Kleinboden / Schafseck
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Ulrich Mößlang Optik Heydenreich der  Tauchbrillenspezialist  und  zertifizierter Sport-Optiker  
 
Fernkampfwerke, Bunker, Infanteriestützpunkte, Stellungen und Festungen der Österreicher und Ex Forte der Italiener aus dem ersten Weltkrieg in den Alpen, Dolomiten, Verona, Venezien und Friaul.  Denkmäler in München, Bayern und dem Rest der Welt.

Fotos und Text Volker Jeschkeit / Wendl Pircher

 

Auszug aus dem Mailverkehr, der dank der schnellen Mitarbeit von Wissenschaftlern zur schnellen geschichtlichen Aufklärung der Verhältnisse auf dem Kleinboden und Schafseck führte. Noch einmal herzlichen Dank an alle Beteiligten!

Wendl ist noch einmal hochgegangen: Die Gewinde sind in Zoll! Also alt!

Super, Wendl!

 

 

Mail von VJ an alle, Normaler Verteiler:

Betreff: Begehung der Stellung Kleinboden am 22.10.2005

Zuerst noch einmal recht herzlichen Dank an Wendl, Barbara, Lukas und seiner Begleiterin für die Einladung, den schönen Ausflug bei gutem Wetter in einer wunderbaren Berggegend! 

Kurz gesagt: Am Ende blieben mehr Fragen offen, als Fragen vor Ort geklärt werden konnten. Deswegen bitte ich auch an dieser Stelle WR um evt. Hilfe, Stellungnahme, ggf. Antworten.

1) Die Stellung ist viel größer als angenommen wurde. Es gibt eindeutig eine 4-geschützige Feldbatterie in offenen teilweise ausbetonierten Stellungen und Munitionskasematten und kleinen eingestürzten Unterkünften, eine Geschützstellung oberhalb auf dem Schafseck und im unteren Bereich vermutlich 2 kleine Stellungen für Gebirgsgeschütze, die direkt hinter den Schützengräben liegen.

2) Die Infanteriestellungen bestehen aus einem sehr umfangreichen Grabensystem und Verbindungsgräben zu rückwärtigen Einrichtungen, die zumindest teilweise eingedeckt waren und sich bis weit oben auf das Schafseck hinzogen.

3) Innerhalb dieses Grabensystems gibt es eine Defensionsmauer mit einer Stahlbetoneindeckung geringer Stärke (keine Trägerverstärkungen!) im Vorfeld der Feldbatterie.

4) Es gibt 2 kleine Betonkasematten , eine halbunterirdische Flankenkasematte mit Stahlbetondecke geringer Stärke.

5) Es gibt 2 Scheinwerferstellungen, deren Reflektoren versenkbar waren.

6) Es gibt weiter zurück einen rückwärtigen Bereich, bestehend aus einer vermutlich kleinen Kaserne, die durch eine kleine integrierte Kasematte ergänzt wurde, einem 2-köchigen Küchenbereich und davor das Betonfundament einer Baracke, vermutlich ein Munitionslager mit Eckerker als Laboratorium.

7) Oberhalb davon gibt es das Fundament einer weiteren Baracke, vermutlich einer Unterkunft. Auch dieser Bereich war durch Schützengräben zur rückwärtigen Armierungsstraße verbunden.

8) Unterhalb der Artilleriestellungen gibt es eine robust ausgeführte Kasematte in Naturstein, deren Fenster nachträglich zugemauert wurden und diese mit einer Betondecke auf Stahlträgerauflagern versehen wurde. Vermutlich wurde diese zu einem Munitionslager oder aber einer bedingt beschussfesten Unterkunft umgebaut.

9) Unterhalb dieses Lagers (ca.20m) wurde eine ca.15 m tiefe Kaverne in

den Fels gehauen, deren Eingang mit Beton verkleidet ist und deren Innenausrüstung die typische innere Holzbaracke war. Es ist trotz des relativ brüchigen Felsgesteins, die einzige beschussfeste Einrichtung der gesamten Stellung Kleinboden.

10) Zu dem Bereich führte eine sehr gut ausgebaute und lange Armierungsstraße, die hinter dem Werk Gomagoi beginnt.

Soweit zur Stellung im allgemeinen.

