelschwere und schwere Geschütze,
die im Mai und Juni ausgefallen waren, ersetzen zu müssen. Auch mussten
die ziemlich erschöpften Munitionsvorräte wieder aufgefüllt werden,
und zwar so, dass sie einem Unternehmen von beträchtlicher Dauer und
mit dem Ziel, erfolgreicher zu sein als man es im Mai und im Juni war,
in jeder Hinsicht gerecht wurden. Am
14. August 1915 erließ der Kommandeur des italienischen V.
Armeekorps, Generalleutnant Zoppi, den Angriffsbefehl Nr. 3, in dem
der auf der Hochfläche von Folgaria angreifenden 9. Division als
Nahziel die Eroberung der Linie Monte Maronia - Plaut - Durer und -
zusammen mit der auf der Hochfläche von Lavarone angreifenden 34.
Division - als Fernziel das Erreichen der Linie Monte Cornetto - Monte
Finocchio vorgegeben wurde. Für
den Angriff auf der Hochfläche von Folgaria stellte das V. Armeekorps
folgende Truppenverbände der 9. Division bereit: Die Alpinibataillione „Val Leogra“ und „Vicenza“; das Infanterieregiment Nr. 154; das Infanteriebataillon Nr. II/79; das 2. Bersaglieriregiment und das
XLI. Bersaglieribataillon. Als
Divisionsreserve wurden im Raum Posina-Laghi vorgehalten: Das
Kommando der Brigade „Roma“ mit den Infanteriebataillonen I und
III/79 sowie das Infanterieregiment Nr. 159 der zur 35. Division gehörenden
Brigade „Milano“. Der
italienische Artilleriepark im Raum Folgaria - Fiorentini war
folgendermaßen bestückt: Vier
280 cm C-Haubitzen und vier 149 G-Kanonen auf dem Monte zwei 280 cm C-Haubitzen und vier 75 A-Kanonen auf dem Monte Toraro; drei 280 cm-C-Haubitzen am Borcolapass; vier 149 A- und vier 149 G-Kanonen bei den Tonezzaspitzen; acht 149 G-Kanonen auf der Costa di Mesola; vier 75 A-Kanonen auf dem Monte Melegnon; vier 75 A-Kanonen auf der Forcella Valbona; vier 75 A-Kanonen auf dem Monte Gusella und vier
75 A-Kanonen auf dem Monte Maggio. Insgesamt
49 Geschütze, zu denen noch eine auf dem Col Santo postierte Bei
den österreichischen Verteidigern des Folgariaabschnittes hatte sich
zahlenmäßig nicht viel geändert: Die schwachen, aus Kaiserjägern,
Landesschützen, Tiroler Landstürmern und Standschützen zusammengewürfelten
Einheiten
konnten Mitte August 1915 lediglich durch das I. Bataillon der „Oberösterreichischen
Jungschützen“ verstärkt werden, die aber am 05. September 1915
bereits wieder abrücken mussten. Als
Ersatz dafür traf am gleichen Tag das X. Marschbataillon des oberösterreichischen
k.u.k. Infanterieregiments „Ernst Ludwig Großherzog von Hessen und
bei Rhein“ Nr. 14 ein, eine Elitetruppe, die bisher an der
Dolomitenfront gekämpft hatte und nunmehr mit der Verteidigung des östlichen
Lavaroneabschnitts betraut wurde. Die
vom 17. August 1915 an einsetzenden Angriffe der italienischen 9.
Infanteriedivision stockten bereits vor den beiden
Beobachtungspunkten, die die Österreicher auf dem Monte Coston und
bei der Malga Milegna eingerichtet hatten. Unterstützt durch die
treffsichere Werksartillerie wurden bis zum 19. August alle Anstürme
des vielfach überlegenen Gegners abgewiesen. Dann ging die Handvoll
Landesschützen und Kufsteiner Standschützen von der Malga Milegna
befehlsgemäß auf den Monte Maronia zurück. Der Posten auf dem Monte
Coston blieb aber trotz eines am 20. August 1915 gegen ihn gerichteten
Angriffs zweier Bataillone unerschüttert in der Hand der Verteidiger. Ende
August 1915 konnte der italienische Angriff auf der Hochfläche von
Folgaria als abgeschlagen gelten. Der Abwehrsieg war in erster Linie
der außergewöhnlichen Standhaftigkeit und der Tapferkeit der spärlichen
Verteidiger zu danken. Ihr Erfolg war aber auch dem Umstand
zuzuschreiben, dass die Italiener ihre Angriffe gegen die einzelnen
Ziele zu verschiedenen Zeiten unternahmen, wodurch die Verteidiger in
die Lage kamen, seine schwache Artillerie zur Abwehr jeweils
zusammenzufassen. Es
folgen nun wieder die Aufzeichnungen Hauptmann Prokschs im Tagebuch
des Werks „Sebastiano“.
1.
bis 14. August 1915 Die
Wiedergabe erfolgt nur auszugsweise, aber zum Großteil mit wörtlicher
Wiedergabe aus dem Werkstagebuch des Werks „Sebastiano“. Kein
28 cm Beschuß! Nur gelegentlich einige 14,9 cm-Batterielagen gegen
den 10 cm Haubitztraditor am rechten Werksflügel, jedoch ohne
weiteren Schaden anzurichten.
Munitionsaufwand
der 14,9 cm Batterie: c. 50 Schuß in den 14 Berichtstagen. Die
Werkszufahrt ist wieder bis auf ca. 250 m vor dem rechten Auslauf des
Kehlgrabens unbeschränkt befahrbar. Ca. 250 m vom Werk entfernt haben
(wir) durch Aufgraben der
bergseitigen Hangböschung einen großen Abstellplatz für
Trainfahrzeuge und Lastautos geschaffen, der gegen Feindeinsicht durch
den hochstämmigen Wald sehr gut gedeckt ist. Von hier aus erfolgt
auch die ganze Versorgung unseres Werkes und der vorgeschobenen
Durerposition durch Träger oder Tragtierkolonnen. Durch
unseren Nachrichtendienst und italienische Überläufer erfahren wir,
daß die idyllische gegenwärtige Ruhe nicht mehr lange anhalten wird,
da unser Gegner einen großen Schlag gegen die
Lavarone-Folgaria-Abschnitte vorbereitet. Meine beiden dem Werk
vorgeschobenen Artilleriebeobachter auf dem Durer und Kote 1.653
melden mir laufend das Auftauchen neuer italienischer, leichter und
mittelschwerer Batterien, welche sich auf unsere Stellungen mit
Einzelschüssen einschießen. Auch melden meine Beobachter, daß da
und dort neue Grabenstücke zu verzeichnen sind, aus welchen über
Nacht Sappen, in welchen der Italiener gedeckt vorgehen kann,
entstehen. Täglich steigen immer mehr Rauchsäulen aus den Wäldern,
was uns in der Annahme bestärkt, daß frische Truppen eingetroffen
sind, die bestimmt irgend etwas vorhaben werden. Unser Freund, der
italienische Caproni-Doppeldecker, kommt jeden Tag, allerdings von uns
völlig unbeschossen, um festzustellen, wie es bei uns aussieht und
was sich tut oder verändert hat. Der italienische Lastautoverkehr auf
der Tonezza- und Venapaßstraße spielt sich dort wie im tiefsten
Frieden ab und bleibt von uns aus völlig unbelästigt, da der Befehl:
„Sparen mit der Munition“ unsererseits jegliche artilleristische
Störtätigkeit verbietet. Wir alle wissen: Es ist kein Zweifel, daß
ein neues Ungewitter sich zusammenbraut und der nächste Feindvorstoß
bitter ernst sein wird. Im
Werkstagebuch heißt es dann wörtlich weiter: Von den ausgeborgten
Landsturmarbeitern haben (wir) heute
(10.08.) drei Unteroffiziere und 73 Mann zu meiner Verfügung zurückbekommen,
die dringendst zur Erledigung begonnener oder rückständiger Arbeiten
inner- und außerhalb des Werkes gebraucht werden und (was)
nun eine große Erleichterung in der Ablöse meiner bereits überanstrengten
Artilleristen bedeuten wird. In den letzten Tagen wurde für einen
Werksbelag von 500 Mann Verpflegung für vier Wochen in das Werk
geschafft, um vor unliebsamen Überraschungen in puncto Nachschub für
einige Zeit unabhängig zu sein und (uns) gesichert
zu wissen. Der Antransport der vielen Kisten und Lasten sowie das
Heranschleppen von Zement bedeutete große Anstrengungen für meine
Artilleristen, die außer der ständigen Gefechtsbereitschaft nun auch
noch für den schweren Trägerdienst gesondert herangezogen werden mußten. Auch
an der Fortsetzung des Stollenausbaus wird seit gestern wieder
gearbeitet. Leider bekamen (wir)
von den ausgeborgten Sappeuren nur zwei Mann zurück; die anderen müssen
Kavernenanlagen auf Durer und Kote 1.653 aussprengen, um der
Stellungsinfanterie bombensichere Unterstände zu schaffen, damit
diese vor dem zu erwartenden schweren Feindbeschuß halbwegs gesichert
sind. 15.
August 1915 Seit
6 Uhr früh stärkster 28 cm Beschuß seit Kriegsbeginn. Pausenlos
schlagen die Zweischußlagen der 28er ein und rufen bei der Detonation
der Geschosse turmhohe, schwarze Rauchwolken hervor, die das ganze
Werk in einen undurchdringlichen Rauch und Qualm einhüllen. Dazu die
völlige Windstille, welche die Rauchschwaden auf uns kleben läßt
und jegliche Fernsicht und Beobachtungsmöglichkeit verhindert,
weshalb wir fast ausschließlich auf die Meldungen meiner zwei
Artilleriebeobachter, die auf Durer und Kote 1.653 ihre
Beobachtungsposten haben, angewiesen sind. Aus unseren Panzerständen
haben (wir) vor lauter
Rauch und Qualm die meiste Zeit über kaum Beobachtungsmöglichkeit,
was sich vor uns tut. Unsere vorgeschobenen Stellungen auf der
Durerposition liegen derzeit ebenfalls den ganzen Tag über unter
Feindbeschuß, aber nur leichter Feldkaliber, die, wie mir gemeldet
wird, keinen besonderen Schaden bis jetzt angerichtet haben. Dagegen
liegt der vorgeschobene Posten Monte Coston seit 8 Uhr früh unter
schwerem Feuer aus Mittelkalibern, und (ich)
bedaure unsere tapferen Landesschützen, die dort in der Hölle
aushalten müssen. Der
heutige 28 cm Beschuß ist zeitweise sehr ungenau; es gehen viele
Zweischußlagen über das Werk hinweg, um nach 100m bis 150m im grünen
Almboden zu explodieren. Auch viele Kurzschußsalven gehen in die
Fronthindernisse, um dort wieder großen Schaden anzurichten. Die 28
cm Batterie feuert nur Zweischußlagen in Intervallen von 6 bis 10
Minuten. Doch scheint auch die feindliche Artilleriebeobachtung durch
die starke Rauchentwicklung der detonierenden Granaten zu leiden, die
ihr die Sicht nimmt; denn sonst ist die geringe Trefferanzahl trotz
des großen Munitionsaufwandes nicht zu erklären. Diese alten 28 cm
Küstenhaubitzen
haben sonst hervorragend gute ballistische Eigenschaften und sehr
geringe Längen- und Breitenstreuung. Wir
haben auch heute laut Befehl vom Brigadekommando Schußverbot, da wir
unsere Munitionsvorräte solange aufsparen müssen, bis der Feind
angreift. Erst um 6 Uhr abends wird der 28 cm Beschuß eingestellt.
