Die Panzerkonstruktionen der Folgaria- und Lavaronewerken Entnommen aus dem Roman Die Uhrheberrechte bei den Seiten liegen bei Albin Kühnel und sind auszugsweise auch in abgeänderter Form, auf Papier oder Datenträgen verboten.
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Die
empfindlichen Teile aller in der letzten Bauphase vor dem Ersten
Weltkrieg an der Grenze zu Italien errichteten k.u.k. Werke waren durch
Fix- und Drehpanzer vor Beschädigungen durch feindlichen Beschuss geschützt.
Neben den Panzerkuppeln der Geschütztürme und den fixen und drehbaren
Beobachtungsständen gab es gepanzerte Maschinengewehr und
Scheinwerferstände, Grabenstreichen, Traditorkasematten, und auch die
Stiegenaufgänge zu den Dreh- und Fixpanzern waren durch so genannte
Panzerkalotten abgedeckt.
Geschütztürme Bis
auf das ausschließlich zu Beobachtungszwecken errichtete Werk „Cima
di Vezzena“ waren alle Lavarone- und Folgariawerke mit der 10
cm-Turmhaubitze M 9, dem modernsten von Österreich-Ungarn hergestellten
Festungsgeschütz ausgestattet, allerdings in unterschiedlicher Anzahl.
Die Werke „Verle“, „Lusern“, „San Sebastiano“ und
„Serrada“ verfügten über je vier, das Werk „Gschwent“ über
drei und das Werk „Sommo“ über zwei derartige Geschütze. Die
Turmhaubitzen standen in so genannten Geschütztürmen, die in allen
Werken nach dem gleichen Schema aufgebaut waren. Auf dem Vorpanzer,
einem mächtigen, 80 mm starken Stahlring mit 24 Ausnehmungen, saß eine
Panzerkuppel mit 24 analogen Zähnen. Sollte nun die Kuppel in eine der
24 „Kuppelstellungen“ gedreht werden, so wurde sie zunächst mittels
zweier „Kuppelträger“ aus der Verzahnung gehoben, in die befohlene
Kuppelstellung gedreht und wieder gesenkt, um gegen Schüsse, die sie
tangential treffen, fest zu sein. Nach dieser groben Richtung durch die
Kuppel (und damit des darin befindlichen Geschützes) wurde der
Panzerhaubitze in einer so genannten Minimalscharte die genaue Richtung
gegeben, denn der Drehpunkt des Geschützes lag in der Öffnung, durch
die es ragte; dadurch konnte diese Öffnung möglichst klein gehalten
werden (daher „Minimalscharte“). Normalerweise brauchte die Kuppel
nur um etwa 2 bis 3 mm angehoben werden, um sie in eine andere Stellung
zu drehen. Zur Behebung von Verklemmungen und zum Ausgleich von möglichen
Vorpanzersenkungen war jedoch eine Anhebung bis zu 10 mm möglich. Der
Übergang aus einer Grundstellung in eine benachbarte dauerte 15
Sekunden, bei angehoben bleibender Panzerkuppel (Nahabwehr) sogar nur 5
Sekunden. Bedingt
durch die 24 Grundstellungen überlagerten sich die
Seitenbestreichungsfelder der Turmhaubitze um 7o. Da das Rohr
der Turmhaubitze einen von der Kuppel unabhängigen Seitenschwenkbereich
von 22,5o aufwies, konnten alle im 360o-
Feuerbereich der Turmhaubitze befindlichen Ziele genau anvisiert werden. In
jeder Grundstellung war die Panzerkuppel verriegelt; auch exzentrische
Treffer verursachten keine Verdrehung derselben. Die beiden
Hebevorrichtungen trugen die Panzerkuppel elastisch, so dass selbst
im Falle eines Treffers
auf die angehobene
Panzerkuppel der Stoß auf den Vorpanzer übertragen
wurde, das Geschütz und die gesamte Einrichtung aber geschont blieben.
Das Geschütz und die Kuppelträger waren auf einer stählernen,
drehbaren, auf Kugellagern laufenden Plattform montiert; durch die
starre Verbindung mit der Panzerkuppel folgte sie zwangsläufig deren
Bewegungen. Der
Zugang zum Geschützturm erfolgte über eine seitlich aus dem
Batteriegang hinaufführende Treppe, die durch eine Panzerkalotte geschützt
war. Die Panzerkuppeln bestanden aus 250 mm starkem Flusseisen, einer zähen,
leicht formbaren Eisen-Nickellegierung, hatten einen Durchmesser von 3
m, wogen je Stück 18.700 kg und wurden von der Fa. Skoda in Pilsen
hergestellt. Der aus zwei Teilen bestehende Vorpanzer wog 16.600 kg und
die Eingangskalotte je nach Länge der Stiege 2.300 bis 4.000 kg. Alles
in allem wog die Panzerung eines Geschützturms bis zu 30 to. Die
Panzerkuppeln haben die in sie gesetzten Erwartungen in jeder Hinsicht
erfüllt. Selbst bei Treffern durch die italienischen 30,5 cm-Granaten,
die bis zu 190 mm tief eindrangen, traten an der Innenfläche der Kuppel
weder Sprünge noch Ausbuchtungen auf; nicht einmal der Lack blätterte
ab. Von den 21 Panzerkuppeln, die man in die Folgaria-Lavaronewerke
eingebaut hatte, wurde nur eine einzige, nämlich im Werk Verle, nach
einem Vorpanzerdurchschlag durch eine italienische 30,5 cm-Granate
abgeworfen und dabei in zwei Teile gespalten; Ursache war ein Gussfehler,
wie man nachträglich festgestellt hat.