Vorweg meine vorläufige Stellungnahme mit Begründung:

a) Die Stellungsbereiche wurden alle ab 1913 gebaut. Erst im Juli 1913 wurde laut kompletter vorhandener Bauakte die Armierungsstraße fertig gestellt. Der Bauvertrag umfasste den Bau einer Wasserleitung, den Bau der Straße und den Bau einer Objektsbaracke und eines Objektzementdepots. Wir hatten Einblick in diese Akte bei einem sehr freundlichen Bergbauern vor Ort, dessen Vorfahren aktiv am Bau der Straße beteiligt waren. Er bestätigte auch, das es vorher keine Straße dort hinauf gab, lediglich einen steilen Almpfad "durch die Wiesen". Für den Transport von schwerem Kriegsmaterial also völlig ungeeignet.

Das o.a. Bauprojekt wurde am 18.07.1914 finanztechnisch abgerechnet vom Verwaltungsressort des KuK Genies von Brixen.
Selbiger Mann sagte auch aus, das unmittelbar danach mit dem Bau der Stellungen begonnen wurde, es wäre sogar Weihnachten 1913 noch betoniert worden. Vorher hätte es dort oben absolut nichts gegeben. Bei den Wetterbedingungen Ende Dezember, bezweifle ich allerdings, das dort oben betoniert wurde, schließlich herrschten keine Kriegsbedingungen. Was nicht ausschließt, das die ein oder andere Arbeit dort oben durchgeführt werden konnte.

b) die Bauausführung der Anlagen in Beton ist von armseliger Qualität, so schlechten und groben Stampfbeton habe ich noch nie gesehen, die Verschalungsarbeiten der Decken sind mit ca. 1m langen schmalen Holzbrettern ausgeführt worden und so ungenau, das es mich sehr wundert, das ein Genieabschnittsoffizier diese Arbeiten überhaupt abgenommen hat- Alle diese Anlagen waren absolut nicht beschusssicher, im Höchstfall waren diese Anlagen splittersicher- Die Betondecken sind mit 6-8mm starken Drähten armiert und ca. 20cm dick. Deren Statik lässt absolut nicht zu, das diese noch mit 2-3 m Erdüberdeckung geschützt wurden zur Einschlagdämpfung. Außerdem wurden die Decken nachträglich gegossen und liegen auf der Defensionsmauer auf. Vielleicht hätten diese noch getragen, nur beim Einschlag einer Granate wären diese Deckenteile durch die bereits tote Vorbelastung garantiert schlagartig kollabiert.
(Zum Vergleich: Die (Stahl-) Betondecken der Kasematten der FS Trient 1914/1915 hatten je nach Deckenlichte 1-2 m Stärke und bis zu 3m Erdüberdeckung)

Der Beton der Defensionsmauer selbst ist vielfach angereichert mit Gesteinsbrocken, auch dieser Beton hat eine minderwertige Dichte , mehrfach in der Höhe geschüttet, schlecht verdichtet und quasi schichtweise nur angeklebt.

c) Die Betonkasematten ließen mich sehr perplex, deren Baustil erinnert mehr an Posten- oder Wachstellungen der Organisation Todt des Jahres 1944/45. Derartige Kasematten habe ich bisher in ganz Tirol nicht gesehen. Auch diese sind im Höchstfall splittersicher, von einem nahen Einschlag einer italienischen 149-iger wären die einfach weggeblasen worden. Die Betonqualität minderwertig wie alle anderen Anlagen.

d) die Munitionskasematten der Feldbatterie sind in Natursteinausmauerung und haben Deckenunterzüge aus Stahlträgern geringer Bauhöhe gehabt. Auf die dort drüber liegenden Holzschalung wurde eine Decke gegossen, die mehr aus Natursteinbrocken besteht, denn aus Beton. Teilweise wurde auf dieser Decke nachträglich eine Gussasphaltschicht gegossen, und über diese dann eine 2.Decke ca.20cm stark gegossen, diese allerdings aus feinkörnigerem Beton. Vor dem Eingangsbereich wurde eine ca. 12-15cm starke schräge Betonwand gegossen, die die Eingangstür verdeckte und nur noch seitliche Ausgänge zuließ. Dieser Beton ist schwach armiert und mit teilweise abenteuerlichen Trägerverstärkungen (kleine T-Eisen ) ausgeführt.
Diese nachträgliche Arbeit und die andere Betonqualität führt mich zu der Annahme, das die Stellung Kleinboden 1913 bis 1914 gebaut wurde, aber vermutlich kurz vorher oder während der 1.Tage des Krieges in einer 2.Bauphase versucht wurde, teilweise und punktuell nachzubessern. Frage an WR: Ist Ihnen etwas bekannt über Bautätigkeiten am Anfang 1915 im Bereich Gomagoi, die Front verlief ja über Kleinboden, bevor sie entgegen den Vorstellungen der Befehlshaber und schlagartigen Ereignissen sowie mehr oder weniger eigenmächtigen Handlungen vorverlegt wurde (siehe Monte Scorluzzo, Besetzung des Ortlers u.a., die danach weit davor lagen).