Bis dahin wurden auf Werk „Sebastiano“ 120 Schuß Kaliber 28 cm (abgegeben)
und 38 Einschläge im unmittelbaren Werksgelände festgestellt. Außerdem
wurden 27 Betontreffer registriert. Diese verteilen sich (wie
folgt):
16 Treffer auf die Decke des Kasemattenblocks;
8 Treffer auf die Decke des Batterieblocks; 3 Vorbetontreffer auf die Turmhaubitzen Nr. III und IV. Der
Vorpanzer bei der Turmhaubitze Nr. IV wird nahezu bis zum Auflagerfuß
in einem Meter Breite bloßgelegt. Auch
der 14,9 cm Beschuß war mit ca. 100 Schuß auf das Werk mit
Sprenggranaten sehr stark. Davon waren wieder ca. 30 Schuß unserer 10
cm Traditorhaubitzbatterie zugedacht, aber nur zwei Treffer auf dem
Panzerschild erzielt, ohne Schaden anzurichten. Da der Gegner beim
Beschuß der Traditorenbatterie nur Sprenggranaten an Stelle von
Panzergranaten verwendete, konnte keine Wirkung erzielt werden, da
diese jedesmal im Aufschlag sofort detonierten oder zu Bruch gingen. In
den Vormittagsstunden wurde die Wasserleitung durch einen Weitschuß
einer 28 cm Bombe beschädigt, in den Abendstunden unser Panzerkabel
durch einen 28 cm Weitschuß zerrissen. Die Raumluft im Werk war vor
der Mittagszeit derartig durch im Kehlgraben detonierende 28 cm- und
14,9 cm Granaten verpestet, daß das Untergeschoß zeitweilig geräumt
werden mußte, da viele Leute Erstickungsanfälle zu verzeichnen
hatten. Auch
lagen viele Einschläge auf der Grabensohle oder am Rande der Eskarpe
bzw. Kontereskarpe, wodurch viel Felsmaterial in den Graben geworfen
wurde und diesen stellenweise einen halben Meter und mehr bedeckt. 16.
August 1915 Seit
6 Uhr früh wieder stärkster 28 cm Beschuß in gleicher Form wie
gestern. An die 135 abgegebene 28er und ca. 80 Schuß Kaliber 14,9 cm
wurden festgestellt. Außer 48 Einschlägen im unmittelbaren Werksgelände
wurden 27 Betontreffer erzielt. Diese verteilen sich wie (folgt):
11 Treffer auf die Decke des Kasemattenblocks;
1 Treffer in den Vorbeton des drehbaren Beobachtungspanzers;
2 Vorbetontreffer beim fixen MG-Panzer auf der Werksdecke des
10 Treffer auf die Decke des Batterieblocks mit je zwei (Der)
Werksgraben (ist) durch
viele Kurzschüsse auf Eskarpe und Kontereskarpe sowie auf die Sohle
des Grabens stark verschüttet. Derzeit
ist die Verbindung mit der Außenwelt nur durch unsere Blinkstation möglich,
da das Panzerkabel wieder an zwei Stellen beschädigt und zerrissen
ist. An
Verlusten (hatten wir)
heute sieben Tote und zwei Verwundete. In den heutigen Nachmittagsstunden versuchter starker Feindangriff auf den Monte Coston. Vom Brigadekommando erhalten (wir) Feuererlaubnis zur Abgaben von 300 !!! Schuß, um die Costonverteidiger bei ihrer Abwehr zu unterstützen. Unser Werksartilleriebeobachter auf dem Monte Coston meldet mir ausgezeichnete Trefferergebnisse in den Reihen der Angreifer, welche auch von unseren Nachbarwerken „Sommo“ und „Serrada“ unter Beschuß genommen werden und der Feindangriff zusammenbricht.
Nach offiziellen österreichischen Quellen (Österreich-Ungarns
letzter Krieg, Band II S. 785) hat auf der Hochfläche von Folgaria
der Hauptangriff der italienischen 9. Infanteriedivision am 17.
August 1915 begonnen. Cletus Pichler, seinerzeit Chef des
Generalstabs im Landesverteidigungskommando für Tirol, schreibt in
seinem Buch „Der Krieg in Tirol 1915/16“ (S. 52), daß am 17.
August lediglich die Malga Milegna und erst am 20. August 1915 der
Monte Coston angegriffen worden ist. Gianni
Pieropan, ein italienischer Historiker, berichtet in seinem Buch
„1915 - Obiettivo Trento“ auf den Seiten 210 ff., dass das
Alpinibataillon „Vicenza“ in der Nacht auf den 18. August 1915
die Malga Milegna angegriffen hat und dass erst am 20. August mit
den Angriffen auf den Monte Coston begonnen worden ist. Das
italienische Generalstabswerk (L’Esercito Italiano nella Grande
Guerra 1915-1918) schreibt auf S. 325 des II. Bandes lapidar, dass die 9. Division am 18. und am 20. August 1915 vergeblich versucht
hat, die Linie Maronia-Plaut-Durer anzugreifen. Man
kann also nur spekulieren, was Hauptmann Proksch veranlasst hat,
bereits am 16. August 1915 von einem versuchten Angriff der
Italiener auf den Monte Coston zu berichten. Vielleicht waren es nur
aufklärende italienische Patrouillen, die für das artilleristische
Eingreifen des Werks „Sebastiano“ der Anlass waren. 17.
August 1915 Wieder
schwerer 28 cm Beschuß wie gestern, von 6 Uhr früh bis 5 Uhr abends.
Auch die 14,9 cm-Batterie auf Monte Toraro feuert heute vierpiecige
Batterielagen direkt auf das Werk und die 10 cm Traditorenbatterie.
Auch die rechte Flan Im
Kehlgraben schlagen 21 Schuß 28 cm sowie eine nicht festgestellte
Zahl von 14,9 cm Weitschüssen ein, deren Explosionsgase die Raumluft
im Werksinneren wieder verpesten. Speziell die Kasematten im Erdgeschoß
müssen zeitweise geräumt werden, da ein Aufenthalt dort unmöglich
wurde. Im Dieselraum waren Temperaturen (von)
über 500 zu verzeichnen. Gegen Mittag mußte der
Dieselmotor abgeschaltet werden, da ein Aufenthalt darin unmöglich
geworden war und die beiden Dieselwärter Ohnmachtsanfälle zu
verzeichnen hatten. Durch im Kehlgraben detonierende Geschosse wurden
durch handtellergroße Splitter und zwei 28 cm Geschoßböden mehrere
Stahlblenden der Fenster durchschlagen.
Bis
6 Uhr abends wurden an die hundert Einschläge von 28 cm-Kalibern und
ca. 140 Schuß vom Kaliber 14,9 cm festgestellt, die der Gegner
innerhalb von Der
drehbare Panzerbeobachter erhält einen 28 cm Treffer auf dessen
Vorpanzer, knapp unterhalb der Ringfuge. Dieser wird zwar nicht
durchschlagen, aber auf der Auftreffstelle entsteht eine sehr starke
Einbeulung nach innen (bis 12 cm), was eine Verschiebung des
Vorpanzers zur Folge hat, und weshalb sich die Panzerkuppel nicht mehr
drehen läßt.
Die ganze Panzerkonstruktion ist schwerst erschüttert. Auch die
Panzerkalotte zum Zugang des Panzerstandes ist teilweise in ihrem
Auflager verschoben. Ich befand
mich mit
zwei Telephonisten
zur
Zeit des Einschlags im Panzerstand; (wir)
verspürten aber von dem Einschlag mit nachfolgender Explosion des
Geschosses kaum etwas. Wir waren alle drei etwas perhorifiziert, aber
sonst geschah uns nichts. Der Skodamonteur, welcher den Schaden sofort
besichtigte, erklärte mir, daran derzeit nichts machen zu können, da
die Stauchung im Vorpanzer mit den ihm zur Verfügung stehenden
Mitteln nicht reparabel erscheint. Nun, wenn der Panzerstand keinen
neuen Treffer erhält, ist der Schaden tragbar, da die
Beobachtungsscharte feindseitig gedreht ist, wenn auch das seitliche
Beobachtungsfeld etwas eingeschränkt ist. Die
Panzerkuppel der Turmhaubitze Nr. IV erhält auf die linke Kuppelwange
einen 28 cm-Treffer, welcher aber nur ca. 9 cm eindringt und weiter
keinen Schaden verursacht. (Die)
Kuppel (ist) nur etwas
schwer drehbar. Geschütz, Ober- und Unterlafette sowie
Hebevorrichtung (sind)
vollkommen intakt. Es
war für uns alle eine Wohltat, als gegen 6 Uhr abends das Feindfeuer
mit einem Schlag verstummte, um schnellstens alle Fenster und Türen
zu öffnen, um das Werk anständig durchlüften zu können. Auch
heute wurde der Monte Coston in den Mittagsstunden erneut angegriffen,
aber dank dem Abwehrfeuer aller drei Werke auf Folgaria und dem Mute
der Verteidiger wieder abgewiesen. Unsere 10 cm Traditorenbatterie ist
für uns unersetzlich und bei der Abwehr dank ihrem enfilierenden
Feuer von unschätzbarem Wert. Schade, daß es nur zwei 10
cm-Haubitzen sind an Stelle von vier. Da hätten wir doppelte Wirkung
zu verzeichnen. Jeder Feindangriff auf den Monte Coston von der
Nordseite her erstickt im Feuer der beiden 10 cm Traditorhaubitzen. Die
Wasserleitung (ist) heute
wieder an einer Stelle unterbrochen; deshalb (erfolgt)
kein Zufluß in die Werkszisterne. Dagegen konnten die Schäden an dem
Panzerkabel unserer Telephonleitung repariert werden. Während
der Nachtstunden und gänzlicher Beschußstille (sind)
alle Mann der Werksbesatzung auf den Werksdecken, um die vielen
Sprengtrichter mit Beton, Fels- und Betontrümmern auszufüllen. Wir
verstehen den Italiener wirklich nicht. Er weiß ganz genau, daß wir
jede Feuerpause benützen, um die Löcher, die sein Beschuß in unsere
Betondecken gerissen hat, sofort wieder mit Beton auszufüllen. Aber
er stört uns dabei nicht. Kein einziger Schuß fällt, und wir können,
wie wenn es keinen Krieg gäbe, arbeiten, um die Schäden
auszubessern, die sein Beschuß während des Tages anrichtet. 18.