Eine
große Schwachstelle der Geschütztürme waren die Vorpanzer. Sie waren
zu schwach dimensioniert, reichten zu wenig tief (nur 1 m) in die
Betonvorlage hinein und wurden daher leicht durchschlagen oder
unterfahren. Sie allein waren am Ausfall so mancher Turmhaubitze schuld.
Zweimal - in „Verle“ (schwerer Flachbahntreffer oberhalb der
Ringfuge mit Durchschlag und Innenexplosion. Geschütz demoliert, Kuppel
abgeworfen und gespalten) und in „Lusern“ (Betonvorlage abgeräumt,
Vorpanzer freigelegt, durch Flachbahnbeschuss unterfahren.
Innenexplosion; Geschütz demoliert, Kuppel abgeworfen und in den Graben
geschleudert) verursachten Durchschläge oder Unterfahren des Vorpanzers
den Abwurf der Panzerkuppel und die Zerstörung des Geschützes. In
„Verle“ und in „Lusern“ mussten bei jeweils zwei weiteren Geschütztürmen
die Panzerhaubitzen ausgebaut und außerhalb der Werke aufgestellt
werden, weil die Panzerkuppeln durch Vorpanzertreffer entweder dauerhaft
verklemmt oder verschoben worden waren. Bei den anderen vier Werken gab
es zwar auch Treffer in den Vorpanzer; die Beschädigungen konnten
jedoch - zum Teil noch am gleich Tag - behoben werden und beeinträchtigten
die Kampfkraft dieser Werke nicht. Alle
entstandenen Zerstörungen und Schäden an den Drehpanzern erfolgten -
wie bereits ausgeführt - ausschließlich von unten her, indem der
Vorpanzer entweder durchschlagen oder unterfahren wurde. Während der
Beschießung war eine Wiederherstellung der weggeschossenen äußeren
Betonummantelung des Vorpanzers nahezu unmöglich. Ein einziger schwerer
Treffer war imstande, im Beton einen Trichter von mehr als einem
Kubikmeter Inhalt auszuwerfen, also die gleiche Menge Beton zu zerstäuben
und wegzufegen. Eine behelfsmäßige Ummantelung mit Sandsäcken hatte
zumeist nur kurzen Bestand. Der
seinerzeitige Hauptmann im Geniestab Schneider ließ daher zur Verstärkung
des inneren Teils der Vorpanzer deren Ringgalerien ausbetonieren; dabei
wurden 40 cm starke Profilträger Mann an Mann stehend mit eingebaut.
Die Durchschläge in den Vorpanzern wurden ausbetoniert oder mit
abgeschnittenen Geschoßböden der italienischen 28 und 30,5 cm-Granaten
beiderseits mit Stahlschrauben verschraubt.
Diese Maßnahmen
haben sich bei Einschlägen
bis zum Kaliber 28 cm sehr gut bewährt. Die gravierenden Mängel an den Vorpanzern hatte man bereits bei den Schießversuchen 1912/13 mit dem 30,5 cm-Mörser M 11 am Steinfeld erkannt. Für die neuen 10 und 15 cm-Turmhaubitzen M 14 war daher bereits eine größere Dimensionierung vorgesehen (Stärke: 30 cm; Einbautiefe: 2 m). Allerdings erhöhte sich dadurch das Panzergewicht auf nahezu 74 Tonnen (Kuppel: 22,5 to; Vorpanzer: 51 to.). Wegen des Kriegsausbruchs unterblieb jedoch ihr Einbau.
