Gestaltung der k.u.k. Hochflächenwerke

Entnommen aus dem Roman 
"Sturm über den Werken"
von Albin Kühnel

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Ulrich Mößlang der Tauchbrillenspezialist
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Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
  
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

 

Die der letzten Bauperiode vor dem Großen Krieg entstammenden Anlagen auf den Hochflächen von Lavarone und Folgaria waren modernen Panzerforts; ihre Bewaffnung bestand aus 10 cm-Turmhaubitzen, aus Traditoren- und Grabenstreichengeschützen sowie zahlreichen gepanzerten und kasemattierte Maschinengewehren.  

Was ihre bauliche Gestaltung angeht, so gab es viele Gemeinsamkeiten. Allerdings hatte man bei den Werken „San Sebastiano“, „Sommo“ und „Serrada“ der Folgariagruppe, aber auch beim Werk „Gschwent“ der Lavaronegruppe, mit deren Errichtung erst später begonnen worden war, bereits die neuesten Erkenntnisse des Festungsbaus berücksichtigt. Die folgende Aufzählung und Beschreibung der Gemeinsamkeiten gilt im wesentlichen für alle Werke; größere Abweichungen davon weisen auf Grund ihrer besonderen Aufgabenstellung nur die Werke „Cima di Vezzena“ (ein reiner Beobachtungsposten) und „Sommo“ (ein Artillerie-Zwischenwerk) auf. Auf sie wird daher besonders eingegangen.  

Eines der beiden Hauptteile eines Panzerwerks war ein lang gestreckter, niederer, feindwärts in den Felsen eingebauter, dreigeschossiger Betonblock. Er diente als Unterkunft für die Besatzung und wurde Kasemattblock genannt. Die Fensteröffnungen der Kasematten, alle in der Rückfront, der „Kehle“ des Werkes mündend, waren mit starken Stahlläden verschließbar. Ein vorspringender Bau, der „Kehlkoffer“, machte es möglich, im Falle einer völligen Einschließung des Werkes die Kehlfront unter Maschinengewehrfeuer zu nehmen und Nahangriffe abzuwehren. Der Kasemattblock war durch einen bombensicheren Gang, eine so genannte Poterne, mit dem zweiten Hauptteil des Werkes, dem feindseitig vorgebauten Batterieblock verbunden. Dieser Batterieblock war ebenfalls in den Felsen versenkt und mit Beton eingedeckt. Auf seiner Decke ruhten die Panzerkuppeln der Turmhaubitzen und ein gepanzerter Beobachtungsstand für die Feuerleitung. Vor dem Batterieblock gähnte eine bis zu acht Meter breite und ebenso tiefe, in den Felsen gesprengte Schlucht, deren Boden mit Drahtverhau versehen war: der Frontgraben. Eine Poterne führte über Stiegen unter der Sohle des Frontgrabens hindurch in die Grabenbestreichungsanlage, einen Betonbau, der entweder in die Kontereskarpe (Reverskaponniere) hineingebaut war oder als so genannter Koffer (Kaponniere) in den Frontgraben hineinreichte. Von ihr aus konnte, je nach Lage der Grabenstreiche, der Frontgraben und ggf. auch ein Graben in der Flanke des Werkes mit 6 cm-Kasemattkanonen und Maschinengewehren bestrichen werden.  

Im Innern glichen die Werke einem Kriegsschiff: Schmale Gänge, eiserne Treppen, die Decken aus Stahlträgern. Kabelbündel liefen die Wände entlang, überall künstliches Licht, elektrische Ventilatoren. Die Räume waren niedrig, durch meterdicke Betonmauern voneinander getrennt und nur über die Hauptpoternen zu erreichen. Jedes Werk verfügte über Verpflegungs- und Munitionsvorräte für 45 Tage. Zisternen für Trink- und Kühlwasser machten sie auch in dieser Hinsicht von der Außenwelt unabhängig. Sogar für die Toten war vorgesorgt. Eine eigene Gruft mit verschraubbaren Metallsärgen wartete auf  diejenigen, die im  Kampf um  dieses Meisterstück moderner Kriegstechnik fallen werden. Und das waren nicht wenige.  

Eine Besonderheit der Hochflächenwerke bildeten die optischen Zentralen. Sie ermöglichten Blinksignale zu den beiden Vermittlungsstellen am Cornetto und am Monte Rust. Jedes einzelne Werk konnte mit seinen Nachbarwerken in direkte optische Verbindung treten. Wo dies geländebedingt nicht möglich war, wie zwischen den Werken „Gschwent“ und „Lusern“, erfolgte die Einschaltung von Zwischenvermittlern, wie hier der Nahkampfanlage „Oberwiesen“.  