August 1915 Heute
nur schwacher 28 cm Beschuß infolge zeitweise leichten Nebels. Nur 40
Schuß Kaliber 28 cm und ca. 80 Schuß Kaliber 14,9 cm mit
Sprenggranaten wurden auf unser Werk abgegeben. Es wurden an 28 cm
Einschlägen ca. zwanzig im unmittelbaren Werksgelände und nur fünf
Betontreffer erzielt. Der 14,9 cm Beschuß richtete sich hauptsächlich
gegen den Batteriekomplex, wahrscheinlich in der Hoffnung, die eine
oder andere Scharte unserer vier 10 cm-Turmhaubitzen zu treffen,
welche aber während der Feuerpausen oder (bei)
Feindbeschuß immer feindwärts abgedreht sind, um Schartentreffer unmöglich
zu machen. Wir nehmen doch an, daß ihm dies bekannt sein müßte. Die
14,9 cm Einschläge richten auf den Betondecken überhaupt keinen größeren
Schaden außer
flachen Mulden im
Beton an. Treffer
auf
die Panzerkuppeln bleiben wirkungslos, da jeder Treffer am Panzer
unweigerlich zerschellt. Die
Decke des Kasemattenblocks erhält drei, jene des Batterieblocks erhält
zwei Treffer aus 28 cm Kalibern. Der Kehlgraben (ist)
durch einige Treffer auf die Kontereskarpe stellenweise sehr stark
verschüttet. Speziell der Auslauf in der linken Werksflanke ist
derzeit nicht passierbar, da (er)
durch Felsblöcke aller Größen gegenwärtig verlegt (ist).
Von
der Werksbesatzung mußten 17 Mann an Rauchvergiftung in den
Abendstunden in das Lazarett von Folgaria abgeschoben werden. Unser
Werkslazarett ist dauernde Durchgangsstation für Verwundete der
Durerposition, und (es)
sind täglich an die 30 bis 40 Verwundete durch unsern Werksarzt zu
behandeln und zu betreuen. Da es in den Nächten vollkommen ruhig ist
und kaum ein Schuß fällt, macht der Abtransport dieser braven,
pflichtbewußten Standschützen keine weiteren Schwierigkeiten, und (wir)
sind froh, das Lazarett geräumt zu haben; denn der Überbelag im Werk
wirkt sich auf das Wohl der Besatzung sehr ungünstig aus. Vor
allem ist die Verschmutzung im Werk ein Kapitel, dem nur mit Mühe und
Not begegnet werden kann. Unsere bosnischen Landsturmarbeiter, von
welchen kaum einer deutsch versteht und (die)
keine Disziplin kennen, machen uns den Aufenthalt im Werk zur Qual.
Die Leute sind, wenn sie abends todmüde von der Tagesarbeit ins Werk
einrücken, zu faul oder zu müde, ihre Bedürfnisse in den
Werksaborten zu verrichten. Wo sie gehen und stehen, wird das Geschäft
erledigt, und Strafen und Verweise nützen dagegen nichts. Auch die
Werkzeuge, die sie mitbringen, werden irgendwo hingestellt oder
weggeworfen. Ordnung und Sorgfalt ist diesen armen, ausgemergelten Männern
scheinbar völlig unbekannt. Dazu sind die meisten der bosnischen
Landsturmarbeiter Moslems, die schon zum Sonnenaufgang ihre
mitgeschleppten Gebetsteppiche in den ohnehin beengten Gängen und
Poternen ausbreiten und unbeirrt und durch nichts beeinflußt ihre
Morgenandacht verrichten. Auch
die Unterbringung in einigen Kasematten des Obergeschosses des
Kasemattenblocks ist nahezu menschenunwürdig. In den ca. 10 m langen
und 5 m breiten Kasematten haben (wir)
drei Pritschenreihen zu beiden Seiten angeordnet, um die Leute überhaupt
unterbringen zu können und (es) bevölkern
an die 70 bis 80 Mann eine solche Kasematte. Uns dauern diese armen
Teufel, die außer der schweren Tagesarbeit, Essen und Schlafen sonst
nichts kennen, in ihrem Fatalismus aber einmalig sind. Alle
Mann der Werksbesatzung (sind)
auf den Werksdecken beim Ausbetonieren der Sprengtrichter im Einsatz. 19.
August 1915 Infolge
nebligen Wetters gleiche Beschußstärke wie gestern, aber mit dem
Unterschied, daß die 28 cm Haubitzbatterie nur alle 5 bis 6 Minuten
Einzelschüsse abgibt. Es wurden nur 35 Schuß abgegeben und nur acht
Betontreffer erzielt. Das Feuer war sehr ungenau und wies eine
unheimliche Längenstreuung auf. Der Kasemattblock erhielt auf die
Decke zwei, der Batterieblock ebenfalls zwei Treffer. Außerdem wurden
je ein Vorbetontreffer bei den Turmhaubitzen Nr. I und IV erzielt. Der
Verdeckausgang vom Batterieblock auf die Decke des Kasemattenblocks
wurde restlos verschüttet. Wasserleitung und Telephonkabel (sind)
wieder repariert. Der 14,9 cm Beschuß mit ca. 40 Einschlägen galt
hauptsächlich wieder unserer
10 cm
Traditorenbatterie,
ein Zeichen, wie unangenehm unserem Gegner diese lästige Batterie
sein muß. Das Panzerschild wurde ca. drei- bis viermal getroffen,
aber es entstanden keine weiteren Schäden. 20.
August 1915 Seit
6 Uhr früh bei strahlendem Sonnenschein schwerer 28 cm Beschuß mit
ca. 120 abgegebenen Schüssen! Alles wieder in Zweischußlagen bis 6
Uhr abends. Auch wieder starker 14,9 cm Beschuß mit einem Aufwand von
ca. 90 abgegebenen Schüssen auf den Batterieblock und (die)
10 cm Traditorenbatterie. Auch
unser neuer Trampelweg wurde heute das erste Mal von der 14,9
cm-Batterie auf Toraro beschossen. Wahrscheinlich haben sich Leute
dort auffällig zu schaffen gemacht und sich unvorsichtig bewegt -
schon ist das Langrohrfeuer da, denn der Italiener vermutet nur zu
Recht, da muß etwas los sein. Alle Belehrungen und Ermahnungen nützen
nichts. Mit der Zeit haben die Leute ein gewisses Sicherheitsgefühl
in dem Bewußtsein: Mir kann nichts passieren, und schon ist das
Malheur passiert. Wir hatten durch die Unvorsichtigkeit einer Trägerkolonne
fünf Tote und elf Verwundete zu beklagen. Unsere
Vorstellung der Durerposition liegt den ganzen Tag über unter
schwerem Feindbeschuß, und (es)
feuert sogar eine 21 cm Batterie auf den Durerkopf, wie mir unser
Artilleriebeobachter meldet. Es scheint so, als wollte der Italiener
heute zum Großangriff antreten. Von
dem Feindbeschuß auf Werk „Sebastiano“ schlagen heute 54 Schuß
28er im unmittelbaren Werksgelände, vor und hinter dem Werk ein.
Unsere Hindernisse werden, wenn es so weitergeht, bald nur aus
verbogenen Rundeisen und einigen Drahtfragmenten bestehen. Außerdem
haben (wir) heute 31
Betontreffer zu verzeichnen!!! Diese verteilen sich wie folgt: 17 Treffer auf die Decke des Kasemattenblocks; 1 Vorbetontreffer beim fixen MG-Panzer; 7 Treffer erhält die Decke der Traditorenbatterie und wird
dabei sehr bis zu 1,8 m zu verzeichnen. In einem Sprengtrichter liegen
sogar die Oberflanschen der Trägerdecke bloß, und es gibt an der
Untersicht der 6 Treffer erhält die Decke des Batterieblocks, und dabei wird
die 1 Treffer erhält die Decke der Grabenflankierung. Durch
viele Treffer auf die Kontereskarpe und (die) Eskarpe
des Frontgrabens wird wieder sehr viel Felsmaterial abgesprengt und in
den Graben geworfen. Der
fixe Maschinengewehrpanzer am linken Flügel des Batterieblocks erhält
einen 28 cm Treffer in die rechte Kuppelwange. Das 28 cm Geschoß
dringt Die
Wasserleitung (ist) wieder
durch Beschädigung unterbrochen. Bei dem Überbelag des Werkes reicht
unser Wasservorrat für knapp 10 Tage aus. Dabei müssen (wir)
aber laufend zur Kühlung des Dieselmotors Trinkwasser aus der
Zisterne entnehmen, da der Vorrat in der Kühlwasserzisterne von Haus
aus viel zu gering bemessen wurde, was für Friedensansprüche
sicherlich genügte, aber für einen Dauerbetrieb (bei)
Tag und Nacht durch Wochen hindurch sich als gänzlich unzureichend
erwies. Ebenso
verhält es sich mit der Werkslüftung. Diese reichte für Friedensbedürfnisse
sicherlich voll und ganz aus. Für den Kriegsfall ist sie jedenfalls
unbrauchbar und schadet mehr, als sie nützt. Es ist ja ein Witz oder
Unikum, das weitläufige Werk mit sieben Handlüftern durchlüften zu
wollen. Was die Planer und Konstrukteure sich dabei gedacht haben, ist
uns allen schleierhaft! Wir haben den Unverstand auszubaden.
Sicherlich konnten dadurch einige tausend Kronen erspart werden; ob
wir hier ersticken, daran dachte bei der Werksplanung niemand; denn
sonst wäre ein solcher Versager unmöglich. Die neuen, elektrisch zu
betreibenden Lüfter liegen bereits im Werk. Aber sie sind noch nicht
montiert, da von der Geniedirektion in Trient diese notwendige Arbeit
immer wieder hinausgeschoben wurde und wir auf einige Tage später
vertröstet wurden. Unser
einmaliger Skodamonteur hat schon den Großteil der zu verlegenden
Kabel montiert, aber die Monteure und die Rohrleitungen fehlen noch.
Im Werk ist es heute bei der hohen Außentemperatur von 370
Wärme kaum auszuhalten. Dazu müssen alle Fensterblenden dicht
verschlossen bleiben, damit die Sprengstücke der im Kehlgraben
detonierenden Geschosse nicht in die dichtbelegten Kasematten fliegen
und dort neues Unheil anrichten. Dabei hageln die 28 cm Weitschußlagen
auf unser Werk darnieder, daß man glaubt, jeden Augenblick ist das
Ende nahe. Jeder Doppeleinschlag der 28er läßt unser Werk bis in
seine Grundfesten erbeben. Aber die Haltung meiner Artilleristen ist
einmalig. Kein Anzeichen einer Depressionserscheinung, alles spielt
sich normal ab. Der Dienstbetrieb geht weiter, die Menagezeiten werden
auf die Minute genau eingehalten und der Wach- und Bereitschaftsdienst
spielt sich wie im Frieden ab. Wie
mir unser Artilleriebeobachter soeben mitteilt, liegt der Monte Coston
unter schwerstem Feindfeuer. Außer den Mittelkalibern feuert
eine 28 cm-Batterie auf
die schwache
Costonstellung,
und es ist fraglich, ob nach diesem Höllenfeuern noch viele von den
Landesschützen kampffähig sein werden. In
den Nachmittagsstunden geht es dann im ganzen Frontabschnitt los.