Der drehbare Beobachtungs- und Maschinengewehrstand Der Beobachtungsstand enthielt auch eine Scharte für ein Maschinengewehr. Beide Schartenmitten standen zueinander in einem 130o-Winkel, so daß ggf. die Kuppel so gedreht werden konnte, daß beide Scharten dem feindlichen Feuer abgewendet waren. Die für die Optik eingerichtete Scharte hatte einen waagrechten Sichtbereich von 83o, die Maschinengewehrscharte einen solchen von 25o. Es war also, wie bei der Turmhaubitze, nicht notwendig, für jeden Zielwechsel die Panzerkuppel zu drehen. In der Normalausführung hatten sowohl die Optik als auch das Maschinengewehr einen lotrechten Wirkungsbereich von - 20o bis + 20o. Eine Sonderausführung zur Bestreichung sehr steiler Hänge ermöglichte in bestimmten Sektoren eine Gewehrsenkung bis zu 35o. Die
Panzerkuppel bestand aus dem gleichen Material wie die der Turmhaubitze,
hatte eine durchgehende Stärke von 200 mm und ruhte mittels elastischer
Tragpuffer auf einem eigenen Kuppeltragring, der wiederum von den auf
dem Vorpanzerring liegenden Kugeln getragen wurde. Die elastische und
gleichzeitig unabhängige Lagerung der Panzerkuppel bezweckte die
Schonung des Kugellagers und der am Tragring befestigten inneren
Einrichtung; bei einem Treffer gaben die Puffer nach und die Kuppel saß
auf dem Ringwulst des Vorpanzers auf. Die Panzerkuppel war durch sechs
abnehmbare Klauendübel gegen einen Abwurf gesichert. Für
Beobachtungszwecke mittels der eingebauten ausgezeichneten Optik waren
sechs Kuppelstellungen vorgesehen, die durch eine Sperrvorrichtung
gesichert werden konnten. Schwachstelle war auch hier der Vorpanzer. Er war aus einem Stück gegossen, nur einen Meter hoch und von zu geringer Wandstärke (100 mm). Er konnte daher bei der Beschießung sowohl unterfahren als auch durchschlagen werden. Beim Werk Lusern wurde der MG- und Beobachtungspanzer am 12.04.1916 durchschlagen, die Kuppel durch die nachfolgende Innenexplosion abgeworfen. Im Werk Sommo durchschlug am 30.08.1915 eine 28 cm-Granate den Vorpanzer, ohne zu explodieren. Die Granate blieb im Vorpanzer stecken und ragte 170 mm in den Kampfraum hinein.
Der fixe Beobachtungsstand Für die Feuerleitung der Haubitzenbatterie besaß jedes Werk einen fixen Beobachtungsstand, eine ovale Panzerkuppel mit zwei Schlitzen, unter denen sich kreissektorförmige Stahlplatten für die Landkarten, die Plantische befanden. Ein in der Schlitzscharte schwenkbares Fernrohr, das mit einem Diopterlineal auf der Karte verbunden war, machte es möglich, jedes auftauchende Ziel im Vorgelände sofort der Länge und Seite nach festzulegen. Die fixen Beobachtungsstände haben sich ausgezeichnet bewährt. Alle haben den Beschuss trotz zahlreicher Treffer überdauert und sind stets einsatzbereit geblieben.
Der Traditor Die österreichische Befestigungskunst hatte schon immer auf eine kräftige Wirkung der Kampfobjekte in der Flanke, dem Zwischenraum, ganz besonderen Wert gelegt: auf den Traditor. Einem ihrer großen Wegbereiter, dem 1904 verstorbenen k.u.k. Feldmarschallleutnant Ritter von Brunner, verdankte sie die Einführung der Traditorengeschütze in Österreich-Ungarn. Für die Traditoren eines Werkes wurden je Flanke mindestens zwei schnellfeuernde, auch zum direkten Richten eingerichtete Geschütze vom Kaliber 8 cm aufwärts für notwendig erachtet. Für den
Schutz dieser hinter senkrecht stehenden, bombensicheren, 200 mm starken
Panzerschilden postierten, aus Minimalscharten feuernden Geschützen
gegen den direkten und den Bogenschuss sowie gegen besondere
Unternehmungen wurde sorgfältigst vorgesorgt. Die Panzerscharten lagen
so hoch über dem Außengelände, dass der Ausschuss nicht durch
Mauerwerks oder Felstrümmer usw. verlegt werden konnten. Von
den Lavarone- und Folgariawerken besaßen nur „Verle“, „Lusern“
und „San Sebastiano“ eine Traditorenbatterie. Die vier 8 cm-
Minimalschartenkanonen Modell 05 der beiden Werke „Verle“ und
„Lusern“ haben ganz wesentlich zur Abwehr aller italienischen
Angriffe, die auf das zwischen ihnen liegende Gelände versucht wurden,
beigetragen. Die Italiener wiederum waren ständig bemüht, diese
einmalig wirksamen Geschütze außer Gefecht zu setzen. In
der rechten Flanke des Kasemattblocks des Werks „San Sebastiano“