Jedes Werk war mit einer (in der Regel aus mehreren Reihen Drahtverhau bestehenden) Hinderniszone umgeben. Friedensmäßige Kasernen hatten die Werke „Verle“, „Lusern“, „San Sebastiano“ und „Serrada“. Sie waren auf dem Hinterhang errichtet. Werkstraßen stellten die Verbindung bis unmittelbar zu den Festungen her.  

Aus Ersparnisgründen waren die Werke „Verle“ und „Lusern“ noch sehr eng angelegt. Die Panzerbatterien lagen in gefährlicher Nähe der Kasematten. Der Abstand zwischen den Geschütztürmen betrug nur 12 m. Der Grundriss war eng gezogen; er betrug bei „Verle“ ca. 0,20 ha (= 2.000 m2), bei „Lusern“ gar nur 0,15 ha (= 1.500 m2). Gelang es hier den gegnerischen Artilleristen, den mittleren Treffpunkt in die Werksmitte zu bringen, so lagen Hindernisse, Grabenflankierungen, der Batterieblock und der Kasemattblock in der 50%igen Längenstreuung der italienischen schweren 28 cm- und 30,5 cm-Granaten. Das erklärt auch die hohe Trefferquote bei den Werken „Verle“ (65 v.H. der auf das Fort abgefeuerten 30,5-, 28- und 21 cm-Granaten) und „Lusern“ (68 v.H. der auf das Fort abgefeuerten 30,5 und 28 cm-Granaten) und die dadurch verursachten schweren Zerstörungen.  

Die später errichteten Folgariawerke wiesen einige Abweichungen auf. Das Werk „San Sebastiano“ glich mit getrenntem Kasematt- und Batterieblock zwar vom Bauschema her noch den Lavaronewerken, war jedoch wie die Werke „Sommo“ und „Serrada“ sowie das Werk „Gschwent“ der Lavaronegruppe stärker zergliedert. Batterie- und Kasemattblock lagen weiter auseinander, der Abstand zwischen den Panzertürmen war auf 25 m vergrößert worden. Beim Werk „Serrada“ hatte man sogar die Panzerbatterie zweigeteilt: Zwei Turmhaubitzen saßen auf dem Kasemattblock, zwei weitere in einem eigenen Batterieblock. Und beim Werk „Sommo“ waren die Unterkunftsräume und die Batterie in einem verhältnismäßig schmalen und daher schwer zu treffenden Baukörper vereinigt, Damit sank auch die Trefferquote: Sie betrug beim Werk Gschwent 40 v.H., beim Werk San Sebastiano 37 v.H., beim Werk Sommo 10 v.H. und beim Werk Serrada nur 3 v.H.  

Große Aufmerksamkeit hatten die k.u.k. Festungsbauer den Werksdecken gewidmet. Schon in den Jahren 1869 bis 1873 und 1875 war man von Seiten des technischen Militärkommitees darangegangen, die Verwendung von Beton im Festungsbau systematisch zu erproben. Erprobt wurden hierbei in unterschiedlicher Ausführung der Spannweiten und Konstruktionsstärken:  

1. Tonnengewölbe aus Ziegel, verstärkt durch Erd- bzw. Schotteraufschüttungen, Bruchsteinpflaster oder Betonauflagen. Nur die Decken mit Betonauflagen erwiesen sich als ausreichend.  

2. Betondecken auf I-Trägern. Sie entsprachen gut, wurden zum damaligen Zeitpunkt jedoch als noch zu kostenaufwendig angesehen.  

3. Tonnengewölbe aus Beton mit Erdaufschüttung. Diese stellten sich bei dieser Versuchsreihe als die widerstandsfähigsten heraus.

Bereits damals stellten die Festungsbauer fest, dass man mit Beton rascher und billiger bauen konnte. Auch war es damit besser möglich, nachträglich der stetig steigenden Artilleriewirkung entsprechende Verstärkungen vorzunehmen. Und schließlich erleichterte das neue Material ein schmiegsameres Anpassen der Bauwerke an die Geländestrukturen. In verhältnismäßig kurzer Zeit verdrängte daher Beton im Festungsbau Ziegel und Bruchsteine.

Beton allein aber genügte nicht, um bombensichere Decken herzustellen; er musste bewehrt werden. Versuche mit Stahlbeton ergaben, dass dieser den Anforderungen nicht entsprach. Unter Beschuss zerbröselte er sehr rasch und die Stahleinlagen rissen. Das wiederum beeinträchtigte erheblich die Widerstandsfähigkeit der Deckenkonstruktionen und führte relativ rasch zu ihrer Zerstörung. Auch wurden Betonbrocken nach unten herausgeschlagen. Hinzu kam, dass die aufgerissenen Bewehrungseisen mit den teilweise daranhängenden Betontrümmern die Drehpanzer behinderten sowie die Bewegungsfreiheit bei Ausbesserungsarbeiten stark beeinträchtigten.