Endlich greifen die Italiener an. Meine vier 10 cm Turmhaubitzen
halten das ganze Vorfeld, auf welchem die italienische Infanterie zum
Angriff vorgeht, unter Feuer, wacker unterstützt durch die zwei 10 cm
Turmhaubitzen des Werkes „Sommo“. Die 10 cm Traditorenbatterie
feuert auf dem Monte Coston wieder in die Flanke der von Norden her
angreifenden Italiener. Auch Werk „Serrada“ legt mit seinen vier
10 cm-Turmhaubitzen los und hält den Südabschnitt des Monte Coston
unter Dauerfeuer. Leider haben (wir)
nur zwei Vom
Werk aus ist kaum etwas zu erkennen, da der Rauch und Qualm der
pausenlos einschlagenden 28 cm und 14,9 cm Granaten jede Fernsicht
verhindert. Aber auch die beiden Feindangriffe auf die Durerposition
sind zusammengebrochen und die ganze Stellung restlos in unserem
Besitz geblieben. Was sich dann weiter auf dem Coston abspielt, wissen
wir nicht. Ich lasse die Pausenlos
kommen verwundete Standschützen in unser Werkslazarett, bekommen neue
Verbände und werden von den Sanitätern betreut. Für die
Schwerverwundeten werden in den Kasematten des Erdgeschosses Liegemöglichkeiten
bereitet, während (wir)
die verwundeten Offiziere in unserer Offizierskasematte, so gut es
geht, unterbringen, bis deren Abtransport in den Abendstunden möglich
ist. Die Leichtverwundeten lasse ich, um im Werk Platz zu schaffen,
auf den Trainplatz unterhalb unseres Werkes bringen, da sie von dort
leichter wegzuschaffen sind, als unser schwerverwundeten Standschützen,
die wir im Werk behalten. Vom
Feldspital Folgaria bekommen wir auf meine telephonische Bitte als
Verstärkung zwei Ärzte und zehn Mann Sanitätspersonal, die in einem
Sanitätsfourgon (Sanitätslastwagen) in einem
Höllentempo bis zu unserem Werkseingang herangefahren und (haben)
gleich gehbehinderte Verwundete nach Folgaria mitgenommen. In
den Abendstunden werden 109 gefangene, darunter auch verwundete
Italiener eingebracht. Auch vier Offiziere sind darunter, die wir bis
zu deren Abtransport in unserer Offiziersmesse unterbringen und
betreuen. Diese staunen alle, wie es bei uns im Werk zugeht, denn sie
hatten keine Ahnung, wie mir ein sehr gut deutsch sprechender Tenente
(Oberleutnant) mitteilt, daß Werk „Sebastiano“ noch existiert, da
man ihnen vor dem Angriff bekanntgab, daß dieses bereits restlos
demoliert und verlassen ist. Der Tenente bat mich, ihm doch die Geschütze
zeigen zu wollen, die so furchtbar in den italienischen Angriffsreihen
gewirkt hatten. Ich erfüllte ihm gern den Wunsch, und er konnte es
nicht fassen, daß trotz dem Höllenfeuer, wie er sich ausdrückte,
das auf uns niedergegangen war, alles noch unversehrt und kampffähig
erhalten blieb. Freilich,
innen ist in unserem Werk von den entstandenen Beschußschäden kaum
etwas zu bemerken, aber dafür sieht es auf unseren Werksdecken wüst
aus. Alle verfügbaren Mannschaften sind mit Betonarbeiten beschäftigt,
und heute Nacht gibt es für niemanden Schlaf und Ruhe. Ich lasse
Extraportionen von Kaffee mit Rum und für jeden Mann zehn Zigaretten
zur Verteilung bringen, um unsere Leute wachzuhalten. Zum
Abtransport der gefangenen Italiener mußten meine Artilleristen die
Eskorte stellen und diese zum Brigadekommando bringen. Der Tenente
bedankt sich im Namen seiner vier gefangenen Offiziere für unsere
Gastfreundlichkeit immer wieder in überschwenglichen Worten. Der
Abtransport der Verwundeten, mit Ausnahme von vier derzeit nicht
transportablen Schwerverwundeten, erfordert die ganze Nacht bis zum
Tagesanbruch, da das Feldspital in Folgaria nur fünf Autofourgons zur
Verfügung stellen konnte. Die
ganze Nacht fiel kein einziger Schuß, der den Abtransport der
Verwundeten und Gefangenen gestört hätte. Wir verstehen die Taktik
der Italiener nicht, wo sie doch wissen, daß sich der ganze Nachschub
auf der notdürftig ausgebesserten Werksstraße abspielt und einige
Lagen Granaten auf den Straßenkörper diesen wieder illusorisch
machen könnte. Durch
unser Werkslazarett gingen heute Nacht 196 verwundete Standschützen,
17 Artilleristen und 34 Landsturmarbeiter, außerdem 32 Mann
verwundete Italiener, eine einmalige Leistung, was unser Sanitätspersonal
geleistet hat. Vom
Brigadekommando erhielten (wir)
wieder vollste Anerkennung und Belobigung für unser artilleristisches
Können. 21.
August 1915 Um 6 Uhr früh erreichte uns die überraschende Mitteilung, daß es unseren einmaligen, verwegenen Landesschützen in den frühen Morgenstunden gelungen ist, den Monte Coston wieder zu besetzen. Unsere Telephonleitung ist vollkommen intakt und trotz des Beschusses durch Zufall unbeschädigt geblieben. Die Landesschützen hatten in den frühen Morgenstunden die schwache, schlafende Besatzung des Monte Coston überfallen, diese gefangen genommen und den Coston wieder besetzt. Wir trauen alle unseren Ohren nicht, als mir Fähnrich Knöpfelmacher, unser Artilleriebeobachter, diese Meldung durchgibt. (Seit)
Punkt 6 Uhr früh wieder schwerer 28 cm Beschuß bis in die
Abendstunden. Dauerndes Salvenfeuer mit zwei Rohren, die heute sehr
genau schießen und nur geringe Längen- und Breitenstreuung
aufweisen. Die Luftverhältnisse im Werk (sind)
wieder zum Ersticken. Zu unserem Glück stellten die Italiener in der
Zeit von 12 Uhr mittags bis Punkt 1 Uhr mittags das Feuer ein, so daß
wir Gelegenheit hatten, das Werk durch Öffnen aller Fenster und Türen
entsprechend durchlüften zu können. Auf
unser Werk wurden heute wieder 130 Schuß Kaliber 28 cm und an die 450
Schuß Kaliber 14,9 cm abgegeben. Der Feindbeschuß erzielte 47
Einschläge im unmittelbaren Werksgelände nebst 30 Betontreffern.
Sehr stark wurde die Decke des Kasemattenblocks mitgenommen, die 21
Treffer abbekam, (die) aber
keinen Deckendurchschlag erzielten Der drehbare Panzerbeobachter
erhielt zwei Vorbetontreffer, der fixe Maschinengewehrpanzer einen.
Beide Vorpanzer sind zum Teil bloßgelegt. Die
Decke der Traditorenbatterie erhielt fünf Treffer, vier Treffer der
Batterieblock. Außerdem erhielt die Turmhaubitze Nr. II ebenfalls
zwei Vorbetontreffer, die mehr als 2 cbm Beton zerstäubten und
wegbliesen. (Die)
Stimmung meiner Werksbesatzung (ist)
einmalig gut. Derzeit (sind)
nur vier Kranke im Marodenrevier. Große Sorgen bereitet mir unser
enormer Munitionsverbrauch, und kein Ersatz (ist)
dafür in Aussicht. An
der Front (herrscht)
vollkommene Ruhe; (es wurde) auch
kein Wiedereroberungsversuch (unternommen),
den Coston in eigenen Besitz zu bringen. 22.
August 1915 Wieder
schwerster 28 cm Beschuß von 6 Uhr früh bis 6 Uhr nachmittags. Der
Italiener hält seine Beschußzeiten auf die Minute genau ein. Auch zu
Mittag sehen (wir) auf die
Uhr, wenn der letzte 28 cm (Schuß)
der Italiener das Rohr verläßt und nach einer Flugzeit von 43
Sekunden bei uns einschlägt. Dann wissen wir, daß (wir)
jetzt eine Stunde Ruhe haben und ungeschoren sind. Der 28 cm Beschuß (besteht)
wieder aus lauter Zweischußlagen; auch der 14,9 cm Beschuß auf alle
erkannten Zugänge zum Werk, hauptsächlich auf die Werksstraße, die
bereits übel zugerichtet ist. Heute ist es infolge dauernden Störfeuers
einer 7 cm Gebirgsbatterie auf unsere Werksdecken unmöglich,
Reparaturen durchzuführen. Heute kostete uns der Versuch sieben Tote
und neun Verwundete. Unsere Werksdecken gleichen bereits einer
Mondlandschaft; Trichter neben Trichter, einer in den anderen übergehend.
Von unseren Hindernissen in der Front sind nur noch spärliche
Fragmente übriggeblieben. Wir haben aber keine Zeit, und es mangelt
auch an Stacheldraht, um neue Hindernisse zu errichten. Unser
Frontgraben, speziell dessen linker Auslauf, ist dort mehr als zwei
Meter hoch verschüttet. Wieder
erzielt der Feindbeschuß heute 21 Betontreffer, die sich langsam,
aber sicher als schwerwiegend auszuwirken beginnen. Die
Einschlagstellen können heute gar nicht
mehr genau
festgestellt werden. Hoffentlich gelingt es, heute Nacht größere
Ausbesserungen vorzunehmen. Seit
4 Uhr nachmittags schwerster Beschuß des Monte Coston. Gegen 6 Uhr
abends kann man mit unseren guten optischen Gläsern genau erkennen,
wie sich italienische Angriffsinfanterie anschickt, von Osten her den
Monte Coston zu ersteigen. Wieder legen wir mit unseren sechs 10
cm-Haubitzen los, aber es wird diesmal ein Schwanengesang werden. Dem
Massenangriff werden unsere braven, einmaligen Landesschützen nicht
standhalten können. Unser Artilleriebeobachter teilt mir mit, daß
mindestens drei feindliche Bataillone von Osten her im Anstieg sind
und unser Artilleriefeuer wenig Wirkung hat, da sich die Angreifer im
toten Winkel befinden und nur schwer zu erfassen sind. Dies war die
letzte Meldung, die mich erreichte. Vom
Brigadekommando werde ich verständigt, Sperrfeuer auf das
Costonplateau zu legen, um unseren Landesschützen oder, besser
gesagt, deren Rest den Rückzug zu ermöglichen. Wir und unser zwei
Nachbarwerke legen Sperrfeuer, welches nur schwer vom Feinde zu
durchschreiten ist, da es - wie immer - sehr genau in den Reihen der
nun anrückenden Italiener liegt. Wir
haben jetzt in den vergangenen acht Tagen an die 3.000 Schuß 10 cm
Haubitz-munition verbraucht und eine bedenkliche Lücke in unseren
Bestand gerissen. Hoffentlich bekommen (wir)
bald entsprechenden Ersatz. Auf
dem Soglio d’Aspio hat der Italiener eine 7 cm-Gebirgsbatterie in
Stellung gebracht, die nun während der Nachtstunden laufend Feuerüberfälle
ausführt und das Arbeiten auf den Werksdecken bei Nacht nahezu unmöglich
macht. Wir sind trotzdem frohen Mutes; Stimmung der Besatzung
einmalig. 23.