waren statt der 8 cm Minimalschartenkanonen zwei 10 cm-Haubitzen M 9 als
Traditorengeschütze eingebaut. Auch sie haben sich bei der Unterstützung
eigener und der Abwehr feindlicher Infanterieangriffe ausgezeichnet bewährt. Als
im Werk „Lusern“ die Turmhaubitze Nr. 1 nach einem Treffer auf den
Vorpanzer verklemmt war und nicht mehr gedreht werden konnte, wurde sie
bis zum später erfolgten Ausbau des Geschützes als zusätzlicher
Traditor gegen des Werk Verle eingesetzt. Die Grabenstreiche Von
den Werken auf den Hochflächen von Lavarone und Folgaria waren
„Verle“, „Lusern“ und „San Sebastiano“ vollkommen von einem
etwa acht Meter tiefen und ebenso breitem Graben umgeben, dessen Boden
mit Drahtverhau versehen war. Das Werk „Gschwent“ besaß einen
Front- und einen Kehlgraben, das Werk „Serrada“ einen Frontgraben,
einen Kehlgraben und eine Graben in der linken Flanke, während man bei
den Werken „Sommo“ und „Cima di Vezzena“ auf den Graben überhaupt
verzichtet hatte. Ein Graben gewährleistete die Sturmfreiheit eines
Werkes, d.h., die Anlage war gegen gewaltsames Eindringen mittels eines
Leiterangriffs gesichert. Der
Verteidigung des Grabens dienten sogen. Grabenstreichen. Das waren
entweder Kaponnieren, in Österreich-Ungarn auch Koffer genannt, wenn
sie in den Graben hineinragten, oder Reverskaponniere, wenn sie an der
Brechung eines Grabens in die Kontereskarpe hineingebaut waren. In
beiden Fällen handelte es sich um bombensicher eingedeckte und mit
kleinkalibrigen Geschützen und Maschinengewehren armierte Räume, die
durch eine Poterne mit dem Hauptwerk verbunden waren; man hatte sie so platziert,
dass sie immer in zwei Richtungen feuern konnten. In „Verle“, dessen
Frontgraben nicht geradlinig verlief, sondern aus zwei gegeneinander
gewinkelten Teilen bestand, befand sich die Grabenstreiche als
Reverskaponniere in der Mitte der Kontereskarpe. In „Lusern“ und
„San Sebastiano“ hatte man die Grabenstreiche ebenfalls als
Reverskaponniere an der Brechung des Frontgrabens mit dem rechten
Flankengraben in die Kontereskarpe hineingebaut. Im Werk „Serrada“
befand sich die Grabenstreiche in Form einer Reverskaponniere an der
Brechung des Frontgrabens mit dem linken Flankengraben. Im Werk
„Gschwent“ schützte eine an die Mitte der Kontereskarpe angebaute
Kaponniere (Koffer) den gerade verlaufenden Frontgraben. Die Kehlfront
aller Werke wurde durch an der Rückseite angebaute kofferartige
Panzerstände gesichert.
im Hintergrund ein Kontereskarpenkoffer Die Bewaffnung der Grabenstreichen bestand in den Werken „Verle“, „Lusern“ und „Serrada“ aus 6 cm-Kasemattkanonen Modell 10 und aus Maschinengewehren, in den übrigen Werken nur aus Maschinengewehren. Die Geschütze und Maschinengewehre standen - wie bei den Traditoren - hinter senkrechten, 200 mm starken Panzerschilden. Die tiefen Gräben rund um die Werke haben sich nicht bewährt. Bei schweren Artilleriefeuer waren sie sehr rasch von abgesprengten Fels- und Betonbrocken zugeschüttet und machten die teueren Grabenstreichen unwirksam. In den Werken „Verle“ und „Lusern“ trat diese Unzulänglichkeit besonders gravierend in Erscheinung. So heißt es beispielsweise am 31.08.1915 im Werktagebuch von „Lusern“: „...Die ganze Front der Haubitzbatterie bildet eine schräge Schutthalte in den (Front-)Graben, der bereits mehr als zwei Meter hoch verschüttet ist. Die Waffen in der Grabenstreiche haben keinen Ausschuß mehr und sind deren Scharten vollkommen verschüttet...“ Und der Werkskommandant vom Werk „Verle“ vermerkte am 23.08.1915 in seinem Tagebuch: „...Schwerste Schäden erlitt heute unser Frontgraben. Massenhafte Felsabstürze sowohl der Eskarpe als auch der Kontereskarpe verschütteten den Graben stellenweise an die vier Meter und mehr hoch. Nachdem die Grabenflankierung nach dieser Seite keinen Ausschuß besitzt, werden (wir) nach Rücksprache mit unserem Gruppenkommandanten, Obst. Ellison, die zwei 6 cm-Minimalschartenkanonen und das Maschinengewehr abmontieren und im Gelände auf Betonbettungen neu etablieren, um als Traditoren gegen den Cima-Abhang bei einem italienischen Infanterieangriff zu wirken...“
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