e) die Annahme wird gestützt durch die Anlage der bombensicheren Kaverne, die laut Aussage des Bergbauern von Standschützen bei Ausbruch des Krieges angelegt wurde.f) die beiden Stellungen auf dem Felsvorsprung waren wohl Scheinwerferanlagen, die eine Art "Keller" haben , auf dem eine klappbare Blechdecke montiert war, auf dem die Scheinwerfer standen. In diesem Kellerchen war wohl die Anlage zur Aufbereitung der chemischen Stoffe für den Betrieb des Scheinwerfers, in den seitlichen Nischen die Ventil- und Bedienapparatur für die Regulierung des Azetylengemisches. Der Schutz aus Beton war gering. Bei den Scheinwerfern handelte es sich um die Azetylen-Reflektoren , die in Gomagoi ausgebaut wurden. Ich glaube inzwischen nicht mehr daran, das man den Aufwand betrieb, diese Scheinwerfer zu versenken in diesem "Keller", möglich wäre es aber gewesen.
Frage an WR: Sind solche Anlagen bekannt? Gibt es dazu Ausrüstungsbehelfe?

Seltsam die kleinen Gewindebefestigungen, wahrscheinlich für Scharniere der "Blechklappen". So feines mechanisches Zeugs habe ich selbst in allen Werken der FS Trient oder den feldmäßigen Befestigungen noch nicht gesehen, die Gewindestangen dort hatten immer ein gröberes Zollgewinde, dieses Gewinde sieht nach einem metrischen Gewinde aus, das gab es damals bei der KuK nicht. (Nachtrag: Inzwischen geklärt: ist Zollgewinde, siehe oben!)

Insgesamt gesehen, um jetzt abzukürzen (es gäbe noch mehr zu diskutieren und anzumerken), bin ich aus jetziger Sicht zu folgender Auffassung gelangt:

Die Anlage Kleinboden wurde ab 1913 gebaut, es gab den Versuch in einer 2.Phase nachzubessern 1915 (Kaverne, besserer Schutz der Mun-Lager der Batterie).

Der militärische Gesamtwert der Anlage ist äußerst zweifelhaft und es wundert mich, dass so etwas 1913 noch angelegt wurde.

Die gesamte Anlage war von alter Konzeption und absolut nicht sicher gegen den Beschuss von Artillerie jeden Kalibers.

Die Anlage wurde nie ausgerüstet (laut Aussage des Bergbauern)
(Anmerkung: das erwies sich als falsche Aussage!) und sehr schnell aufgegeben, die Front verlief viel weiter vorne, ihre ggf. altartigen Geschütze des Kalibers 9cm/M75 oder ähnliche, hatten gar nicht die Tragweite bis in Frontnähe gehabt.

Vor 1913 gab es auf dem Kleinboden keine militärischen Einrichtungen, was nicht bedeutet, dass es dafür bereits sehr frühzeitig Projekte zur Anlegung und Ausrüstung gab.
Frage an WR: Gab es diese Projekte?

Gruß VJ

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Mail von WR: 

In Bezug auf das Stilfser Joch waren von einer Subkommission schon 1907 alternativ zwei Werke beantragt worden: Kleinboden und Schafseck; Kleinboden wäre ein normales Werk geworden, Schafseck ein Blockhaus mit einer externen Fernkampfbatterie. Die Lokalkommission unter FMLt Leithner beantragte dann beide Werke. Tachymetrische Aufnahmen wurden sofort eingeleitet. Das Ministerium genehmigte 1907 aber nur Kleinboden. Dazu muss gesagt werden, dass die Genisten diese Sperre eigentlich nicht wollten, und wieder einmal Conrad derjenige war, der sie durchsetzte. 1910 konnte Conrad die Sperre mit beiden Werken endgültig im so genannten Minimalprogramm verankern.