August 1915 Feindbeschuß
mit 28 cm Kalibern wie bisher. Heute wurden von 6 Uhr früh bis 5 Uhr
abends an die 105 Schuß auf das Werk abgegeben. Auch das 14,9 cm
Feuer (währte)
ununterbrochen, und (es) wurden
gegen 450 Schuß verfeuert. Alle Zugänge zum Werk (waren)
zeitweise abgeriegelt. Im unmittelbaren Werksgelände schlagen 50
Treffer ein, und (es)
werden außerdem an Betontreffern, soweit festgestellt werden konnte,
ca. 32 erzielt; davon auf die Decke des Kasemattblocks ca. 20 Treffer,
acht Treffer auf die Decke der Traditorenbatterie und vier auf den
Batterieblock. Auf der Decke der Traditorenbatterie dürften zwei oder
drei 28 cm Treffer in einen bereits vorhandenen Sprengtrichter
gefallen sein, denn der erste Deckendurchschlag erfolgte gegen 1 Uhr
mittags. Die 28 cm-Bombe traf vermutlich den oberen Trägerflansch und
detonierte beim Aufschlag auf
denselben. (Die)
Detonation
erfolgte
aber
nach außen, so daß nur die beiden beschädigten Träger nach innen
gebogen wurden, mit über 1 m Durchbiegung. In der Kasematte (sind)
ca. 1 cbm Betonschutt nachgerieselt. Innen (entstand)
sonst kein Schaden. Es war dies der bereits vor Tagen geräumte
Munitionsraum der 10 cm Traditorenbatterie, dessen Decke in den
letzten Tagen besonders stark gelitten hatte. Alle Panzer blieben von
Treffern verschont. Seit
7 Uhr abends hat der Italiener den 14,9 cm Beschuß eingestellt. 24.
August 1915 Der
28 cm Beschuß (war) gleich
stark wie gestern. Bis 5 Uhr abends wurden 100 Schuß abgegeben, dazu
an die 300 Schuß von 14,9 Kalibern. Im
Werksgelände (waren) ca.
50 Einschläge und ca. 25 Betontreffer im Werk selbst (zu
verzeichnen). Schwer in
Mitleidenschaft wurden heute die Vorbetons aller vier Turmhaubitzen
gezogen, deren Vorpanzer alle zum Teil bloßgelegt sind. Mindestens 10
Treffer hat die Decke des Kasemattenblocks erhalten, und dort sind
heute Trichtertiefen von über 2 m festgestellt worden. Heute
Nacht konnten die dringendsten Betonarbeiten ausgeführt werden, da
kaum ein 14,9 cm Schuß fiel. Aber es bleiben noch so viele Betonschäden
aufrecht, die erst nach und nach bewältigt werden können. Die
Monteure für die Installierung der elektrischen Lüfter haben sich
gestern abends beim Brigadekommando gemeldet, doch konnten diese wegen
des Dauerbeschusses auf unser Werk und dessen Anland nicht in das Werk
geleitet werden. Eine Menge Material, darunter an die 300 m
Blechrohre, Schweißaggregate, Werkzeuge usw. sind ebenfalls in das
Werk zu schaffen. Wer soll dies alles bewältigen? Meine
Landsturmarbeiter sind übermüdet von den dauernden Material- und
Verpflegungstransporten, ausgemergelt und entkräftet. Hoffentlich
haben (wir) in den nächsten
Tagen eine halbwegs schußtote Zeit während der Nächte zu erwarten,
damit wir in der Lage sind, die zertrichterte Werkszufahrt und den
Abstellplatz für die Trainfuhrwerke ausbessern zu können; denn
solange dies nicht der Fall ist, kommt ein Transport der schweren
Lasten nicht in Frage. Am Abstellplatz für die Trainfuhrwerke hatte
ich ein großes Flugdach zur Lagerung von 1.500 Sack Zement errichten
lassen und davon laufend den Tagesverbrauch für unsere Betonarbeiten
und Ausbesserungen im Werk entnommen. Infolge des schweren
vorgestrigen Beschusses durch das 14,9 cm Langrohrfeuer wurde unser
Zementdepot in den Abendstunden des 22. 8. wiederholt getroffen, die
1.500 Sack Zement (wurden)
in alle Winde zerstäubt. Außer einigen zerrissenen Säcken ist davon
kein Stäubchen mehr übriggeblieben. Heute
Nacht werde (ich) alle verfügbaren
Landsturmarbeiter dafür einsetzen, um die vielen Sprengtrichter im
Straßenkörper der Zufahrtsstraße zu verschütten, damit das
Trichterfeld des Abstellplatzes wieder halbwegs per Achse erreichbar
ist. In
den heutigen Nachmittagsstunden lagen die südlich der Durerposition
im Abschnitt des Werkes „Sommo“ gelegene Vorstellung „Plaut“
(Kote 1.705) sowie der Abschnitt Bocca di Val Orsara (Kote 1.617)
unter schwerstem Feindfeuer. Auch unsere Durerposition wurde nicht
verschont; diese hielt eine italienische 21 cm Haubitzbatterie sowie
eine alte, kurze, 14,9 cm Kanonenbatterie unter Dauerfeuer, während
die nach Norden anschließende Stellungen unter leichtem Beschuß
lagen. Speziell die seit einigen Tagen auf dem Soglio d’Aspio (Kote
1.340) in Stellung befindliche feindliche Gebirgskanonenbatterie, die
uns während der letzten Nächte so sehr zu schaffen machte, feuerte
ununterbrochen Schuß auf Schuß auf unsere unmittelbar vor dem Werk
„Sebastiano“ vorgelagerte Vorstellung auf Kote 1.446. Der
Kommandant dieser Vorstellung, die von Standschützen aus Wörgl
besetzt ist, bat mich, diese lästige und laufend Verluste
verursachende Batterie doch lahmzulegen, welche mit dem Trieder sehr
gut auszumachen ist. Auf meine Anfrage beim Brigadekommando wurden mir
100 (!) Schuß dafür bewilligt. Unser Artilleriebeobachter auf Durer
übernahm die Feuerleitung meiner vier Da
wir die dafür notwendigen Schußelemente bereits vor einigen Tagen
erschossen hatten, konnten (wir)
deshalb ohne vorheriges Einschießen die Feindbatterie vollkommen mit
unserem Feuerüberfall überraschen. Unser Artilleriebeobachter
meldete mir nur Treffer, Treffer, herumfliegende Rohre und
Lafettenteile, detonierende Bereitschaftsmunition und fluchtartiges
Verlassen der italienischen Batteriemannschaften. Dort gab es nurmehr
Kleinholz, Tote und Verwundete sowie laufende Explosionen in Brand
geratener Bereitschaftsmunition. Uns alle erfüllt ein Hochgefühl,
dem Italiener wieder einmal gezeigt zu haben, was österreichische
Artilleristen leisten können. Es ist nur zu schade, daß wir mit
unserer Munition so sparsam umgehen und um jeden Schuß buchstäblich
betteln müssen, daß er uns bewilligt wird oder nicht. Unser
Artilleriekommandant Oberst Wodicka belobigt uns telephonische mit den
Worten „Bravo, Werkskanoniere. Ihr habt Eure Sache gut gemacht und
wieder ganze Arbeit geleistet.“ Gegen
6 Uhr abends, als unser Werk unter pausenlosem 28 cm- und 14,9 cm
Beschuß lag, erfolgte der längst erwartete Angriff der Italiener
gegen den Plautabschnitt und unsere Durerstellung. Infolge des unser
Werk einhüllenden Rauchs und Qualms der pausenlos auf uns
niederbrausenden und detonierenden Geschosse konnten (wir)
nur nach Planquadraten laut Anweisung unserer Beobachter auf Durer und
Kote 1.653 unsere 10 cm Turmhaubitzen leiten und räumten auch diesmal
wieder mit bester Wirkung unter den angreifenden Sturmkolonnen der
Italiener auf. Dabei haben wir aber das große
Glück, daß unsere
telephonische Verbindung
mit den Beobachtern auch nicht eine Sekunde unterbrochen wird, trotz
des 28 cm Höllenfeuers, das auf uns niedergeht. Ein
schwächlicher Feindangriff auf unsere Vorstellung auf Kote 1.446, die
durch das Standschützenbataillon Wörgl verteidigt wird, kann
ebenfalls abgewehrt werden, nachdem mein vier 10 cm Turmhaubitzen vorübergehend
im direkten Schuß in die angreifenden Italiener feuern können. Gegen
½ 8 Uhr abends ist der italienische Angriff überall abgeschlagen und
vom angreifenden Gegner außer Toten und Verwundeten auf dem
Angriffsfeld nichts mehr zu sehen und verstummt der Feindbeschuß allmählich. Warum
der Italiener mit seiner erdrückenden Übermacht nicht überall
gleichzeitig im ganzen Folgariaabschnitt angreift und sich immer nur
zu Teilangriffen entschließt, ist uns allen schleierhaft und unverständlich.
Unser Brigadekommando gewinnt dadurch immer wieder Zeit, die wenigen,
spärlichen Reserven an Infanterie und Artillerie dort rechtzeitig zum
Einsatz zu bringen, wo es die Gefechtslage erfordert und (kann so)
auflebende Krisen schnell ersticken. Wenn
auf der Folgariafront die drei Panzerwerke „Sebastiano“, „Sommo“
und „Serrada“ als unbezwingbarer Rückhalt nicht wären, gegen die
vier- bis fünffache Übermacht unseres Gegners könnte die ganze
Plateauverteidigung unmöglich gehalten werden. Unser verehrter Chef
des Generalstabs, Conrad von Hötzendorf, wußte seinerzeit ganz
genau, was er wollte, als er den Ausbau der Lavarone-Folgariasperren
gegen den Willen des Kriegsministers Schönaich Werk
„Sebastiano“, 10 Uhr abends. Soeben
erhalte (ich) von unserem
Artilleriebeobachter auf Durer die überraschende und freudige
Nachricht, daß es unserem einstigen Artilleriebeobachter auf dem
Monte Coston, Fähnrich Knöpfelmacher, mit seinen vier Telephonisten
gelungen ist, sich durch die feindlichen Linien durchzuschlagen und (daß
er) vor knapp einer halben
Stunde auf Durer eingetroffen ist. Ein Telephonist ist leicht
verwundet. Den Kameraden, die sich zwei Tage lang im Feindgebiet
aufgehalten hatten, wo es von Italienern nur so wimmelte, und sich während
der Tage in dem dichten Bosco versteckt gehalten hatten, glückte es,
sich durch die italienischen Linien durchzuschlagen und unseren Stützpunkt
Durer zu erreichen. Bis gegen Mitternacht werden alle fünf längst
tot oder in Gefangenschaft befindlich Geglaubten wieder bei uns sein.
Ja, meine Artilleristen, das sind Kerle, und ich bin stolz, Kommandant
einer solchen Mannschaft sein zu dürfen. Von unserem Werkslazarett wurden bis in die späten Abendstunden 53 verwundete Standschützen und elf Artilleristen der 7 cm Gebirgskanonenbatterie M 99 versorgt, nebst 27 zum Teil verwundeten Italienern. Wie mir ein verwundeter Zugsführer der Artilleristen erzählt, wurden zwei 7 cm Gebirgskanonen bei der Abwehr des Feindangriffs demoliert, als diese im direkten Schuß in die Reihen der anstürmenden Italiener feuerten.