Durchgesetzt haben sich schließlich bombensichere Decken in der Form von „Betondecken auf Eisenträgern“, d.h., die Decken bestanden aus Mann an Mann gelegten I-Trägern, über die eine Decke aus Stampfbeton gelegt wurde. Sie waren zwar erheblich teuerer, bei Treffern führte das Aussprengen von Betonteilen jedoch zu keiner Beeinträchtigung der Tragwerkskonstruktion. Auch konnten die ausgesprengten Stellen durch Schüttbeton relativ rasch ausgebessert werden.

Die Betondecken aller Hochflächenwerke ruhten auf I-Trägern. Bei den älteren Werken auf der Hochfläche von Lavarone hatte man bedauerlicherweise aus Kostengründen nur 40 cm starke I-Träger, auf denen eine bis zu 2,5 m dicke Stampfbetondecke ruhte, eingebaut. Sie wiesen daher nur eine Bombensicherheit bis zum Kaliber 24 auf, zu schwach, wie sich bei der Beschießung durch italienische 28 cm- und 30,5 cm-Granaten erweisen sollte. So wurde z.B. allein beim Werk „Verle“ vierzehnmal die Decke des Batteriehohlganges durchschlagen. Bei den Folgariawerken ruhten die bis zu 3,7 m dicken Stampfbetondecken hingegen auf 50 cm starken I-Träger, die zusätzlich noch durch eine druckverteilende Querlage von I-Trägern verstärkt worden waren. Dadurch wurde bei keinem dieser Werke auch nur einmal die Decke durchschlagen.

Alle Werke auf den Hochflächen von Lavarone und Folgaria hatte man bereits weitgehend mit Naturfelsen kombiniert. Bei einigen von ihnen sprengte man allerdings manchmal unnötigerweise den natürlichen Felsen weg und baute die Werksteile aus Beton, statt die Räume in die Tiefe der Felsen zu verlegen. Die sinnlose Sprengung von Felsmaterial führte dazu, dass u.a. bei den Werken „Verle“ und „Lusern“, wo dies wegen des weichen Felsens geschah, nachträglich Räume in den Fels gesprengt werden mussten, da die Betondecken besonders im Kasemattbereich auf Dauer nicht dem schweren Beschuss durch 28 cm- und 30,5 cm-Geschütze standhielten.  

Bezeichnend für die Fehler, die man insbesondere bei der Errichtung der Lavaronewerke begangen hat, sind die diesbezüglichen Ausführungen Eduard Lacoms, der als Hauptmann im Geniestab das Werk „Lusern“ geplant und gebaut hat, in einem Brief vom 25. Januar 1925 an Lipscher: „...Ja, wenn wir Genisten das Geld gehabt hätten - wie ganz anders wäre „Lusern“ gebaut worden. Aber die ewigen Besserwisser in den VIII. Abteilung 1, Schießer und Konsorten, klebten damals an den alten, unmodernen und überholten Formen einer Aera Vogl.2 Ellison 3 kann ein Lied davon singen! Lass Dir von ihm einmal erzählen, was er für Widerstände zu brechen hatte, bis seine neuen, der gesteigerten Waffenwirkung entsprechend in der Form der beiden Werke ‘Sommo’ und ‘Serrada’ erstanden und so Wirklichkeit wurden...“  

Und wie drückend die finanziellen Missstände waren, beleuchtete Conrad von Hötzendorf in seinem Werk „Aus meiner Dienstzeit“. „So waren beispielsweise für die Zeit von 1907 bis 1910 jährlich nur 3.65 Millionen Kronen zu Befestigungszwecken für die ganze Monarchie ausgeworfen. Davon sollte aber nicht nur der Bau, sondern auch die Armierung bestritten werden. Da die Armierung etwa dieselben Kosten erheischte, wie der Bau, blieben für diesen nur 1,8 resp. 3 Millionen Kronen. (Bei den damaligen Verhältnissen rechnete man für eine komplette Panzerhaubitze 400.000 Kronen, für eine 8 cm-Kanone hinter Panzern 150.000 Kronen. Ein Werk mit sechs Panzerhaubitzen - wie es meist die italienischen waren - hätte mit den nötigen Nahkampfanlagen und Unterkünften also 2,4 Millionen Kronen gekostet). Demgegenüber wurden in Italien, das doch nur kurze Landfronten und die Küste zu bedenken hatte, für die Zeit von 1907 bis 1909 ein Ordinarium von 27,9 und ein Extraordinarium von 186 Millionen Lire 4 nur für Befestigung bewilligt.5

 

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