In den folgenden Jahren aber wurde herumprojektiert und der Bau immer wieder zurückgestellt, wobei es zunächst tatsächlich weniger das Geld als vielmehr die sehr schwierigen Projektierungsarbeiten waren, die den Baubeginn verzögerten. Zuständig war natürlich die GB Brixen. Dann wurde angesichts der Finanzsituation der Etsch-Arsa-Sperre (Valmorbia etc.) die Priorität eingeräumt, während die Stilfserjoch-Sperre wieder sekundär als eingestuft wurde. 1913 begann trotzdem man mit den Einleitungsarbeiten für beide Werke, die 1914 auch fortgesetzt wurden. Diese Einleitungen dienten auch dazu, eine provisorische Verwendung der beiden Bauplätze als Batteriestandorte sicherzustellen. Dabei gab es auch Unterkunftsbauten für die Bedienungen und Beobachterstützpunkte. Wie viel davon fertig gestellt wurde bzw. welcher Art die Veränderungen in der Ausrüstungsphase von 1914/15 waren, weiß ich nicht. Dieser Bereich war für mich bisher eine "Nebenbaustelle". Pläne oder Skizzen - außer von der alten

Straßensperre Gomagoi - konnte ich im KA bisher keine feststellen, und die GD Brixen ist leider "verschollen"!
Da existieren nur noch jämmerliche Reste in Wien und Trient.

Grüße WR

PS: Die Bilder sind hochinteressant!

PPS: Externe Scheinwerferanlagen gibt es öfters, aber mir ist kein konkreter Projektsbehelf bekannt. Solche über den Einbau in Werken gibt es natürlich. Man müsste prüfen, wie die beiden Schweinwerfer von Gomagoi aussahen; wahrscheinlich waren das ausschwenkbare Dinger hinter einer leichten Panzerplatte.

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Antwort von VJ auf Mail WR an alle, normaler Verteiler: 

Guten Abend an alle, diese Antwort ist für mich endgültig.

Damit ist für mich die Sache geklärt, und füge hinzu:

Es wurde dort 1915 bestimmt feldmäßig weitergebaut mit den vorhandenen Mitteln und den dort vorhandenen "Truppen". Generell wurden 1915 alle verfügbaren Militärs im Stellungsbau zu "forcierter" Arbeit eingeteilt.

Damit hat der Lukas jetzt die Info bei der Hand zu den Geschehnissen

dort zwischen 1913 und 1915/1916.

Schönen Abend noch, VJ

 

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Vollvariante:

Gomagoi als Straßensperre,

Kleinboden als Haupt-Artilleriewerk (HB-Werk),

Schafseck als ergänzendes Emplacement für Kleinboden (Kanonenwerk),

Goldsee als Emplacement zur Verhinderung einer feindlichen Festsetzung auf demselben.

Sparvariante:

ohne Emplacement Goldsee.

cheers,

Reinfrid

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Mail von RV an VJ , Weiterverteilung durch VJ: 

Morgen die Herren,
na, da möchte ich schon noch etwas ergänzen, auch zu meiner "Nebenbaustelle":
Es existiert ein AGE Übersichtsplan aus dem März 1914

 

Darauf ist eine Kanonen-Batterie Kleinboden mit 4-9cm M75/96 verzeichnet. Als Sicherheitsbesatzung für Kleinboden-Schafseck werden 2 Kompanien angegeben. Für Schafseck sind 4-15cm HB (?-schlecht leserlich) angegeben. 

Auf dem Plan ist die Kleinboden Batterie Richtung Süden ausgerichtet. Stand 1+ 2 haben jeweils einen Unterstand im linken Kehlpunkt. Stand 3+4 haben einen Unterstand, der zwischen den 2 Geschützständen gelegen ist. Östlich des Standes 4 ist ein Beobachtungsstand eingezeichnet. Nördlich der Stände 3+4, weiter zurück liegend, befindet sich das Munitionsmagazin. 

Inwieweit der Plan mit der Vorkriegs-Realität übereinstimmt, kann ich derzeit nicht sagen. Es ist mir nur von meiner "Hauptbaustelle" bekannt, dass die AGE Pläne nicht unbedingt mit der Realität 1:1 übereinstimmen.  

Ich vermute dass, zwar 1913 eine "Armierungsstrasse", welche tauglich für einen Werksbau war, gebaut wurde, aber in weiterer Folge nur mehr geplant war, die Batteriestellungen zu errichten. Ich bin mir nicht sicher, ob weitere Einleitungsmaßnahmen für einen Werksbau gesetzt wurden bzw. halte ich es für unwahrscheinlich.

Auf einem anderen Plan ist der Batterie Süd-Süd/östlich vorgelagert auf Kote 1692 ein MG Stützpunkt mit 2 MG.

Weiter gibt der AGE vom Juni 1914 für die Stellung Goldsee eine Ausrüstung mit 2-9cm M75 an.

Conrad hat in seinem Rekognoszierungsbericht vom 18.8.1909 für die Stilfser Joch Sperre vorgeschlagen.

 

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