25.
August 1915 Gestern
gegen Mitternacht (ist)
unser Fähnrich Knöpfelmacher mit seinen vier Telephonisten zur
Freude meiner ganzen Werksbesatzung wieder in unser Werk eingerückt.
Es war ein Heldenstückl einmaliger Leistung, daß sich unser lieber
„K l e i n e r“ (Spitzname des Fähnrichs Knöpfelmacher -
Anmerkung des Verfassers) mit seinen braven Telephonisten durch die
feindlichen Linien und Vorposten durchschlagen konnte und nun wieder
bei uns ist. Infolge
leichten Nebels, welcher den ganzen Tag anhält, weitaus schwächerer
28 cm Beschuß als an den Vortagen. Es werden heute mit großen Schußintervallen
65 Schuß auf unser Werk abgegeben. Dagegen ist der 14,9 cm Beschuß
der Torarobatterie mit einem Aufwand von ca. 480 Schuß sehr stark und
richtet sich zeitweise nur gegen die rechte Werksflanke mit der
Traditorenbatterie. Das Feindfeuer ist heute sehr ungenau, und (es)
werden nur 32 Einschläge vom Kaliber 28 cm im näheren Werksgelände
festgestellt. An Betontreffern werden außerdem sieben erzielt. An die
vier Treffer erhält die Decke der Kehlkaserne und zwei Treffer der
Batterieblock, beide oberhalb des Ganggewölbes mit nur geringem
Betonabfall an der inneren Gewölbelaibung, nebst einem Treffer auf
die Decke der Grabenstreiche. Viele Treffer (erfolgen)
in den Graben wie auf die Eskarpe und (die)
Kontereskarpe, was eine Menge Felsmaterial absprengt und in den Graben
schleudert. Panzer wurden keine getroffen. Erst gegen 7 Uhr abends
stellt der Feind den Beschuß mit seinen Schwerkalibern ein. Die
gänzliche Beschußstille während der vergangenen Nacht hatten (wir)
dazu benützt, um die Werkszufahrt und den Abstellplatz der
Trainfuhrwerke wieder halbwegs benutzbar zu machen, damit vor allem
die Versorgung unserer vorgeschobenen Infanteriestellungen
sichergestellt werden kann. Infolge derzeitigen Zementmangels konnten (wir)
unter dem Einsatz der ganzen
Werksbesatzung alle auf den Werksdecken durch den Feindbeschuß
ausgeworfenen Sprengtrichter zuschütten, bis auf den Einschußkrater
in den Munitionsraum der Traditorenbatterie. Dieses Loch in der
Werksdecke bleibt eine gefährliche Sache, aber ohne Zement, den wir
erst heute Nacht bekommen sollen, ist da nichts zu machen. Hoffentlich
hält die „Heilige Barbara“ (Schutzpatronin der Artilleristen -
Anmerkung des Verfassers) ihre schützende Hand über das Riesenloch;
denn alle Schüsse treffen zum Glück ja nicht. Wir
sind froh, den lästigen Störenfried, die italienische 7 cm
Gebirgsbatterie auf (dem)
Soglio d’Aspio erledigt zu haben, denn vorläufig hatten (wir)
in den beiden vergangenen Nächten Ruhe und konnten ungestört
Reparaturen ausführen. Auf
dem nun wieder in Feindbesitz befindlichen Monte Coston hat sich
ebenfalls eine Gebirgskanonenbatterie und eine kurze, scheinbar aber
alte Aber
auch sonst sind mindestens 15 neue italienische Batterien seit dem 15.
August vom Kaliber 7 cm bis 28 cm im Abschnitt Folgaria in Stellung
gebracht worden, die aber, vorzüglich im Terrain gedeckt, schwer zu
erkennen und infolge unserer chronischen Munitionsnot leider nicht zu
fassen sind. Sie liegen aber alle im vollen Wirkungsbereich meiner
vier 10 cm-Turmhaubitzen und teilweise auch der zwei 10 cm
Traditorhaubitzen. Heute
Nacht sind 50 Mann Landsturmarbeiter im Einsatz, um die Lüftungsrohre
und sonstiges Material für die neuen, bereits im Werk befindlichen Lüfter
heranzuschaffen. Auch einige hundert Sack Zement müssen
herangeschleppt werden, um das Kraterloch oberhalb der 10 cm
Traditorenbatterie endlich mit Beton ausfüllen zu können. Heute
erfahren (wir) auch, daß
unsere mobilen Batterien bei der Abwehr der letzten Feindangriffe
schwer in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Die eine Unser
Brigadier belobigt unseren Fähnrich Knöpfelmacher und seine vier
braven Telephonisten für deren bravouröse Leistungen. Fähnrich Knöpfelmacher
erhält die „Große Silberne Tapferkeitsmedaille“, jeder der vier
Telephonisten die „Kleine Silberne Tapferkeitsmedaille“.
(
Für die verliehenen Tapferkeitsauszeichnungen erhielten die Empfänger
lebenslänglich eine monatliche Zulage, die bei der „Großen
Silbernen Tapferkeitsmedaille“ 15 Kronen und bei der „Kleinen
Silbernen Tapferkeitsmedaille“ 7,50 Kronen betrug. Solche
Zahlungen erfolgten noch bis in die jüngste Zeit).
Auf meine Bitte verspricht mir Ing.-Hauptmann Schneider, die
restlichen, noch ausgeborgten Landsturmarbeiter innerhalb von acht
Tagen wieder unserem Werk zuzuweisen, damit wir mit den vielen
Arbeiten, speziell aber mit der Erneuerung der Hindernisse
vorankommen. Auf meine Vorstellung belobigt unser Brigadier unseren
Skodamonteur für dessen einmalige Leistungen, denn der Mann ist für
unser Werk ein unentbehrlicher, getreuer Helfer, der einfach alles
kann, geworden. Im
Laufe unseres Gespräches berichtet unser Brigadier auch über die
Beschußschäden durch die 28er in unseren Nachbarwerken „Sommo“
und „Serrada“. Werk „Sommo“ hat überhaupt, dank seiner
zergliederten Anlage, gar nicht gelitten, im Werk „Serrada“ sind
die entstandenen Schäden kaum der Rede wert und werden laufend von
der Werksbesatzung ausgebessert. Weiters macht unser Brigadier (darauf)
aufmerksam, daß mit weiteren Angriffen der Italiener zu rechnen ist,
da der Gegner noch immer hofft, doch noch auf Folgaria durchbrechen zu
können. Auf meine Frage wegen rechtzeitigen Munitionsersatzes für
meine sechs 10 cm-Haubitzen, da bereits über 4.000 Schuß vom
Werksbestand verbraucht sind, sollen in den nächsten Tagen 2.000 Schuß
zugewiesen werden, sobald der Munitionszug, der schon lange vom
Munitionsreferenten im Kriegsministerium zugesagt ist, im
Ausladebahnhof Calliano im Etschtal eintrifft. Die
kurzen Stunden, die unser verehrter Brigadier in unserer Mitte
verbringt, sind immer ein kleines Fest für uns und vergehen bei
seiner immer so knapp bemessenen Zeit wie im Fluge. Für meine
Artilleristen findet er immer nur Worte des Lobes; verbunden mit
seiner Leutseligkeit bedauern (wir es)
immer, wenn er uns wieder verläßt. 26.
August 1915 Der
28 cm Beschuß (erfolgt) in
gleicher Stärke wie gestern. Ca. 70 Schuß Kaliber 28 cm und ca. 100
Schuß Kaliber 14,9 cm werden auf unser Werk abgegeben. Im
unmittelbaren Werksgelände wurden 33 Einschläge gezählt, davon ca.
10 bis 15 an den Rändern der Eskarpe und der Kontereskarpe. An
Betontreffern wurden heute 21 erzielt. Diese verteilen sich (wie
folgt): 15 Treffer erhält die
Decke der Kehlkaserne, dazu zwei unmittelbare Vorbetontreffer beim
drehbaren Beobachtungspanzer, dessen Vorpanzer frontseitig vollkommen
bloß liegt. Der Vorpanzer steht nur mehr auf seinen Ankerschrauben,
so abgekämmt ist dessen Vorbeton. Die Decke der Traditorenbatterie
wird dreimal getroffen, zum Glück nicht die Durchschlagsstelle im
Munitionsmagazin, dessen Sprengtrichter gestern Nacht noch immer nicht
ausgefüllt werden konnte, da der dafür notwendige Zement erst in den
Morgenstunden am Ausladeplatz unterhalb des Werkes eintraf. Der
Batterieblock erhielt einen Treffer in die äußerste rechte Flanke
desselben. Die
Panzerkuppel der Turmhaubitze Nr. III erhält einen Volltreffer vom
Kaliber 28 cm (in) der
linken Kuppelwange. Die Geschoßspitze dringt ca. 20 cm tief in den
Panzer ein, doch entsteht trotz der Vollexplosion der 28 cm Granate
innen weiter kein Schaden. Nur die
Hebevorrichtung
der Panzerkuppel war blockiert, welche Störung vom Skodamonteur nach
zwei Stunden beseitigt werden konnte. Am Panzerkuppelinneren ist nicht
einmal die Auftreffstelle der 28 cm-Bombe festzustellen. Der
Vorpanzer der Turmhaubitze Nr. I erhält einen Treffer am Auflagerfuß
durch den zermürbten Vorbeton hindurch. Von diesem bricht ein ca. ¼
m2 großes Stück ab, ohne durchschlagen zu werden, da das
28 cm Geschoß im Aufschlag detoniert. Die ausbetonierte Ringgallerie
hatte die ganze Spreng- und Chockwirkung aufgefangen. Bei der
Turmbesatzung gab es zwei Leichtverwundete. (Die) Hebevorrichtung
der Panzerkuppel (ist)
derzeit blockiert, (der)
Skodamonteur mit der Schadensbehebung beauftragt. Heute
in den späten Abendstunden großer, hoher Besuch. Seine Exzellenz
Feldmarschall-Leutnant Alfred Krauss (seinerzeit Generalstabschef des Kommandos der Südwestfront)
besichtigt das Werk und seine Zerstörungen eingehend und sprach sich
mir gegenüber lobend über meine Offiziere und (die) Besatzung
aus. Zum Glück gab es diese Nacht kein 14,9 cm Störfeuer, so daß
Seine Exzellenz ungehindert auf unseren Werksdecken alles in
Augenschein nehmen konnte. Auch unser Brigadier und Ing.-Hauptmann
Schneider waren anwesend. Eine Stunde verbrachte Seine Exzellenz dann
im gemütlichen Beisammensein in unserer Offizierskasematte, nachdem
er auch die Schäden bei der 10 cm Turmhaubitze Nr. I, woselbst unser
Skodamonteur gerade mit der Reparatur der Kuppelhebevorrichtung beschäftigt
war, eingehend besichtigt hatte. Auch Seine Exzellenz bemerkte, daß
bei der Vorpanzerkonstruktion im technischen Militärkomitee wie immer
aus Ersparnisgründen ein großer Fehler gemacht wurde; doch (daß)
gegen die Allmacht dieser Militärbehörde
und rechten Hand des Kriegsministers nicht anzukämpfen war und alle
diesbezüglichen Vorstellungen nutzlos blieben. Gegen 12 Uhr nachts
verließ uns Seine Exzellenz und drückte mir nochmals seine volle
Anerkennung für die Leistung meiner Werksbesatzung aus. Nachdem
heute 500 Sack Zement eingetroffen waren, sind alle Mann auf den
Werksdecken im Einsatz beim Ausbetonieren der vielen, zum Teil nur
zugeschütteten Sprengtrichter. Auch das Kraterloch in der
Traditorenbatterie muß bis zum Morgengrauen mit Beton ausgefüllt
sein, um diese Sorge endlich vom Hals zu haben. Auf den Werksdecken
herrschte bei völliger Beschußstille ein Betrieb, der katastrophal hätte
werden können, wenn der Italiener mit seiner 14,9 cm Batterie einen
Feuerüberfall gemacht hätte. Aber zum Glück für uns sind seine
Beschußweise und Beschußzeiten für uns unergründlich und unverständlich. 27.
August 1915 Der
28 cm Beschuß (ist) etwas
schwächer als gestern. Es werden ca. 55 Schuß Kaliber 28 cm und 140
Schuß Kaliber 14,9 cm auf das Werk abgegeben. An
unmittelbaren Werkstreffer wurden ca. 20 erzielt, hauptsächlich
Kurzschüsse, welche die Eskarpe und die Kontereskarpe stark in
Mitleidenschaft ziehen und viel Felsmaterial in den Graben werfen. Der
Auslauf des linken Grabenastes ist stellenweise bis zu 2 m Höhe
verschüttet. An
Betontreffern werden 17 Einschläge registriert und diese verteilen
sich (folgendermaßen): 8 Treffer erhält die Decke des Kasemattenblockes; Panzer
wurden keine in Mitleidenschaft gezogen. Der
28 cm Beschuß war heute sehr genau, mit geringer Längen- und
Breitenstreuung. Gestern
Nacht konnten 31 Sprengtrichter, darunter auch das Kraterloch in der
Traditorenbatterie, ausbetoniert werden; die Werksbesatzung wurde bis
zu ihrer vollkommenen Erschöpfung überanstrengt. Von ca. 9 Uhr
abends bis zum Morgengrauen wurde geschuftet, um die Zeiten der nächtlichen
Beschußstille ausnützen zu können. Beide
10 cm Turmhaubitzen (wurden)
vom Skodamonteur wieder repariert und sind voll einsatzfähig. 28.
August 1915 Der 28 cm
Beschuß in gleicher Stärke
wie gestern, infolge zeitweisen leichten Nebels jedoch von wesentlich
geringerer Trefferdichte als gestern. Der 14,9 cm Beschuß, darunter
20 Panzergranaten, wie an zwei aufgefundenen Blindgängern
festgestellt wurde, galt der Traditoren- und der 10 cm Haubitzbatterie. Ca.
70 Schuß Kaliber 28 cm und ca. 100 Schuß Kaliber 14,9 wurden im
Laufe des Tages dem Werk zugedacht. Es wurden nur 17 unmittelbare
Werkstreffer und nur fünf Betontreffer, welche alle auf der Decke des
Kasemattenblocks einschlugen, festgestellt. Viele Weitschüsse an
28ern schlugen im Kehlgraben ein und verpesteten dadurch die Luft im
Werksinneren zeitweise ganz schlimm. Die
Lüftungsmonteure sind mit der Montage der Lüftungsrohre beschäftigt,
was die unangenehme Eigenschaft hat, daß die ohnehin schmalen
Poternen und Gangprofile dadurch noch mehr eingeengt werden und den
Verkehr bei dem Überbelag des Werkes sehr behindern. Auch
gestern Nacht konnten an die 25 Sprengtrichter auf den Werksdecken
ausbetoniert werden; die ganze Werksbesatzung stand wieder im Einsatz.
Die Landsturmarbeiter mußten Zement und wieder Zement heranschleppen
und mit Eisenschlögeln die großen Betontrümmer zerschlagen, um auch
kleineres Mischgut dem Zement zusetzen zu können. Unser neuer
Fortifikationswerkmeister ist sehr brauchbar und versteht es, die
Leute richtig einzuteilen, damit ja kein Leerlauf entsteht und jeder
Mann voll und ganz ausgenützt wird. An
eine Reparatur der völlig zerstörten Fronthindernisse ist derzeit
noch nicht zu denken, da zu wenig Stacheldraht zugewiesen wird und die
Ausbesserung der Betonschäden allem anderen vorangeht. Solange unsere
vorgeschobenen Infanteriestellungen in unserem Besitz sind, können (wir)
die Arbeit hinausschieben, da wir doch vor einer eventuellen Überrumpelung
durch die Italiener geschützt sind. Auch an ein Ausräumen des
halbverschütteten Frontgrabens kann derzeit nicht gedacht werden, das muß ebenfalls für einen späteren Zeitpunkt aufgeschoben werden.
29.
August 1915 Schwächerer
28 cm Beschuß als gestern. Es wurden nur 40 Schuß Kaliber An
Treffern schlugen ca. 10 Schuß Kaliber 28 cm teils im Graben, teils
auf die Eskarpe oder Kontereskarpe ein, während an Betontreffern nur
acht erzielt wurden. Davon erhielt der Kasemattenblock fünf, der
Batterieblock auf dessen Ganggewölbe an der gleichen Stelle zwei
Treffer und wurde dabei nahezu durchschlagen. Beide 28 cm-Granaten
schlugen in einen frisch ausbetonierten Sprengtrichter, dessen Beton
noch nicht genügend abgebunden war, und (es)
wäre deshalb (beinahe) zu
einem Gewölbedurchschlag gekommen, da an der inneren Laibung des
Ganggewölbes an der Auftreffstelle ca. ½ m3 Beton abbröckelte.
Panzer wurden keine getroffen. Die Lüftungsmonteure sind mit der
Fertigstellung der Montagen beschäftigt und hoffen, in ein bis zwei
Tagen soweit zu sein, daß wir die Lüfter in Betrieb nehmen können.
Viel verspreche ich mir nicht davon, da die Außenluft – wie bisher
– vo 30.
August 1915 Heute
(ist) wieder ein
ereignisvoller, schwerer Tag – Gott sei’s gedankt – vorüber und
auch für unser Werk überstanden. Seit
6 Uhr früh begann es mit dem normalen 28 cm- und 14,9 cm Beschuß,
und nichts ließ darauf schließen, daß es ein Inferno
unvorstellbarer Wucht für uns werden sollte. Bis gegen 2 Uhr
nachmittags war der 28 cm Beschuß in seiner normalen Stärke, der
sonst übliche 14,9 cm Beschuß war ganz ausgeblieben. Gegen 3 Uhr nachmittags legten alle auf
Folgaria befindlichen italienischen Batterien mit einem Feuerüberfall
auf den Abschnitt Durer-Plaut-Monte Maronia-Kote 1.704 in Form eines
Trommelfeuers, wie wir es bisher nicht erlebt hatten, los. Dagegen
blieb unsere unmittelbar dem Werk vorgelagerte Infanteriestellung
unbeschossen. Gleichzeitig begann die 28 cm-Batterie am Venaspass ein
Dauerfeuer von Zweischusslagen mit Schussintervallen von vier bis fünf
Minuten auf unser Werk loszulassen, dass uns Hören und Sehen verging.
Die 28 cm-Kaliber hagelten nur so auf uns nieder, vermischt mit
Batterielagen von 14,9 cm-Kalibern gegen unsere rechte Werksflanke
sowie Traditoren- und Haubitzbatterie, so dass wir sofort wussten, dass
dies der Anfang eines neuen Großangriffs der Italiener sein wird.
Auch unser beiden Nachbarwerke „Sommo“ und „Serrada“ waren in
schwarze Rauchwolken der dort ebenfalls pausenlos einschlagenden 28
cm-Bomben gehüllt. Es war klar erkennbar, dass unser Gegner bestrebt
war, uns mit aller Gewalt niederzuhalten und nach Möglichkeit
auszuschalten, um seinem geplanten Angriff diesmal zum Erfolg zu
verhelfen. Wie mir unser Artilleriebeobachter am Durer meldet, lag
dieser unter dem Feuer einer 21 cm Batterie, die schwere Schäden an
den Infanteriestellungen der Standschützen bewirkte. Bis
6 Uhr abends dauerte der 28 cm Beschuß, und (es)
wurden mindestens 130 Schuß, wenn nicht mehr, auf unser Werk
abgegeben. Auch ca.
150 Schuß Kaliber
14,9 cm mußten
(wir) in
dieser Zeit über uns ergehen lassen. Die Raumluft war wieder speziell
im Untergeschoß des Kasemattenblocks von Sprenggasen erfüllt, so daß
ich dieses für einige Zeit räumen ließ, da ein Aufenthalt unmöglich
geworden war. Gegen 3 Uhr nachmittags setzte der Großangriff
des Feindes im geschilderten Angriffsraum mit aller Wucht und Stärke
ein. Dazu erhält die 10 cm Turmhaubitze Nr. I einen 28 cm Treffer,
ca. 0,5 m unterhalb des Panzerkuppelauflagers. Der Vorpanzer wird
glatt durchschlagen, das Geschoß detoniert aber während des
Panzerdurchschlags so, daß die ausbetonierte Ringgallerie die ganze
Chok- und Sprengwirkung auffängt und im Inneren des Panzerturms nur
die Hebevorrichtung der Panzerkuppel blockiert wird, so daß die
Panzerkuppel nicht gedreht und gehoben werden kann. Gleich nach dem
erhaltenen Vorpanzertreffer erhält die Panzerkuppel selbst einen 28
cm Volltreffer in die rechte Kuppelwange, ca. 70 cm oberhalb des
Kuppelauflagers in der Ringfuge. Die Geschoßspitze dringt etwa 17 cm
tief in den Panzer ein, ohne weiteren Schaden anzurichten. Der Ausfall
der einen 10 cm Turmhaubitze war bei dem zu erwartenden Angriff natürlich
sehr unangenehm, da wir sonst mit den vier 10 cm Turmhaubitzen immer
nur knapp allen an uns gestellten Anforderungen gerecht werden
konnten. Der Skodamonteur meldete mir, daß die Reparatur mindestens
drei bis vier Stunden in Anspruch nehmen wird, so daß mit dem Geschütz,
dessen Geschütz feindabwärts gedreht ist, nicht zu rechnen ist. Wir
feuern auf alle vom Artilleriegruppenkommando befohlenen Ziele, auf
das beste unterstützt von meinen zwei Artilleriebeobachtern auf dem
Durer und Kote 1.653. Die Italiener, Bersaglieri und Alpini, gingen
mit großem Schneid und wahrer Todesverachtung gegen unsere Stellungen
vor, unbeschadet des Flankenfeuers, welches von unseren fünf 10 cm
Haubitzen in ihren Reihen einschlug und dort blutige Ernte hielt.
Das ganze Hintergelände wurde, als der Feindangriff sich unaufhaltsam
unseren Stellungen näherte, von den Feindbatterien unter Feuer
gehalten und nahezu hermetisch abgeriegelt. Aber
auch dieser Angriff brach nach zweistündigem, erbitterten Kampf
zusammen, und der Gegner mußte in seine Ausgangsstellungen zurück.
Nur um den Monte Maronia wurde noch erbittert gekämpft, als es dem
Gegner gelungen war, unsere Landesschützen vom Plateau zu vertreiben.
Da kam der Befehl vom Artilleriegruppenkommando: „Alle
Werksartillerie, auch jene von ‚Sommo‘ und ‚Serrada‘,
Sperrfeuer auf das Maronia-Plateau!“ Nach zehn Minuten
Feuerkonzentration war auch dort die Krise überwunden und die
Italiener in fluchtartigem Rückzug begriffen, die Landesschützen (aber)
wieder Herren ihrer alten Stellung. Aber auf unser Werk hagelten bis 7 Uhr
abends die 28er nieder, ohne Pause. Aber der erwartete Schaden nach
dem Massenbeschuß war – außer der Störung der 10 cm Turmhaubitze
– verhältnismäßig gering und stand in keinem Verhältnis zum
aufgewandten Munitionsverbrauch der 28 cm-Batterie. Im ganzen wurden
ca. 50 Einschläge im unmittelbaren Werksgelände erzielt, darunter
wieder viele Kurz- und Weitschüsse in und auf den Front- und
Kehlgraben, die stark unter neuerliche Verschüttungen zu leiden
hatten. An
Betontreffern erhielt der Batterieblock 17 Einschläge, außerdem je
einen Vorbetontreffer bei den 10 cm Turmhaubitzen Nr. II und III. Die
Panzerkalotte des Stiegenaufganges zum Verdeck erhält einen 28
cm-Treffer, wird aber nicht durchschlagen, aber dafür der Zugang
selbst vollkommen verschüttet. Die Decke des Kasemattenblocks erhält
21 Treffer, die aber außer Sprengtrichtern verschiedener Größe und
Tiefe keinen weiteren Schaden anrichten. Unsere beiden Artillerie-Außenbeobachter
bleiben heil; ebenso war die Telephonleitung zu beiden
Beobachtungsposten die ganze Zeit heil und nicht unterbrochen. Auch
die Wasserleitung, unser sonstiges Schmerzenskind, blieb diesmal von
einer Beschädigung verschont. Gegen 8 Uhr abends herrscht
vollkommene, unheimliche Stille an der ganzen Folgariafront. Durch
unser Lazarett hatten (wir)
nur geringen Verwundetendurchgang, und (es)
wurden im ganzen nur 31 Mann von unserem Werksarzt versorgt, die aber
alle vorläufig bei uns bleiben, da die Verwundeten des angegriffenen
Frontabschnitts heute Vorrang haben. Nun, ich lasse eine Kasematte zur
Aufnahme der Verwundeten räumen, und dort sind diese gut
untergebracht und versorgt. Für
heute Nacht sind wir, wenn es kein Störfeuer gibt, mit Arbeit wieder
eingedeckt noch und noch. Um
7 Uhr abends meldet mir der Skodamonteur, daß die 10 cm-Haubitze des
Panzerstands Nr. I wieder voll verwendungsfähig ist und alle
entstandenen Schäden beseitigt sind. Unsere
Munitionsbestände haben eine gähnende Leere erfahren. Noch ein
solcher Angriff, und es ist aus. Dann haben wir nichts mehr zu ballern
und können unseren tapferen Infanteristen, die mit wahrer
Todesverachtung heute wieder gekämpft haben, nicht mehr helfen. Aber
hoffentlich kommt es doch nicht so weit und trifft die versprochene 10
cm Haubitzmunition rechtzeitig ein. Wir schleppen sie gern auf unseren
Schultern ins Werk, mag es dann noch so weit sein; wenn wir sie nur
bekommen. 30.
August 1915 Nach
einer völlig schußtoten Nacht seit 6 Uhr früh wieder schwerer 28 cm
Beschuß, wahrscheinlich als Vergeltung für den gestrigen Mißerfolg
des Feindangriffs dank unserer erfolgreichen Abwehr. Der 28 cm
Beschuß
dauert von 6 Uhr früh bis 6 Uhr abends und war nur während der Zeit
von 12 Uhr mittags bis 1 Uhr mittags unterbrochen. Ca. 120 Schuß vom
Kaliber 28 cm und ca. 90 Schuß Kaliber 14,9 cm wurden uns heute
wieder zugedacht. Der 28 cm Beschuß erfolgte nur in Zweischußlagen
mit Schußintervallen von zehn Minuten und mehr. An Werkstreffern im
unmittelbaren Werksgelände wurden ca. 40 Einschläge registriert,
davon wieder zahlreiche Treffer, deren genaue Zahl nicht feststellbar
ist (ca. 20 bis 25) auf die Eskarpe und Kontereskarpe des Front- und
die Kontereskarpe des Kehlgrabens, die wieder viel abgesprengtes
Felsmaterial in die Gräben warfen, deren Grabensohle aber ebenfalls
einige unmittelbare Treffer erhalten hatten. Die linke Flanke der
Grabenstreiche in der Kontereskarpe hat für die 6 cm
Minimalschartenkanone und das Maschinengewehr keinen Ausschuß
mehr. Speziell der Anschluß an die linke Flügelmauer der
Grabenstreiche bildet eine steile, schräge Fels- und Geröllhalde,
die durch mindesten zehn 28 cm Treffer an dieser Stelle entstanden
sind. Von den Hindernissen in der Front sind nur mehr verbogene
Rundeisen und Drahtfragmente nebst Sprengtrichter neben Sprengtrichter
vorhanden, deren Zahl auf mindestens 500 bis 600 zu schätzen ist. An
reinen Betontreffern wurden heute 29 erzielt. Diese verteilen sich (folgendermaßen):
17 Deckentreffer auf den Kasemattenblock;
11 Deckentreffer auf den Batterieblock;
1 Deckentreffer auf die Grabenstreiche. Im
unmittelbaren Bereich der Frontmauer des Kasemattenblocks am rechten
Flügel des Werkes, anschließend an die Traditorenbatterie, schlugen
mindestens an die zehn Treffer ein, die dort wieder einen riesigen
Sprengtrichter von ca. 3 m Tiefe und einem Durchmesser am oberen
Trichterrand von sieben bis acht Metern hervorriefen. Das
Frontmauerwerk im Sprengtrichterbereich weist meterlange Sprünge und
Risse auf und ist in einer Länge von ca. zehn Metern durchschnittlich
um einen Meter geschwächt worden, so daß Gefahr besteht bei
neuerlichen Treffern an der Stelle, (daß)
ein Mauerdurchschlag erzielt werden kann. Von
den Dreh- und Fixpanzern wurde keiner getroffen. Dagegen wurde unsere
Blinkstation (Fernsignalstation) zum Werk „Sommo“, anschließend
an den Munitionsraum der Traditorenbatterie, durch einige genau
sitzende 14,9 cm Treffer demoliert. Mindestens zehn Einschläge
oberhalb des Panzerschilds. Bei seiner Einbindung in das Betonmassiv
wurde dieses durchschlagen und dabei mehr als 1,5 m3
Betontrümmer in den Raum geworfen. Glücklicherweise konnten die
Apparaturen noch rechtzeitig ausgebaut und so vor deren Vernichtung
bewahrt werden. Das Mauerwerk war speziell an dieser Stelle durch
wiederholte 14,9 cm-Treffer schon sehr geschwächt, weshalb es auch
zum Durchschlag des Mauerwerks kam. Der erste fertig montierte elektrische Lüfter
wurde heute früh in Betrieb genommen und arbeitet einwandfrei.
Jedenfalls erzielt er eine ganz wesentlich bessere Durchlüftung des
ganzen Erdgeschosses, als mit den Handlüftern erreicht werden konnte.
Allerdings muß die Lüftermaschine sofort abgestellt werden, wenn 28
cm Bomben im Kehlgraben detonieren, da sonst wieder die ganzen Spreng-
und Rauchgase angesaugt und in des Werksinnere gedrückt werden und
die Raumluft neuerlich verpesten. Aber wir sind froh, wenigstens während
der schußtoten Zeiten Frischluft in ausreichender Menge in das
Erdgeschoß des Werkes zu bekommen. Die
Stollenarbeiten gehen nur langsam voran, da die uns belassenen drei
Sappeure auf drei Partien in dem einen Vortrieb mit je acht Stunden
Arbeitszeit eingeteilt sind. Da nur von Hand gebohrt wird, da wir
derzeit keine pneumatische Bohrmaschine erhalten können, geht die
Arbeit sehr langsam vor sich und (wir)
kommen in 24 Stunden im Durchschnitt nur um 5 bis 6 m voran. Aber
bis jetzt haben (wir) die
Überzeugung gewonnen, daß, wenn kein schwereres Kaliber als das 28
cm in Zukunft zu erwarten ist, unsere Werksdecken ausreichenden Schutz
gegen den 28 cm Beschuß garantieren, und wir auch ohne
Sicherheitsstollen auskommen können. Aber sicher ist sicher, um
jederzeit vor unliebsamen Überraschungen gesichert zu sein. Auch
in der gestrigen, vollkommen schußtoten Nacht wurden unter Einsatz
aller verfügbaren Kräfte der Werksbesatzung die Reparaturarbeiten
auf den Werksdecken fortgesetzt und konnten 27 Sprengtrichter
ausbetoniert werden und entstandene Tagesschäden auf der Werkszufahrt
repariert werden. Die Eintragungen im Werkstagebuch vom 31. August 1915 fehlen, sind aber vermutlich dem zweiten Eintrag unter 30.August zuzuordnen. Resümee für August 1915 Feindbeschuß im August 1915 Auf
das Werk „Sebastiano“ wurden abgegeben:
Ca. 1.545 Schuß Kaliber 28 cm
Ca. 1.870 Schuß Kaliber 14,9 cm Der
Beschuß mit leichten Kalibern wie der 7 cm-Gebirgsbatterie auf Soglio
d’Aspio konnte nicht genau ermittelt werden und dürfte ca. an die
1.000 Schuß heranreichen. Der
eigene Munitionsverbrauch der Panzergeschütze des Werkes betrug:
4.563 Schuß 10 cm-Haubitzmunition, davon
3.103 Granatschrapnells und
1.461 Sprenggranaten. Die
noch aus den Friedensbeständen vorrätigen Schrapnells mit Doppelzünder
waren bereits Ende Juli gänzlich aufgebraucht worden, und (wir)
bekommen als Ersatz dafür nur Granatschrapnells zugeschoben. Verluste der Werksbesatzung im August 1915
An Gefallenen:
3 Unteroffiziere, davon 2 der Landsturmarbeiter;
15 Mannschaften, davon 9 der Landsturmarbeiter.
An Verwundeten:
2 Unteroffiziere, davon 1
der Landsturmarbeiter;
29 Mannschaften, davon 18 der Landsturmarbeiter. Alle
Gefallenen, die vorübergehend in der Werksgruft untergebracht worden
waren, wurden auf den Heldenfriedhof in Folgaria gebracht und dort
bestattet. Ebenso
wurden alle Leichtverwundeten an das Feldspital in Folgaria überstellt.
Derzeit (sind) im
Werkslazarett noch drei Schwerverwundete und zwei Kranke, die nicht
transportabel sind. Alle Dreh-und Fixpanzer mit deren Waffen (sind) voll einsatzfähig. Die Ereignisse im September 1915
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